Tote Journalistin Kim Wall "Absolut furchtlos"

Sie berichtete aus allen Ecken der Welt, nun starb sie in Dänemark, vieles deutet auf ein Verbrechen hin: Freunde und Kollegen trauern um Kim Wall - und erinnern an den Mut und das Talent der Journalistin.

Tagelang galt Kim Wall als vermisst, seit Dienstag herrscht traurige Gewissheit: Die schwedische Journalistin ist tot. Ihr Torso wurde in der Køge-Bucht bei Kopenhagen gefunden. Die Mutter der 30-Jährigen schrieb in einer bewegenden Facebook-Mitteilung von "grenzenloser Traurigkeit und Bestürzung." Die Familie könne das Ausmaß der Katastrophe noch gar nicht ermessen. "Sie gab Schwachen, Verletzlichen und Menschen am Rande der Gesellschaft eine Stimme. Diese Stimme war schon lange, lange Zeit nötig. Nun wurde sie zum Schweigen gebracht."

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Wall wuchs im schwedischen Malmö auf, dann zog es sie in die Ferne. Die Schwedin studierte Internationale Beziehungen in London und machte anschließend einen Master in Journalismus an der Columbia University in New York. Schnell fasste Wall Fuß als freie Journalistin und reiste für Projekte um die halbe Welt.

Zuletzt erhielt sie Fördergelder für eine Recherche zu Frauenrechten in Sri Lanka von der International Women's Media Foundation (IWMF) - nicht das erste Mal, dass die Stiftung in Walls Geschichten investierte.

Video: Der Fall Wall kompakt erklärt

SPIEGEL ONLINE

Im vergangenen Jahr nahm Wall an einer von IWMF gesponserten Recherchereise nach Uganda teil. Dort lernte sie Sruthi Gottipati kennen. Die in Paris lebende Journalistin beschrieb Wall nun im "Guardian"  als mutig und außerordentlich talentiert.

Ehemalige Kommilitonen und Kollegen hatten ein ähnliches Bild von Wall. Freunde haben sie laut "Buzzfeed.com"  als humorvoll und von großer Neugier getrieben in Erinnerung. "Kim hätte für eine Geschichte, die ihr am Herzen lag, alles riskiert," zitiert die Seite die chinesische Fotografin Yan Cong.

Nun war es offenbar eine Recherche, die Wall zum Verhängnis wurde - nur wenige Kilometer von ihrer Heimat entfernt. Ihrer Familie zufolge plante sie ein Porträt über den U-Boot-Konstrukteur Peter Madsen. Am 10. August ging sie mit ihm an Bord der "Nautilus", im Turm des U-Boots wurde sie zum letzten Mal lebend gesehen. Die dänischen Ermittler werfen Madsen vor, die Journalistin getötet zu haben. In seinem U-Boot seien Walls Blutspuren gefunden worden. (Lesen Sie hier den Überblick zu dem Fall)

Fotostrecke

Tote Journalistin: Der Fall Kim Wall

Foto: Jens Dresling/ dpa

Ob die Madsen-Recherche eine Auftragsarbeit war, und wenn ja, von wem, ist noch unklar. Bisher hat sich kein Medium dazu geäußert. Die Liste von Walls Auftraggebern war jedoch lang. Sie schrieb für renommierte Publikationen wie die "New York Times", den britischen "Guardian" und "Time". Im vergangenen Jahr erhielt sie für ein Multimedia-Projekt über die Marshall-Inseln gemeinsam mit zwei Kollegen den Hansel-Mieth-Preis. Die Reportage erschien in der "Süddeutschen Zeitung" .

"Hacker, Gauner, Voodoo"

Ebenso vielseitig wie ihre Auftraggeber, war auch ihr Themenportfolio. In ihrer Twitter-Biografie heißt es: "Ich schreibe über Hacker, Gauner, Voodoo, Vampire, Chinatown, Atombomben, Feminismus, etc." In den vergangenen Jahren hat Wall beispielweise über Pop-Kultur in Kuba berichtet, Voodoo-Rituale in Haiti beobachtet und in Sri Lanka analysiert, wie der Bürgerkrieg für Touristen vermarktet wird.

"Kim war der Inbegriff des Guten im Journalismus. Sie berichtete aus Nordkorea, China und ganz Europa", sagte Walls früherer Kommilitone Christopher Harress der schwedischen Zeitung Expressen . "Sie war dazu in der Lage, jede Aufgabe anzunehmen, sie hat Geschichten gesehen, wo andere nichts sehen konnten," wird Harress von der Nachrichtenseite Buzzfeed.com  zitiert.

Die Columbia University reagierte bestürzt auf die Todesnachricht ihrer Absolventin. Auf der Homepage der Universität  würdigen Kommilitonen und ehemalige Dozenten die verstorbene Kollegin. "Sie war auf eine Weise lebendig, von der die meisten von uns nur träumen können", schreibt ihr ehemaliger Professor Howard French. "Sie hatte große Träume und keine Angst davor, sie zu verfolgen. Absolut furchtlos."

Zuletzt lebte Wall sowohl in New York als auch in Peking. Laut "Buzzfeed"  plante sie jedoch, gemeinsam mit ihrem Freund komplett nach China umzuziehen. Der Umzug sollte demnach noch im August stattfinden. "Wenn diese Tragödie nicht passiert wäre, würde Kim jetzt in Peking sein und mit dem Fahrrad durch enge Gassen fahren," zitiert die Seite Walls Freundin Cong.

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