Kachelmann-Prozess Geliebte belog die Staatsanwälte

Wie glaubhaft ist das mutmaßliche Opfer Jörg Kachelmanns? Vor dem Landgericht Mannheim berichteten zwei Staatsanwälte detailliert von ihren Gesprächen mit der Frau. Fazit: Die Ex-Geliebte belog sie zunächst hartnäckig. Am Tatverdacht der Ermittler änderte das aber nichts.
Angeklagter Kachelmann auf dem Weg zum Gericht: Frage der Glaubwürdigkeit

Angeklagter Kachelmann auf dem Weg zum Gericht: Frage der Glaubwürdigkeit

Foto: dapd

Mannheim - Dieser Donnerstag war eine Katastrophe für die Mannheimer Staatsanwaltschaft. Und zwar bis zur letzten Bemerkung des Anklagevertreters am späten Nachmittag: Der Vorwurf, die Mannheimer Staatsanwaltschaft habe im Fall Kachelmann nicht objektiv, sondern einseitig zum Nachteil ermittelt, sei an diesem Verhandlungstag eindeutig widerlegt worden.

War der Mann in einer anderen Veranstaltung?

Im Landgericht Mannheim nahm das Bild der Anklageentstehung gegen den Wettermoderator mehr und mehr Gestalt an.

Von den ersten Bewertungen der Kripobeamtinnen, die sich von den Tränen und dem Zittern der angeblich von Kachelmann vergewaltigten Claudia D. unmittelbar nach der "Tatnacht" hatten beeindrucken lassen, war bereits in der Vergangenheit die Rede. An Donnerstag ging es nun um die Vernehmungen des mutmaßlichen Opfers durch die Mannheimer Staatsanwälte Lars-Torben Oltrogge und Oberstaatsanwalt Oskar Gattner.

Mehrmals mahnten die Ermittler Kachelmanns Ex-Geliebte, die Wahrheit zu sagen - doch in einem Punkt log das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer zunächst beharrlich.

Schon bei der Vernehmung am 20. April vorigen Jahres, als die Staatsanwaltschaft bereits im Besitz von schriftlichen Dokumenten war, die eine zumindest teilweise Falschaussage Claudia D.s belegten, hätten die Alarmsirenen bei Oltrogge und Gattner schrillen müssen. Trotzdem vernahm man ohne Tonband, ohne Video, diktiert wurde "abschnittsweise". Und dies in einem derart brisanten Fall, in dem es um die Konfrontation der Frau mit ihren falschen Aussagen ging und eine genaue Dokumentation das A und O gewesen wäre.

"Ich machte ihr nachdrücklich klar, dass sie nichts Falsches erzählen solle"

Die Zeugin, die bereits wusste, dass ihr Computer von der Polizei untersucht werden würde, verhielt sich laut Oltrogge auffällig zögernd. Sie antwortete vage, abwartend und wurde immer einsilbiger, je mehr die Rede auf den Brief kam, den sie rein zufällig Stunden vor Kachelmanns Besuch im Briefkasten gefunden haben will. Dieses Schreiben soll sie ermutigt haben, den Mann, mit dem sie elf Jahre lang eine intime Beziehung hatte, nun plötzlich auf seine Untreue anzusprechen.

Claudia D. sei immer wieder in Tränen ausgebrochen - ein offenbar effektives, die Adressaten beeindruckendes Verhalten. "Erst blieb sie bei ihrer Darstellung wie bei der Kripo", so Oltrogge. "Ich fragte nach, was in dem Briefkasten lag. Das verstand sie nicht. Ich präzisierte und machte ihr nachdrücklich klar, dass sie nichts Falsches erzählen solle." Man habe zwar "keine objektive Gewissheit gehabt, aber es bestand eine gewisse kriminalistische Wahrscheinlichkeit, dass nicht stimmte, was sie sagte", umschrieb Oltrogge blumig die Situation.

Um 10.45 Uhr habe es eine Pause von 20 Minuten gegeben. "Ich hatte Besprechungsbedarf mit Oberstaatsanwalt Gattner", erklärte Oltrogge. In dieser Zeit habe es an der Tür geklopft. Rechtsanwalt Thomas Franz, Rechtsbeistand der Claudia D., habe signalisiert, sie wolle noch etwas sagen: Die Sache mit dem Brief stimme nicht, sie habe ihn schon Monate zuvor erhalten. "Dann gab sie zu, das Begleitschreiben mit sexuellem Inhalt selbst gefertigt und an ihrem Arbeitsplatz ausgedruckt zu haben."

