Gefälschter Impfpass Pflegeheimmitarbeiterin wegen tödlichen Coronaausbruchs vor Gericht

Ihr Impfpass: gefälscht. In ihrem Körper: Coronaviren. Die Folgen: offenbar tödlich. In Hildesheim steht eine Ex-Heimmitarbeiterin vor Gericht, weil sie für Infektionen verantwortlich sein soll. Drei Seniorinnen starben.
Die Angeklagte neben ihrem Anwalt Velit Tümenci: »Der Tod ist im Altersheim leider ein alltäglicher Begleiter«

Die Angeklagte neben ihrem Anwalt Velit Tümenci: »Der Tod ist im Altersheim leider ein alltäglicher Begleiter«

Foto: Julian Stratenschulte / dpa

In Hildesheim steht eine 46-jährige Mitarbeiterin eines Pflegeheims wegen eines Coronaausbruchs mit drei Toten Ende 2021 vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass die Frau diese Infektionskette in Gang gesetzt hatte – sie arbeitete mit einem gefälschten Impfpass in der Senioreneinrichtung.

Der Frau, die zum Zeitpunkt der Infektionen nicht gewusst haben will, dass sie sich mit Corona angesteckt hatte, werden fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung sowie Urkundenfälschung vorgeworfen. Sie soll mit der Vorlage eines gefälschten Impfausweises eine doppelte Impfung gegen Covid-19 vorgetäuscht haben.

Laut Anklage hatte die Mitarbeiterin Ende November 2021 in dem Heim in einer Kaffeepause einen Kollegen angesteckt. Insgesamt infizierten sich in den folgenden Tagen und Wochen fünf Beschäftigte und elf Bewohner. Drei Frauen im Alter von 80, 85 und 93 Jahren starben.

Die rechtsmedizinischen Untersuchungen ergaben, dass Covid-19 im Fall der 80-Jährigen die Todesursache war. Bei den anderen beiden seien andere Ursachen nicht auszuschließen, in diesen Fällen wird der Angeklagten fahrlässige Körperverletzung zur Last gelegt. Sie war als Alltagsbegleiterin beschäftigt, übernahm also keine pflegerischen Tätigkeiten.

Unterlagen aus Datenschutzgründen vernichtet

Seine Mandantin werde zur Sache keine Angaben machen, sagte Verteidiger Velit Tümenci. Der Rechtsanwalt trug jedoch eine persönliche Erklärung der Angeklagten vor. Darin betont die Frau, dass sie keine Coronaleugnerin sei. Und: »Meine Mandantin hatte keinen Kontakt zu den Verstorbenen«, sagte der Verteidiger. »Der Tod ist im Altersheim leider ein alltäglicher Begleiter.« Lesen Sie hier mehr zu dem Fall: »Die Pflegerin kam mit einem gefälschten Impfpass – brachte sie auch das Virus? «

Seine Mandantin sei derzeit arbeitslos und in psychologischer Behandlung. Die Heimleitung hatte ihr fristlos gekündigt, nachdem sie die Fälschung ihres Impfausweises herausgefunden hatte.

Am ersten Prozesstag wurden die stellvertretende Heimleiterin, der Heimleiter sowie der Kollege, den sie angesteckt haben soll, als Zeugen vernommen. Es ging unter anderem um die Frage, ob auch andere das Virus eingeschleppt haben könnten, zum Beispiel Besucher. Notwendig für den Zutritt zum Heim war ein negativer Schnelltest.

Der Heimleiter schätzte die Besucherzahl innerhalb von zwei Wochen auf etwa 150, die Besuche in der Zeit des Ausbruchs seien auch dokumentiert worden, allerdings seien die Unterlagen aus Datenschutzgründen wie vorgeschrieben vernichtet worden. Insgesamt hat die Einrichtung etwa 75 Beschäftigte und rund 120 Bewohnerinnen und Bewohner.

Die Ermittler hatten die PCR-Abstriche der verstorbenen Bewohnerinnen, der Verdächtigen und ihres zwischenzeitlich an Covid-19 gestorbenen Lebensgefährten näher untersuchen lassen. Demnach könne eine zusammenhängende Infektionskette vermutet werden, hieß es von der Staatsanwaltschaft im Juli. Allerdings sei die Probe der Angeschuldigten im Labor versehentlich vernichtet worden.

Drei Tage unentdeckt infiziert gearbeitet

Die Angeklagte war nach Rücksprache mit der stellvertretenden Heimleiterin trotz der Coronainfektion ihres Sohnes 2021 am letzten November-Wochenende zur Arbeit gekommen. Als Ungeimpfte hätte sie sich eigentlich in häusliche Isolation begeben müssen, jedoch nahm der Arbeitgeber an, sie sei geimpft. Deshalb durfte sie mit einem negativen Schnelltest kommen. Zudem hatte sie der Zeugin zufolge stets FFP2-Maske getragen. Drei Tage soll die Angeklagte unbemerkt infiziert gearbeitet haben, danach meldete sie sich krank.

Am Freitag derselben Woche bemerkte der Kollege, mit dem sie montags zuvor einen Kaffee getrunken hatte, bei sich Erkältungssymptome. Er sei dennoch zur Arbeit gegangen, weil er manchmal morgens etwas Schnupfen habe, sagte der Zeuge, zudem sei sein Schnelltest am Morgen negativ gewesen. Weil sich sein Zustand verschlechterte, habe er seine Schicht abgebrochen.

Beim Kaffeetrinken in der Pause vor seiner Infektion habe er Abstand zu der Angeklagten gehalten, sagte der 39-Jährige im Gerichtssaal. Er habe später nicht vermutet, dass diese Kollegin ihn angesteckt habe. »Ich hatte so viele Kontakte mit anderen Menschen dort. Sie war nur eine von vielen«, sagte der Alltagsbegleiter. Er war auf der Station eingesetzt, wo es zu dem Coronaausbruch kam. Angesprochen auf die drei Toten sagte der Zeuge, er könne sich erinnern, dass er einer von ihnen das Frühstück ans Bett gebracht habe.

Die Fälschung des Impfpasses der Angeklagten war nur ans Licht gekommen, weil sie ihre Vorgesetzte unter Tränen angerufen und berichtet hatte, dass ihr Lebensgefährte mit Corona ins Krankenhaus gekommen sei, es ihm sehr schlecht gehe und sie die Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen treffen müsse. »Da habe ich ihr gut zugeredet, dass er jung und geimpft ist«, sagte die 53-jährige Zeugin. Nach diesem Gespräch sei ihr dann erstmals der Verdacht gekommen, dass die Mitarbeiterin doch nicht geimpft sei und sie habe Nachforschungen angestellt. Laut ihrem Verteidiger ist die Angeklagte inzwischen geimpft.

Für den Prozess sind nach Gerichtsangaben insgesamt zwölf Zeugen und drei Sachverständige geladen. Am 7. März sollen unter anderem Ärzte der gestorbenen Seniorinnen gehört werden. Insgesamt sind fünf Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil könnte nach dieser Planung am 21. März gesprochen werden.

apr/dpa
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