Epstein-Vertraute Ghislaine Maxwell Der Prinz und die "Madame"

Sie war die engste Vertraute von Millionär und Missbrauchstäter Jeffrey Epstein. Nun wurde Ghislaine Maxwell in den USA festgenommen, und alle blicken nach Großbritannien - auf Prinz Andrew.
Wie eng war diese Freundschaft? Ein Foto zeigt Prinz Andrew und Ghislaine Maxwell bei der gemeinsamen Ankunft anlässlich einer Hochzeit in Großbritannien im Jahr 2000

Wie eng war diese Freundschaft? Ein Foto zeigt Prinz Andrew und Ghislaine Maxwell bei der gemeinsamen Ankunft anlässlich einer Hochzeit in Großbritannien im Jahr 2000

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Picture Press/ Camera Press/ Stewart Mark/ ddp images

Keinerlei Erinnerung will Prinz Andrew an dieses Foto aus dem Jahr 2001 haben: Es zeigt ihn strahlend neben einer sehr jungen blonden Frau in bauchfreiem Top, seine Hand liegt lässig auf ihrer Taille. Eine zweite Frau steht lachend im Hintergrund. Sie heißt Ghislaine Maxwell. Das Bild wurde in Maxwells Haus im Londoner Nobelbezirk Belgravia aufgenommen.

In diesem Haus soll die heute 58-Jährige rauschende Partys veranstaltet haben - und dem US-Multimillionär Jeffrey Epstein dabei behilflich gewesen sein, minderjährige Mädchen zu missbrauchen. Davon gehen amerikanische Ermittler aus, vor denen Maxwell seit Monaten auf der Flucht war. Am Donnerstagmorgen wurde Maxwell schließlich in ihrem Haus im US-Bundesstaat New Hampshire festgenommen. Das Anwesen hatte sie erst im Dezember gekauft, für eine Million Dollar in bar.

Maxwell ist nun in New York angeklagt. Der Anklageschrift zufolge, die dem SPIEGEL vorliegt, soll Maxwell versucht haben, sich mit jungen Mädchen und Frauen von teilweise nur 14 Jahren anzufreunden, um sie dann zu sexuellen Aktivitäten mit ihrem langjährigen Lebensgefährten Epstein zu drängen. 

Der US-Unternehmer hatte sich im vergangenen Sommer im Gefängnis das Leben genommen. Ihm war vorgeworfen worden, Dutzende Minderjährige missbraucht und zur Prostitution gezwungen zu haben. Nun könnte die Festnahme seiner engsten Vertrauten helfen zu klären, was genau in diesem Londoner Haus und in Epsteins anderen Residenzen, etwa in den USA, passiert ist. 

Nach Epsteins Verhaftung war Ghislaine Maxwell zunächst abgetaucht. Das britische Boulevardblatt "Sun" bot seinen Lesern eine Belohnung von 10.000 Pfund für Informationen zu Maxwell. Die Vorwürfe gegen die 58-Jährige wiegen schwer. Sie soll in dieser Missbrauchsaffäre eine zentrale Rolle gespielt haben.

So beschreibt die US-Anklageschrift etwa ihren Austausch mit einem Mädchen, das in dem Papier "Opfer 3" genannt wird: Maxwell habe sie in London kennengelernt und gewusst, dass sie minderjährig sei. Sie hätten über das Leben und die Familie der jungen Frau geredet. Dann habe Maxwell sie Epstein vorgestellt und dazu ermuntert, den Geschäftsmann zu massieren, wohl wissend, dass er "Opfer 3" dabei sexuell missbrauchen werde.

Maxwell bei einer Benefizgala in New York 2014

Maxwell bei einer Benefizgala in New York 2014

Foto: Rob Kim/ Getty Images

Mit anderen Mädchen soll Maxwell ins Kino oder shoppen gegangen sein, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Um ihnen zu zeigen, dass das Geschehene normal sei, habe sie sich vor ihnen ausgezogen, sie massiert und über Sex mit ihnen gesprochen. Die Anklage gegen Maxwell konzentriert sich auf die Fälle von drei Frauen. Die jüngste von ihnen war zum Zeitpunkt des Missbrauchs, Anfang der Neunzigerjahre, erst 14 Jahre alt. Maxwell "stellte die Falle auf", kommentierte die New Yorker Staatsanwältin Audrey Strauss ihre Ermittlungsergebnisse. Maxwell habe so getan, als sei sie die Frau, der die Mädchen vertrauen könnten.

Auch wenn die Ermittlungen in den USA geführt werden, schlägt die Festnahme Maxwells in Großbritannien hohe Wellen. Denn die "Madame" des US-Finanziers war seit ihrer Jugend in der britischen High Society bestens vernetzt. Sie war es auch, die den Sohn der Queen Prinz Andrew und Epstein einander vorstellte. Sie wurde zusammen mit Epstein zum 40. Geburtstag des Prinzen auf Schloss Windsor eingeladen oder zu einer Fasanenjagd auf dem königlichen Landsitz Sandringham. Sie weiß wohl mehr als jeder andere über das Verhältnis von Epstein und dem Herzog von York - weshalb sich aktuell nicht nur der Palast darum sorgt, was Maxwell jetzt den Ermittlern erzählen könnte.

