Matthias Bartsch

Hessens Innenminister Beuth Überstürzt, fehlerhaft, unprofessionell

Matthias Bartsch
Ein Kommentar von Matthias Bartsch
Eine mögliche Verstrickung von Polizisten in rechtsextreme Morddrohungen ist zum hessischen Innenminister nicht durchgedrungen. Dieser will nun "Meldewege" überprüfen - gibt aber auch sonst eine extrem schlechte Figur ab.
Innenminister Peter Beuth (links) mit dem hessischen Polizeipräsidenten Udo Münch

Innenminister Peter Beuth (links) mit dem hessischen Polizeipräsidenten Udo Münch

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Boris Roessler/ dpa

Wer als Innenminister in Hessen lange genug durchhält, kann auch Regierungschef werden. Das hat der Christdemokrat Volker Bouffier vorgemacht, der sich immerhin elf Jahre lang als politisch verantwortlicher Chef der hessischen Polizeibehörden im Amt hielt, mehrere Skandale und Untersuchungsausschüsse abwetterte und schließlich 2010 Ministerpräsident wurde.

Peter Beuth, inzwischen seit gut sechs Jahren im Amt, hätte sich eine ähnliche Karriere vorstellen können. Das sagen zumindest enge Vertraute des Innenressortchefs. Und seine Chancen standen nicht einmal ganz schlecht. Bouffier, 68, will zur nächsten Landtagswahl 2023 nicht mehr antreten. Und das Rennen um seine Nachfolge war weitgehend offen, jedenfalls nachdem der bis dahin wohl aussichtsreichste Kandidat, der damalige Finanzminister Thomas Schäfer, im März dieses Jahres unerwartet starb.

Zweifel selbst bei treuen Anhängern

Unterstützer hatte Beuth bisher vor allem im konservativen Flügel der hessischen CDU; bei jenen Christdemokraten also, die sich in der Koalition mit den hessischen Grünen nach einem klareren traditionellen Profil und mehr demonstrativer Law-and-Order-Politik sehnen. Doch nun hat sich der 52-Jährige in eine Situation manövriert, die selbst bei seinen treuen Anhängern Zweifel darüber auslösen dürfte, ob er der richtige Mann für den Ministerpräsidenten-Job ist. Sein Krisenmanagement im Umgang mit den zahlreichen Morddrohungen von Rechtsextremisten war überstürzt, fehlerhaft, unprofessionell. Seine Chancen, Bouffier zu beerben, hat Beuth damit extrem minimiert. Nun wird er erst einmal seine Funktion als Innenminister in der Landesregierung verteidigen müssen. 

Mindestens drei Abfragen sensibler Daten von hessischen Polizeicomputern stehen in auffälligem zeitlichen Zusammenhang mit Brechreiz erregenden rechtsextremistischen Drohschreiben an drei Frauen: 2018 an die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yilziz, 2019 an die Berliner Kabarettistin Idil Baydar, im Februar 2020 an die hessische Linkenpolitikerin Janine Wissler. In den beiden letzten Fällen will Beuth erst in der vergangenen Woche darüber informiert worden sein, dass den Morddrohungen jeweils Datenabfragen in Wiesbadener Polizeirevieren vorausgegangen waren. Die Schuld dafür gab er zunächst dem Landeskriminalamt, mit deren Chefin Sabine Thurau ihn ein angespanntes Verhältnis verbindet. Beuth warf der Ermittlungsbehörde am vergangenen Donnerstag öffentlich schwere Versäumnisse vor.

Nur fünf Tage später musste Beuth jedoch einräumen, dass der entscheidende Fehler zumindest im Fall Wissler offensichtlich in seinem eigenen Ministerium lag. Die LKA-Leute hatten, wie es der Dienstweg vorsieht, das Landespolizeipräsidium in Beuths Ministerium informiert, zumindest mündlich, per Videokonferenz. Die Verantwortung dafür, dass der Minister davon nichts erfahren habe, übernahm jetzt der Landespolizeipräsident, ein enger Vertrauter Beuths, er trat zurück. Damit will es der Minister aber nicht auf sich beruhen lassen. Er kündigte weitere Untersuchungen an, die sich mit "Meldewegen" und damit erneut auch mit der Rolle des Landeskriminalamts beschäftigen sollen.

Den Betroffenen allerdings, die eine der inzwischen in großer Zahl und quer über die Republik verbreiteten Drohmails und -faxe bekommen haben, dürfte es vermutlich ziemlich egal sein, welche Information in welcher hessischen Polizeibehörde auf dem Weg zum Minister steckenblieb. Es geht um den begründeten Verdacht, dass hessische Polizeibeamte dabei geholfen haben könnten, diese rassistischen, von Nazivokabular nur so strotzenden Drohmails zu verfassen oder zu versenden.

Diesen Verdacht entweder auszuräumen oder die Täter zu ermitteln, ist den hessischen Polizeibehörden seit zwei Jahren nicht gelungen. Stattdessen erzeugt Beuth jetzt den fatalen Eindruck, dass die hessischen Sicherheitsbehörden stärker mit sich selbst und ihren "Meldewegen" beschäftigt sind als mit der Aufklärung der Frage, ob es in der Polizei ein Netzwerk oder zumindest Kräfte gibt, die erklärte Gegner von Rechtsextremismus und rechter Gewalt mit dem Tode bedrohen.

Wenn es stimmt, was Beuth sagt, wenn also der zuständige Innenminister über mehrere Abfragen von Polizeicomputern in dieser unsäglichen Drohmailaffäre nicht unverzüglich informiert wurde, dann wäre das in der Tat ein kaum fassbares Versagen der Polizeistrukturen in Hessen. Doch ein Minister, der schon mehr als sechs Jahre im Amt ist, trägt die Verantwortung für diese Strukturen selbst. 

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