

Es heißt, dass das letzte Opfer des "Golden State Killers" im Mai 1986 starb. Janelle Cruz wurde damals in ihrem Haus in Irvine, Kalifornien, tot aufgefunden. Der Mörder hatte die 18-Jährige vergewaltigt und dann mit einer Rohrzange erschlagen, wie die Zeitung "Sacramento Bee" berichtet.
Man geht davon aus, dass das die Tat eines mutmaßlichen Serienmörders war, genannt "Golden State Killer". Mindestens zwölf Morde, mehr als 45 Vergewaltigungen und etwa 120 Einbrüche soll er von 1976 bis 1986 in Kalifornien begangen haben. Jahrzehntelang war er der schlimmste unbekannte Serientäter der modernen US-amerikanischen Geschichte.
Diese Einschätzung stammt von Michelle McNamara, sie hat sie im Februar 2013 niedergeschrieben, in einem Artikel für das "Los Angeles Magazine". Die US-amerikanische Schriftstellerin befasste sich jahrelang mit dem Fall, sie prägte den Begriff "Golden State Killer".
Und wenn man betrachtet, wie sehr sie sich darin verlor, dann wirkt es fast so, als sei sie selbst ihrer Obsession für den "Golden State Killer" zum Opfer gefallen.
Tot im Badezimmer
Der Komiker Patton Oswalt, bekannt als Spence aus der Serie "King of Queens", fand seine Ehefrau McNamara am 21. April 2016 tot im Badezimmer ihres Hauses in Los Angeles.
Sie hatte laut "New York Times" das Aufputschmittel Adderall, das Schmerzmittel Fentanyl und das Beruhigungsmittel Xanax geschluckt. Wie die Autopsie später zeigte, litt sie unter Herzproblemen, von denen sie nichts wusste. Die Krankheit führte in Kombination mit den Medikamenten zu ihrem Tod. Das gab Oswalt im Februar 2017 bekannt. Seine Frau habe möglicherweise aus Versehen eine Überdosis Medikamente geschluckt.
Der Fall des Serienmörders hatte ihr zu schaffen gemacht. McNamara recherchierte dem Serienkiller wie verrückt hinterher, sie war dabei, ein Buch über ihn zu schreiben. "Ich bin besessen. Es ist nicht gesund", schrieb sie einmal in ihrem Blog.
Wie intensiv sie sich mit dem Fall beschäftigte, beschrieb sie 2013 in einem Artikel für das "Los Angeles Magazine". Einmal bestellte sie für ihre Recherchen gebrauchte Manschettenknöpfe. Ein ähnliches Modell hatte der Killer dem Ehemann eines seiner Opfer gestohlen - vielleicht hatte der Täter sie weiterverkauft und seine DNA daran hinterlassen?
Auf McNamaras Laptop waren laut "New York Times" Karten der Tatorte gespeichert, außerdem die Namen und Adressen der Mitglieder einer Schüler-Laufgruppe aus dem Jahr 1976. McNamara spekulierte, dass der Täter Laufsportler gewesen sein könnte, weil seine Opfer aussagten, er habe muskulöse Beine.
Mörder mit Skimaske
Sie las alles über den Killer. Dass er mitten in einer Vergewaltigung pausierte, um Apfelkuchen zu essen. Wie er seine Opfer ausspionierte, in die Häuser schlich, um Familienbilder anzusehen, Namen auswendig zu lernen. Dass er bei seinen Taten immer eine Skimaske trug, dass er Männer fesselte und ihre Frauen vergewaltigte und danach tötete.
"Sie hat ihr Gehirn mit sehr dunklen Informationen überlastet", sagte Oswalt der "New York Times". Der Stress habe dazu geführt, dass sie, was ihre Medikamente anging, "schlechte Entscheidungen" getroffen habe. "Sie hat das ganze Zeug aufgesaugt, und ihr fehlte die Erfahrung, durch jahrelange Polizeiarbeit gestählt zu sein", sagte Oswalt in dem Bericht.
