Justiz
Gerichte zeigen bei "Ehrenmördern" keine Milde
Deutsche Gerichte gewähren Tätern sogenannter Ehrenmorde keinen kulturellen Rabatt. Zu diesem Ergebnis kommt nach Informationen des SPIEGEL eine Studie des Max-Planck-Instituts.
Gedenken an Hatun Sürücü (Archivbild): Opfer eines "Ehrenmordes"
Foto: Rainer Jensen/ dpa
Hamburg - Deutsche Strafgerichte behandeln sogenannte Ehrenmörder nicht milder als andere Beziehungstäter, sondern sogar strenger. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, die demnächst erscheint und dem SPIEGEL bereits vorliegt.
Die Forscherin Julia Kasselt hat 78 Fälle zwischen 1996 und 2005 ausgewertet, bei denen die Täter Partner oder Verwandte wegen kultureller "Ehrenkodices" angegriffen hatten. Kasselt verglich die Urteile mit 91 Schuldsprüchen gegen Partnermörder, die etwa aus Eifersucht getötet hatten. Sie stellte fest, dass Letztere deutlich milder bestraft wurden. Das Fazit der Forscherin: "Die Justiz gibt Ehrenmördern keinen 'kulturellen Rabatt'."
Ein gegenteiliger Eindruck war jüngst durch ein Urteil des Landgerichts Wiesbaden entstanden, das einen Deutsch-Afghanen wegen Mordes an seiner schwangeren Freundin verurteilt hatte. Eine "besondere Schwere der Schuld" wurde dabei nicht erkannt, da sich der Täter "aufgrund seiner kulturellen und religiösen Herkunft in einer Zwangslage befunden" habe. Das bedeutet, dass er nach 15 Jahren Chancen auf eine Haftentlassung hat.