Hells-Angels-Boss vor seinem Tod "Ich hoffe, ich sterbe gar nicht"

Er hatte viele Feinde, nun ist der Gießener Hells-Angels-Anführer Aygün Mucuk erschossen worden. SPIEGEL TV begleitete den Rocker monatelang. Bis kurz vor seinem Tod.
Hells-Angels-Boss vor seinem Tod: "Ich hoffe, ich sterbe gar nicht"

Hells-Angels-Boss vor seinem Tod: "Ich hoffe, ich sterbe gar nicht"

Foto: SPIEGEL TV

Reporter: "Wie wollen Sie mal sterben?". Aygün Mucuk: "Weiß ich nicht. Alt, wenn es geht, mit einer schönen jungen Frau (lacht). Nein, ich hoffe, ich sterbe gar nicht. So lange nicht jemand auf mich schießt."

28 Tage später ist Aygün Mucuk, Chef der Gießener Hells Angels, tot. Hingerichtet. Ein Killer feuerte in der Nacht auf Freitag am Gießener Klubhaus der Höllenengel 13 Mal auf ihn. Die Ergebnisse der Obduktion sollen am Montag feststehen.

Das hessische Landeskriminalamt muss in viele Richtungen ermitteln. Eine Rockerfehde ist genauso denkbar wie eine Abrechnung in der Unterwelt. "Kaum einer hatte so viele Baustellen wie Mucuk", heißt es aus Ermittlerkreisen.

Alle sollten sehen, wie mächtig Mucuk war

SPIEGEL TV begleitete die Hells Angels um Aygün Mucuk in den vergangenen Monaten. Geplant war eine Dokumentation. Intern ist er für die Dreharbeiten angefeindet worden. Mucuk musste sich bei einem Hells-Angels-Meeting rechtfertigen. Doch er machte einfach weiter. Er hatte lange und blutig gekämpft, um ein mächtiger Hells-Angels-Boss zu werden. Jetzt sollten es auch alle sehen.

Die exklusiven TV-Aufnahmen laufen heute um 22.55 Uhr bei SPIEGEL TV auf RTL.

Als Aygün Mucuk über seinen eigenen Tod spricht, schlendert er in der Septembersonne über einen Berliner Friedhof. Gerade wurde der Rocker Dirk S. von der Guerilla Nation beerdigt. Ein bislang unbekannter Täter erschoss Dirk S. von hinten.

Die Guerilla Nation ist eine neue Gruppierung in der Hauptstadt. Der Klub unterstützt die Gießener Hells Angels. Bei den Höllenengeln ist es eigentlich verboten, außerhalb des eigenen Reviers Unterstützer zu haben. Deswegen gab es erbitterten Streit.

Eifersucht in Zweiklassengesellschaft

Aber Aygün Mucuk nahm es mit den Regeln des Öfteren nicht so genau: Anfang des Jahres wäre er fast aus dem Klub geflogen, weil in seiner Abteilung die Anwärter zu schnell zu Vollmitgliedern befördert wurden - ein klarer Verstoß gegen die Hells-Angels-Rules. Als Strafe durfte Mucuk monatelang seine Rockerkutte nicht tragen.

Vor der Beerdigung von Dirk S. hat Mucuk die Nacht im Edelhotel Walldorf Astoria geschlafen. Nur er und sein Vizepräsident gönnten sich diesen Luxus. Die restlichen Gießener Höllenengel schliefen in einem Billighotel zusammen mit Schulklassen. Die Zweiklassengesellschaft wird die rockertypischen Eifersüchteleien massiv verstärkt haben. In letzter Zeit bröckelte Mucuks Rückhalt. "Einige fühlten sich ausgenutzt", heißt es aus Ermittlerkreisen.

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Aygün Mucuk: Tod in Gießen

Foto: Boris Roessler/ dpa

Rivalitäten zwischen den traditionellen Hells Angels aus Frankfurt und den türkisch geprägten Hells Angels aus Gießen hatten in den vergangenen Jahren mehrfach zu gewalttätigen Auseinandersetzungen geführt. Der Machtkampf, bei dem es vor allem um die Gründung einer Ortsgruppe in Gießen gegangen sein soll, hatte vor rund zwei Jahren ein Attentat vor einem Frankfurter Klub zur Folge.

Damals, im Juli 2014, war Aygün Mucuk dem Tod schon einmal sehr nah: Er hatte mit vierzig Mann eine Szenebar in der Frankfurter Innenstadt gestürmt. In dem Klub befanden sich seine Rivalen, auch sie Hells Angels. Einer der gegnerischen Höllenengel zog eine Waffe und schoss auf Aygün Mucuk. Eine Kugel durchbohrte seinen Oberkörper und verfehlte sein Herz nur knapp. Hintergrund des Streits waren Türstehergeschäfte.

Für den Angriff auf die Frankfurter Höllenengel wäre Mucuk früher aus dem Klub geflogen. Doch er bekam Unterstützung von Hells Angels mit türkischen Wurzeln aus NRW. Mucuk blieb im Klub - ein Affront für seine Rivalen.

"Meine Söhne sollen studieren"

Das Rotlichtmilieu war fast 30 Jahre lang Mucuks Lebensraum. Er arbeitete zunächst als Türsteher. Bereits mit 16 Jahren saß er wegen Körperverletzung im Gefängnis. Danach verdiente er viel Geld als Zuhälter. Auch in diesem Milieu hatte er mehr Feinde als Freunde. Vor Jahren gab es eine blutige Fehde mit Albanerclans um ein Marburger Bordell.

Doch Mucuk war auch ein Familienmensch: Er hinterlässt vier Kinder, mit seiner Frau war er über zwanzig Jahre verheiratet. Zu einer Party im September kam sogar seine Schwiegermutter aufs Klubgelände der Höllenengel - Familienidylle in der Halbwelt. "Meine Söhne sollen mal studieren", sagte Mucuk im Interview zu SPIEGEL TV. "Die sollen nicht meinen Weg gehen. Nicht jeder hat so viel Glück im Leben wie ich."

Keine zwei Wochen später ist Aygün Mucuk tot.


Mehr Hintergründe zu dem Fall bei SPIEGEL TV, Sonntag 22:55 Uhr RTL.

Sehen Sie hier eine SPIEGEL-TV-Reportage aus dem August 2016 über Aygün Mucuk und den Bruderkrieg der Hells Angels.

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