Nach dem Tod seiner Frau ertrug er den Gedanken nicht, dass ihre Arbeit für das Buch vergebens gewesen sein sollte. Er engagierte einen Privatdetektiv und einen Journalisten, die das Werk vollendeten.
Sie durchforsteten McNamaras Notizen und die etwa 3500 Dateien auf ihrem PC. "I'll Be Gone in the Dark" ("Ich werde in der Dunkelheit verschwinden") erschien im Februar und wurde ein Bestseller. Der Titel ist angelehnt an einen Satz, den der Killer zu einem seiner Opfer gesagt haben soll: "Du wirst für immer schweigen, und ich werde in der Dunkelheit verschwinden."
"Tritt ins Licht"
Als Sheriff Scott Jones in Sacramento verkündete, dass man den mutmaßlichen "Golden State Killer" gefasst habe, wollte ein Reporter wissen, ob das Buch bei der Aufklärung geholfen habe. "Die Antwort ist nein", sagte Jones. Und in der Tat: Der Verdächtige Joseph James DeAngelo, ein früherer Polizist, war nicht in McNamaras Fokus (lesen Sie hier mehr über die Ermittlungen).
Doch ihr Ehemann Oswalt ist überzeugt, dass ihre Arbeit wichtig war. "Du hast es geschafft, Michelle", sagte er in einem Video bei Instagram. Ihr Buch habe geholfen, den Fall abzuschließen. "Auch wenn die Cops das niemals zugeben würden."
Und irgendwie sollte McNamara auch Recht behalten. "Es klingelt an der Tür", hieß es am Endes ihres Buchs. "Öffne die Tür. Zeig uns dein Gesicht. Tritt ins Licht."
Rückblickend klingt das fast prophetisch: Die Ermittler überraschten den Verdächtigen zu Hause. Er öffnete die Tür und sagte den Ermittlern, dass er einen Braten im Ofen habe. Sie nahmen ihn fest, am helllichten Tag.
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Jahrelang recherchierte Michelle McNamara über den "Golden State Killer". Auf dem Bild ist die Schriftstellerin mit ihrem Ehemann zu sehen, dem Schauspieler Patton Oswalt.
Fahndungsplakat des FBI: Der "Golden State Killer" versetzte die Einwohner des US-Bundesstaats Kalifornien zehn Jahre lang in Angst und Schrecken. Mindestens zwölf Morde und mehr als 45 Vergewaltigungen soll er von 1976 bis 1986 begangen haben.
Über Jahrzehnte konnte er sich dem Zugriff der Ermittler entziehen. Nun wurde der mutmaßliche Täter gefasst. Ein 72-Jähriger Ex-Polizist, der in einem ruhigen Vorort von Sacramento unauffällig lebte, befindet sich in Gewahrsam.
Joseph James DeAngelo wurde am Dienstag in Citrus Heights festgenommen. Dies gaben Polizei und Staatsanwaltschaft nun in der kalifornischen Hauptstadt Sacramento bekannt.
Der Mann sei "sehr überrascht" gewesen, sagte Sheriff Scott Jones. Ein "weggeworfenes" DNA-Beweismittel habe die Ermittler in den vergangenen Tagen auf die heiße Spur gebracht. Wie genau DeAngelo als mutmaßlicher Täter überführt wurde, gaben die Ermittler nicht preis.
Der maskierte Täter war für sein sadistisches Vorgehen berüchtigt: Er weckte seine Opfer nachts mit Taschenlampen auf, er kam mit Messern, Pistolen, Seilen und Schnürsenkeln. Häufig überraschte er seine schlafenden Opfer in deren Häusern.
Die Akten zu dem Fall füllen einige Regale: Trotz einer landesweiten Suche nach dem Killer konnte der Mann immer wieder unerkannt entkommen.
Undatiertes Foto eines Tatorts: Oft verweilte der Täter länger dort, bediente sich am Kühlschrank und...
... ließ Gegenstände aus den Häusern mitgehen, hieß es in Polizeiberichten.
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