Prozess in Augsburg Kinderarzt gesteht Missbrauch von 21 Jungen

Angeklagter vor dem Landgericht Augsburg: Geständnis als "einziger Weg, mit meinen Taten umzugehen"
Foto: Karl-Josef Hildenbrand/ dpaAllein die Verlesung der Anklageschrift dauerte etwa zwei Stunden: Vor dem Augsburger Landgericht muss sich ein 40-jähriger Kinderarzt wegen schweren Kindesmissbrauchs, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung und Kinderpornografie verantworten.
Harry S. legte zum Prozessauftakt ein umfassendes Geständnis ab. Er sei zu der Einsicht gelangt, "dass der einzige Weg, mit meinen Taten umzugehen, ist, diese vollständig einzuräumen", sagte er.
Von 1998 bis zu seiner Festnahme vor gut einem Jahr soll er 21 Jungen ab fünf Jahren missbraucht haben. Zu der Anklage zählten die einzelnen Missbrauchstaten sowie die von S. teils selbst beim Missbrauch angefertigten Bilder und Videofilme. Ferner wurden bei ihm andere kinderpornografische Bilder gefunden.
"Die Daten, die in der Anklage wiedergegeben sind, treffen so zu", sagte der gebürtige Augsburger. Eine Entschuldigung für seine Vergehen gebe es nicht. "Ich kann nur um Vergebung bitten", sagte er unter Tränen.
Seinem Geständnis zufolge sieht sich S. selbst als pädophil. Er habe etwa ab dem 17. Lebensjahr einen immer stärkeren sexuellen Drang zu kleinen Jungen verspürt. Nachdem er diesen zunächst über kinderpornografische Bilder aus dem Internet befriedigt habe, habe er sich wie in einer "Spirale" immer weiter in seine Sexualverbrechen hineinbewegt.
Der hauptberuflich an Kliniken in Bayern und Hannover und ehrenamtlich beim Bayerischen Roten Kreuz tätige Arzt soll sich an den Kindern in Augsburg, Nürnberg, München und im Raum Hannover sexuell vergangen haben.
Betäubt, missbraucht, ausgesetzt
Dabei soll er seine Opfer zum Teil narkotisiert haben, um sie wehrlos zu machen und ihre Erinnerung zu löschen. Mehrfach soll S. Jungen unter einem Vorwand in Häuser gelockt und dann missbraucht haben. Dabei soll er seine Opfer unter anderem mit Geld oder dem Versprechen von Spielzeug angelockt haben.
Aufgeflogen war der Mann nach einem Missbrauchsfall in Garbsen bei Hannover im August vergangenen Jahres. Dort soll er einen fünfjährigen Jungen entführt, betäubt, missbraucht und dann das weinende und durch die Medikamente benommene Kind ausgesetzt haben. Im Zuge der folgenden Ermittlungen des bundesweit beachteten Falls kam die Polizei zwei Monate später auf die Schliche des Angeklagten und konnte diesen festnehmen.
Viele seiner früheren Opfer sollen erst durch die Bilder, die bei dem Arzt gefunden worden waren, vom eigenen Missbrauch erfahren haben. Durch die Medikamente sollen sie keine Erinnerung an die Vergehen gehabt haben.
Mit dem umfassenden Geständnis könnte S. den Opfern nun eine Zeugenaussage ersparen und das ursprünglich bis März angesetzte Verfahren deutlich verkürzt werden. S. droht außer einer langen Haftstrafe bis zu 15 Jahren auch Sicherheitsverwahrung. Dies komme für die Taten in Betracht, heißt es in der Anklageschrift.