Proteste gegen China "Hongkong fällt. Das ist nicht übertrieben"

Viele Hongkonger im Ausland verfolgen besorgt die Demonstrationen in ihrer alten Heimat. Auch Chiu Kit Lam aus Offenburg. Der Ingenieur erzählt, warum er jetzt Unterstützer-Anzeigen in deutschen Medien schaltet.
Demonstranten in Hongkong: "Wir wünschen uns, dass möglichst viele Leute an die deutsche Regierung und die EU appellieren, Druck auf Hongkong und China auszuüben"

Demonstranten in Hongkong: "Wir wünschen uns, dass möglichst viele Leute an die deutsche Regierung und die EU appellieren, Druck auf Hongkong und China auszuüben"

Foto: Gregor Fischer/dpa
Zur Person
Foto: Chiu Kit LAM

Ingenieur Chiu Kit Lam, 29, kam vor neun Jahren aus Hongkong nach Deutschland. Von Offenburg aus kämpft er nun für die Freiheit der Demonstranten in seiner alten Heimat - und erzählt im Interview, warum er nicht viel Hoffnung hat.

SPIEGEL: Sie und Ihre Mitstreiter haben in Medien auf der ganzen Welt Anzeigen geschaltet, um auf die Proteste in Hongkong aufmerksam zu machen. Eigentlich sind es Hilferufe. "Bitte stehen Sie uns bei" heißt es darin. Wie stellen Sie sich das vor?

Lam: Wir haben geschrieben "Hong Kong fällt". Das ist nicht übertrieben. Die Demonstranten in Hongkong kämpfen verzweifelt für ihre Freiheit und Sicherheit. Wir wünschen uns, dass möglichst viele Leute an die deutsche Regierung und die EU appellieren, Druck auf Hongkong und China auszuüben, durch Sanktionen und Verbote für Waffenexporte zum Beispiel.

Die Anzeige von Chiu Kit Lam in der FAZ: "Manchmal fühle ich mich hilflos"

Die Anzeige von Chiu Kit Lam in der FAZ: "Manchmal fühle ich mich hilflos"

SPIEGEL: Wer koordiniert die Proteste in Deutschland? Sie stehen als Verantwortlicher unter dem Hilferuf in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Lam: Ich bin nicht der Kopf einer Organisation oder so etwas. Wir - das sind vielleicht 60 bis 100 Leute, schätze ich, die meisten von uns sind Expats aus Hongkong, die jetzt ein gemeinsames Ziel eint. Wir kommunizieren über Kanäle wie Facebook oder den Messenger-Dienst Telegramm und kennen uns auch gar nicht alle persönlich. Die Anzeigen haben wir über Crowdfunding finanziert.

SPIEGEL: Ist es nicht ein Risiko, sich namentlich zu der Aktion zu bekennen?

Lam: Tatsächlich habe ich lange überlegt, ob ich mit meinem vollen Namen dort stehen will. Meine Familie lebt immer noch in Hongkong und China hat einen mächtigen Sicherheitsapparat, der weltweit vernetzt ist. Aber irgendjemand musste verantwortlich im Sinne des Presserechts sein, ansonsten wäre die Anzeige nicht gedruckt worden. Die Situation in Hongkong ist so dringlich, dass ich mich am Ende entschieden habe, das Risiko einzugehen. Ich hoffe, dass es keine Probleme gibt.

Proteste in Hongkong

SPIEGEL: Wie fühlt es sich für Sie an, in Offenburg zu sitzen, während in Hongkong jeden Tag die Massen auf die Straße gehen?

Lam: Manchmal fühle ich mich hilflos. Aber ich versuche, so viel wie möglich von hier aus zu erreichen. Ich bin seit neun Jahren in Deutschland zu Hause und weiß mehr denn je zu schätzen, in einem Land zu leben, in dem Demokratie und Menschenrechte so viel zählen.

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Foto: PHILIP FONG/ AFP

SPIEGEL: Wann waren Sie zuletzt in Hongkong?

Lam: Das ist noch gar nicht so lange her, von Februar bis April in diesem Jahr. Meine Frau ist Deutsche, wir haben einen kleinen Sohn. Mit ihm zusammen waren wir während meiner Elternzeit in Hongkong bei meiner Familie. Es war eine tolle Zeit. Wir haben das chinesische Neujahrsfest gefeiert. Ich hatte damals keine Ahnung, dass es die letzten schönen Momente sein würden, die wir dort erleben konnten.

SPIEGEL: Das klingt nicht optimistisch.

Lam: Wenn ich ehrlich bin, glaube ich nicht, dass es eine Lösung für den Konflikt gibt. Wir Hongkonger werden unsere Freiheit und Autonomie verlieren. China wird sich nicht bewegen, es gibt kein Zurück. Mein Sohn ist gerade erst ein Jahr alt geworden. Das macht es für mich besonders schlimm. Ich hatte immer gehofft, dass er später einmal - wie einst meine Frau - für ein Austauschsemester nach Hongkong gehen könnte. Momentan habe ich wenig Hoffnung, dass das jemals passieren wird.

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