November 2019: Der Prinz erklärt sich - und wirft nur neue Fragen auf

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Foto: Mark Harrison / BBC via AP

Seit Monaten wirft das FBI dem Prinzen vor, nicht zu kooperieren. Virginia Giuffre, die damals Roberts hieß und als junge Frau zusammen mit den Prinzen im Haus von Maxwell für die Kamera posierte, sagt heute aus, sie sei als Minderjährige von Maxwell und Epstein zu Sex mit dem Herzog gezwungen worden. Der Adlige bestreitet alle Vorwürfe, in einem peinlichen Interview mit dem Sender BBC redete sich der Prinz um Kopf und Kragen. Mit "Erlaubnis" der Queen legte er kurz danach alle öffentlichen Ämter nieder. Die Festnahme von Maxwell setzt ihn nun unter Druck. Und dem britischen Königshaus droht ein halbes Jahr nach dem "Megxit" das Wiederaufflammen des Missbrauchsskandals um Prinz Andrew.

Die Geschichte von Ghislaine Maxwell sagt auch viel über die britische Elite aus. Sie ist das neunte und jüngste Kind in der Familie des britischen Medienmoguls Robert Maxwell, der unter anderem die Boulevardzeitung "Daily Mirror" herausgab. Ghislaine wuchs in einem prachtvollen Haus in Oxford auf. Das Geld des Vaters und seine Beziehungen waren ihr Eintrittsticket in die High Society. Sie besuchte das Marlborough College, eine der bekanntesten Privatschulen in Großbritannien, auf die die Reichen und Mächtigen des Landes gern ihrer Kinder schicken. Später studierte sie wie ihre älteren Brüder an der Universität Oxford.

Die Bilder aus ihrer Jugend in den Achtzigerjahren zeigen Ghislaine in großer Robe mit ihrem Vater auf dem Filmfestival in Cannes oder bei Spielen des Fußballvereins Oxford United F.C., der dem Medienmagnaten gehörte und bei dem Ghislaine als Direktorin fungierte. Aus dieser Zeit kennt sie Prinz Andrew, der in den gleichen Kreisen verkehrte. 

Robert Maxwell mit seiner Tochter Ghislaine bei einem Fußballstpiel im Jahr 1984

Robert Maxwell mit seiner Tochter Ghislaine bei einem Fußballstpiel im Jahr 1984

Foto: Mirrorpix/ Getty Images

Die Familie kannte in diesen Zeiten keine finanziellen Sorgen, doch es waren nicht nur glückliche Tage. Das Nesthäkchen Ghislaine sei das "Opfer der Tyrannei ihres Vaters" gewesen, der sie gleichzeitig geliebt und stark kontrolliert habe. So beschrieb es der Biograf von Robert Maxwell, Journalist Tom Bower, in der Zeitung "Times". Der mächtige Medienunternehmer habe seiner Tochter etwa verboten, ihre Boyfriends mit nach Hause zu bringen oder öffentlich mit ihnen gesehen zu werden. Einmal habe er Ghislaine am Telefon beschimpft, als ihm ihre Beschreibung eines Dinners in New York nicht gefiel, das sie in seinem Auftrag besucht habe.

Im November 1991 änderte sich das Leben von Ghislaine Maxwell radikal. Ihr Vater fiel von Bord seiner Jacht "Lady Ghislaine", er wurde in der Nähe der Kanarischen Inseln tot aufgefunden. Seine Tochter wollte lange nicht an einen Unfall oder Selbstmord glauben. Nach seinem Tod wurde bekannt, dass er 440 Millionen Pfund aus der Pensionskasse seiner Unternehmen entwendet hatte. Die Familie verlor von heute auf morgen fast ihr gesamtes Vermögen.

Prominente Kreise: Donald Trump posiert mit seiner damaligen Freundin Melania, neben Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell im Mar-a-Lago Club in Palm Beach in Florida (Archivbild aus dem Jahr 2000)

Prominente Kreise: Donald Trump posiert mit seiner damaligen Freundin Melania, neben Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell im Mar-a-Lago Club in Palm Beach in Florida (Archivbild aus dem Jahr 2000)

Foto: Davidoff Studios Photography/ Getty Images

Nach dem Tod ihres Vaters beschloss Ghislaine Maxwell, ein neues Leben in den USA zu beginnen. Sie zog nach New York, knüpfte Beziehungen zu Prominenten und stieg in der Gesellschaft auf. So lernte sie Jeffrey Epstein kennen. Es gibt viele Partyfotos von dem Paar, Arm in Arm mit den Reichen und Mächtigen, unter anderem auch mit dem heutigen US-Präsidenten Donald Trump.

Epstein und Maxwell sollen eine Beziehung gehabt haben, wurden als beste Freunde und Geschäftspartner bezeichnet. Systematischer Missbrauch von Mädchen war wohl ein fester Teil dieser Beziehung. 

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