557 offene Durchsuchungsbeschlüsse Polizei in NRW will stärker gegen Kinderpornografie vorgehen

NRW-Innenminister Reul hat Kinderpornografie als Massenphänomen bezeichnet - und will nun den Kampf gegen diese Art des Kindesmissbrauchs verschärfen. Die Zahl der unbearbeiteten Verfahren ist erschreckend.
Herbert Reul

Herbert Reul

Foto: Federico Gambarini/dpa

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul hat nach dem massenhaften Kindesmissbrauch von Lügde strukturelle Reformen bei der Verfolgung von Kinderpornografie angekündigt. Als erste Maßnahme forderte Reul die landesweit 47 Kreispolizeibehörden auf, das in diesem Deliktsbereich eingesetzte Personal mindestens zu verdoppeln. "Ich bin fest entschlossen, die Polizei hier handlungsfähig zu machen", teilte der CDU-Politiker mit.

Die Politik habe es lange Zeit versäumt, die erforderlichen Kapazitäten zur Aufklärung zu schaffen - das sei aber kein Vorwurf an die Polizisten. Derzeit gebe es lediglich 105 Stellen in der Sachbearbeitung dieser Fälle. Die Aufbereitung und Auswertung von Daten soll bis Ende 2020 im Landeskriminalamt zentralisiert werden.

Grundlage ist eine erste Bestandsaufnahme, die von der Stabsstelle Kinderpornografie im Düsseldorfer Innenministerium in den vergangenen Wochen vorgenommen wurde. Lügde ist demnach nur die Spitze eines Eisbergs. 1895 Fälle mit dem Verdacht auf Kinderpornografie liegen den NRW-Behörden vor. "Kinderpornografie ist zu einem Massenphänomen geworden", sagte der Innenminister.

Polizei überfordert

Zugleich schränkte er ein, dass er darauf nur mit der Umschichtung von Personal reagieren könne. "Wir können nur das Personal einsetzen, das wir haben", sagte der Minister. "Das eine oder andere kann man vielleicht auch durch Anordnung von Mehrdienst oder Herausschieben von Pensionierungen erreichen."

Die Missbrauchsfälle von Lügde und die bei der Aufarbeitung erfolgten Pannen der Polizei hatten in den vergangenen Wochen den Druck auf Innenminister Reul erhöht. Auf einem Campingplatz an der Landesgrenze zu Niedersachsen sollen über Jahre hinweg mehr als 40 Kinder sexuell missbraucht worden sein. Mehrere Männer müssen sich ab Ende Juni vor Gericht verantworten.

Darunter auch der 56-jährige Andreas V., der auch 879 kinderpornografische Bild- und Videodateien besessen haben soll, beim 49-jährigen Heiko V. aus Stade hatten die Ermittler laut Anklage sogar 42.719 entsprechende Dateien gefunden. Bei der Polizei wiederum waren mehr als 150 Datenträger, die als Beweismaterial dienten, aus einem Polizeiraum verschwunden.

Von den in NRW laut Bestandsaufnahme genannten knapp 1900 Verdachtsfällen sind lediglich 228 Verfahren in der Auswertung. Allein 557 Durchsuchungsbeschlüsse warten demnach auf ihre Vollstreckung. Reul: "Die Behörden schaffen es nicht, der riesigen Datenmengen Herr zu werden."

apr/dpa/AFP
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