So ging es fort. Oltrogge beschrieb anschaulich ihr hartnäckiges Lügen, seine Nachfragen, ihr ausweichendes Zurückrudern, ihre schwammigen Antworten und die langen Pausen dazwischen.

Lügen "schwarz auf weiß"

Dann die Situation, wie Claudia D. "aufgewühlt und weinend" vor Gattner gestanden und gejammert habe: "Jetzt kommt er frei!" Er, Oltrogge, habe die Frau beruhigt, dass dies nicht so schnell gehe. "Für die Staatsanwaltschaft stand damals eine Entlassung aus der U-Haft nicht zur Debatte", erinnerte sich Oltrogge.

"Wir hatten die Lügen der Frau schwarz auf weiß", sagt der 36 Jahre alte Staatsanwalt. "Wir fragten uns schon vor der Vernehmung, ob dies nun der Punkt sei, an dem der dringende Tatverdacht zusammenbricht. Oder erst dann, wenn sie die Lügen weiter aufrechterhält? Oder, wenn sie sich berichtigt, auf welche Weise sie dies tut? Ob sie nachvollziehbar erklären kann, warum sie gelogen hat? Wir hielten den Sachverhalt für naheliegend falsch, aber nicht für beweisbar falsch."

Gattner äußerte sich noch offener auf Nachfrage, ob man sich Gedanken gemacht habe, wie man je nach Ausgang der Vernehmung verfahren wolle. "Wir haben uns viele Gedanken gemacht", sagt Gattner. "Denn diese Erkenntnisse, die man durch die Auswertung des Computers gewonnen hatte, waren ja ganz wesentliche! Aber wir hatten schon vor der Vernehmung das Ergebnis festgelegt. Diese Erkenntnisse bedeuteten nach unserer Auffassung nicht, dass insgesamt eine Falschaussage vorliegt." Das auffällige Verhalten der Frau in der Vernehmung änderte daran nichts mehr.

Staatsanwaltschaft erkennt "keine Belastungstendenz" bei Zeugin

"Und nach dem Gespräch mit der Nebenklägerin im Anschluss an die Vernehmung?" fragte die Richterin auch Gattner. "Sie war ziemlich aufgelöst und weinte immer wieder, wir ließen ihn jetzt frei. Darauf äußerte sich Herr Oltrogge."

"Und wie?"

"Das weiß ich nicht mehr. So ungefähr: Nach dem derzeitigen Stand erfolge keine Freilassung. Das war auch meine Position. Wir hatten uns ja intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Als die Computerauswertung kam mit den Hinweisen, dass die Nebenklägerin nicht die Wahrheit gesagt hatte, war das schon einschneidend. Ich weiß noch genau, dass ich gegen meine Gewohnheit allein zum Mittagessen ging."

Hauptsache offenbar, Kachelmann blieb im Gefängnis. Letztlich blieben die Staatsanwälte vom Tatverdacht gegen den Moderator überzeugt.

Die Staatsanwaltschaft erkannte "keine Belastungstendenz" bei Claudia D. Sie sei in vier Vernehmungen bei ihren Vorwürfen geblieben. Und man habe erhebliche Zweifel an den Angaben Kachelmanns vor dem Haftrichter gehabt. Eine Motivation für eine Falschbeschuldigung habe man bei der Frau nicht erkannt.

"Sind ihr Zusagen gemacht worden?" Beisitzer Joachim Bock stellte immer wieder die entscheidenden, die unangenehmen Fragen. Oltrogge wich erst einmal aus. Verteidiger Schwenn: "Habe ich mich verhört? Sie haben keine Zusagen gemacht? Mich interessiert, worüber Sie in den besagten 20 Minuten diskutierten. Nur über die Entlassung Herrn Kachelmanns?". "Wir tranken Kaffee und Mineralwasser", antwortete Oltrogge.

Eine interessante Frage auch: Hat Claudia D.s Anwalt von ihren Lügen gewusst? Oder hat sie auch ihn angelogen? Oltrogge umschiffte die Frage. Gattner hatte den Eindruck, auch Rechtsanwalt Franz sei seinerzeit ziemlich überrascht gewesen.

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