

Der Staat war in der Silvesternacht von Köln nicht mehr Herr der Lage. Das geht aus einem internen Bericht der Bundespolizei hervor, der dem SPIEGEL vorliegt. Verfasser des Berichts, der auf den 4. Januar datiert ist, ist ein leitender Beamter. Er schreibt: "Frauen mit Begleitung oder ohne durch liefen einen im wahrsten Sinne 'Spießrutenlauf' durch die stark alkoholisierten Männermassen, wie man es nicht beschreiben kann." Die Masse vor dem Bahnhof und im Gebäude habe sich durch die Polizisten nicht beeindrucken lassen.
Dem Bericht zufolge trafen die Beamten auf zahlreiche verstörte, weinende, verängstigte Passanten, insbesondere Frauen und Mädchen. Diese hätten "Schlägereien, Diebstähle, sex. Übergriffe an Frauen usw." gemeldet. Als Täter wurden immer wieder männliche Migrantengruppen genannt.
Eine Identifizierung - insbesondere der Täter bei sexuellen Übergriffen - "war leider nicht mehr möglich" - denn: "Die Einsatzkräfte konnten nicht allen Ereignissen, Übergriffen, Straftaten usw. Herr werden, dafür waren es einfach zu viele zur gleichen Zeit." Man habe nicht jedem Opfer helfen können, was die Polizisten frustriert habe. Zeitweise sei es nicht möglich gewesen, Strafanzeigen aufzunehmen.
Der Bericht listet einige Beispiele für konkrete Erlebnisse von Polizisten auf:
Die Situation ("Chaos") geriet derart außer Kontrolle, dass laut Autor mit erheblichen Verletzungen oder sogar Todesopfern zu rechnen gewesen sei. Daher habe man sich in der Einsatzleitung für eine Räumung des Platzes entschieden. Dazu notiert der Bericht, Polizisten seien "mit Feuerwerkskörpern beschossen und mit Flaschen beworfen" worden. Auch nach der Räumung sei es "immer wieder zu mehrfachen körperlichen Auseinandersetzungen vereinzelter Personen wie auch Personengruppen, Diebstählen und Raubdelikten an mehreren Ereignisorten gleichzeitig" gekommen.
Der Verfasser des Berichts zieht ein düsteres Fazit: Den Maßnahmen der Beamten sei mit einer Respektlosigkeit begegnet worden, "wie ich sie in 29 Dienstjahren noch nicht erlebt habe". Weil man nicht genug Einsatzkräfte gehabt habe, seien die Polizisten "ziemlich schnell an die Leistungsgrenze" gekommen - der Einsatz hatte von 21.45 bis 7.30 Uhr gedauert. Der Bericht nennt als eines der Hauptprobleme für die Überforderung der Beamten zu wenig Personal und Schwächen bei der Ausrüstung, was "so nicht zu erwarten" gewesen sei. Die gesamte Situation in der Silvesternacht beschreibt der Autor als "chaotisch und beschämend".
Inzwischen sind bei der Polizei in Köln mehr als 100 Anzeigen eingegangen. In einer ersten Mitteilung am Neujahrsmorgen hatte die Pressestelle die Einsatzlage noch als "entspannt" beschrieben. Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers räumte später ein: "Diese erste Auskunft war falsch."
Im Video: Böller vor dem Kölner Hauptbahnhof an Silvester
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Und im Video - Spiegel TV über "Antanz-Trick" in Köln (2014):
Außerdem - die Kommentare der Medien im Überblick:
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Chaos in Köln: In der Silvesternacht wurden nach bisherigen Erkenntnissen Dutzende Frauen von Männergruppen sexuell belästigt und bestohlen. Mehr als hundert Betroffene erstatteten Anzeige.
Die Täter sollen nach Aussagen von Zeugen aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum stammen. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) nannte die Vorfälle ungeheuerlich. Auf dem Bahnhofsvorplatz und der Domtreppe versammelten sich rund tausend Leute, viele warfen mit Böllern um sich und schossen auch Raketen in die Menge. Im Gedränge am und im Bahnhof kam es in der Nacht immer wieder zu Übergriffen gegen Frauen.
Zwar führten Beamte in der Silvesternacht Krawallmacher ab. Festnahmen wegen der Übergriffe auf Frauen gab es aber bisher nicht.
NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) teilte am Mittwoch mit, die Polizei habe drei Tatverdächtige ermittelt. Details wolle er nicht nennen, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Dieses Bild stammt auch aus der Silvesternacht.
Silvester vor dem Kölner Bahnhof: Die Ermittlungen gestalten sich schwierig.
Die Polizei löste die Menge zunächst auf, auch danach kam es zu Übergriffen auf die Frauen. Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) übte scharfe Kritik an den Beamten.
Die Täter sollen nach Aussagen von Zeugen aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum stammen. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) nannte die Vorfälle ungeheuerlich. Auf dem Bahnhofsvorplatz und der Domtreppe versammelten sich rund tausend Leute, viele warfen mit Böllern um sich und schossen auch Raketen in die Menge. Im Gedränge am und im Bahnhof kam es in der Nacht immer wieder zu Übergriffen gegen Frauen.
Foto: Markus Boehm/ dpa