Karneval in Rio Samba, Rhythmus, Libido
Rio de Janeiro - Von dem bisschen schlechten Wetter lässt sich Claudia Nogueiradie die Tanzlaune nicht verderben. "Dieser Regen ist doch gar nichts", ruft die 25-jährige, die sich als Krankenschwester verkleidet hat. "Gestern waren wir bei einer Straßenparty, wo die Leute Wasser von einem Truck gespritzt haben. Das war ein Spaß!" Unter Nogueiradies bewusst knappem Kittel-Kostüm ragt die weiße Unterwäsche hervor.
Die verkleidete Tänzerin ist nur eine von vielen Zehntausenden, die sich rund um das berühmte Sambodromo-Stadion auf den Straßen der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro drängen. Die "größte Party der Welt" steuerte am Sonntag auf ihren ersten rituellen Höhepunkt zu - dem ersten Umzug, der, begleitet von vielen organisierten und spontanen Neben-Partys, bis nach Sonnenaufgang am Montag andauern wird.
Rio erwartet die Rekordzahl von 750.000 Touristen aus dem In- und Ausland. Prominente wie Topmodel Naomi Campbell und US-Musiker Quincy Jones waren bereits vor mehreren Tagen eingetroffen.
Pappmaché-Leichen: Ärger um Holocaust-Motivwagen
Der diesjährige Karneval wird von Sicherheitssorgen und mehreren Skandalen überschattet. Tausende Beamte werden zwischen Sonntag und Mittwoch im Einsatz sein, um die grassierende Straßenkriminalität zu begrenzen.
Kurz vor Beginn der Paraden der Sambaschulen teilte die Bundespolizei mit, sie werde die Karnevalsorganisationen wegen illegaler Finanzierung durch Verbrechergruppen unter die Lupe nehmen. Seit Jahren wird vermutet, dass die Chefs des illegalen Wettspiels, die "Bicheiros", die finanzielle Stütze der Samba-Schulen sind.
Der Karneval in Rio ist zwar der berühmteste, doch auch in anderen Städten Brasiliens wird im gigantischen Stil gefeiert: Allein in der nordöstlichen Provinzhauptstadt Recife gingen am Samstag mehr als 1,5 Millionen Menschen auf die Straßen. Der Umzug "Galo da Madrugada" (Hahn der Morgenfrühe) gilt als größtes Karnevalsfest der Welt.
Eine Million Menschen tanzten und sangen Medienberichten zufolge in der Stadt Salvador bis zum frühen Sonntagmorgen. Beim Straßenkarneval in Sabara im Staat Minas Gerais überfuhr ein Motivwagen 20 Besucher. Zwei Menschen starben, zwölf wurden zum Teil schwer verletzt in Krankenhäuser gebracht.
Für Aufruhr sorgte in Rio ein Streit um den Umgang mit dem Holocaust. Eine Richterin verbot einer Samba-Schule, auf einem Motivwagen aufeinandergestapelte Pappmaché-Leichen zu zeigen, um die Tänzer in Nazi-Uniformen herumtanzen sollten. Die jüdische Gemeinde hatte den Wagen als unpassend kritisiert. Der Sprecher der Liga der Sambaschulen in Rio, Hiram Araujo, prangerte das Urteil als "Zensur" an. Der Chef der betroffenen Sambagruppe Viradouro kündigte als Protest "eine große Überraschung" an.
itz/dpa