
Kokain-Anbau in Peru: Die Arbeit auf den Coca-Plantagen
Kokainkuriere in Peru Laufburschen der Drogenbarone
Mardonio Borda packt zwei T-Shirts, Shorts, Thunfisch in Dosen, Mais und Kartoffeln in seinen Rucksack. In einer Seitentasche steckt eine Pistole. Ganz nach unten hat der 19-Jährige fünf Kilogramm Kokapaste gestopft, ein beigefarbenes Vorprodukt von Kokain.
Borda stammt aus La Mar in der peruanischen Provinz Ayacucho. Er gehört zum Volk der Quechua, Ureinwohner Südamerikas. Und er gehört zu den unzähligen Mochileros (Rucksacktouristen) genannten Kokainkurieren in der Region. Ihre Aufgabe ist beschwerlich, illegal und gefährlich. Sie sollen die Drogen zu Fuß auf Trampelpfaden über die Anden transportieren. Zwei Reporter der Nachrichtenagentur AP haben sich mehrere Tage lang auf die Spuren der Mochileros begeben.
Für die Hintermänner ist es ein großes Geschäft. Peru hat 2012 Kolumbien als größten Kokainproduzenten abgelöst. Pro Jahr werden dort mehr als 300 Tonnen des Rauschgifts hergestellt, schätzt die US-Regierung. Etwa ein Drittel davon wird demnach über Kuriere wie Mardonio Borda aus der Anbauregion entlang der Flüsse Apurímac, Ene und Manataro herausgeschafft. Die Auftraggeber halten diesen Weg oft für zuverlässiger, als Piloten anzuheuern. Für sie ist es der Schlüssel, um Polizeikontrollen zu umgehen.
Vor Mardonio Borda liegen gut 150 Kilometer, seine Route führt an der Inka-Ruinenstadt Machu Picchu vorbei, drei bis fünf Tage wird er unterwegs sein. Doch es sind nicht die kräftezehrenden Auf- und Abstiege in der dünnen Höhenluft, die ihm und anderen Kurieren Sorgen bereiten. Sondern bewaffnete Gangs, korrupte Polizisten und rivalisierende Mochileros, die es auf das Kokain abgesehen haben.
"Das ist wie Glücksspiel", sagt Borda, "du gewinnst, oder du verlierst."
Doch in einer der ärmsten Region Perus, in der Landarbeiter weniger als zehn Dollar am Tag bekommen, ist der Drogenschmuggel oft der einzige Weg, Geld zu verdienen. Bis zu 400 Dollar pro Wanderung sind drin, je nach Wert der Ware. Für die Kokapaste in Bordas Rucksack können die Auftraggeber etwa 3500 Dollar kassieren. In Peru. In den USA brächte der Stoff laut AP gut 55.000 Dollar. Weiterverarbeitet, grammweise als Pulver verkauft, ließen sich sogar bis zu 250.000 Dollar erzielen, etwa in New York.
Zwei Kugeln im Kopf
Die Kuriere liefern das Kokain in Hochland-Städten wie Andahuaylas bei Drogenhändlern ab. Diese sorgen für den Weitertransport - entweder in Pazifikhäfen oder über die Landesgrenze nach Bolivien. Der Kokainhandel Perus ist stark dezentralisiert. Zig Großfamilien, die auch die Mochileros anheuern, kümmern sich um den Verkauf an Mittelsmänner ausländischer Drogenkartelle.
Die Mochileros sind immer in Gruppen unterwegs, mindestens vier Leute, manchmal auch bis zu 70. Oft schicken sie Kundschafter voraus. Meist gehen sie nachts, um nicht entdeckt zu werden. Man schlafe nicht eine Minute während solcher Wanderungen, sagt Alcides Martinez, 24, drahtige Figur, Rucksackkurier. Er hat einige Touren auch als Wache begleitet, ausgerüstet mit Maschinenpistolen.
Zwei Freunde habe er bei seinen Trips schon verloren, sagt Martinez. Einer stürzte während eines Überfalls in eine Schlucht. Der andere wurde für einen Spitzel gehalten - und bekam zwei Kugeln in den Kopf. "Du musst dir einen anderen Job suchen", habe seine Frau ihm damals gesagt.
Martinez weiß, dass ihn jederzeit ein ähnliches Schicksal ereilen könnte. Trotzdem lehnt der 24-Jährige kaum einen Auftrag ab.
Frustrierter Drogenfahnder
Juan Tardio von der Drogenfahndung ist müde und frustriert. Fünf Stunden lang haben er und seine Männer nach einem Hinweis in einer frostigen Nacht in den Bergen ausgeharrt - nur um zu sehen, wie 15 Mochileros auf einem Pfad in einem Kilometer Entfernung an ihnen vorbeimarschierten. "Wir konnten nur einen von drei Wegen dichtmachen. Und sie haben einen anderen genommen", sagt der Drogenfahnder.
Manchmal haben Tardio und seine Männer einfach Pech. Aber viele der jungen Rucksackkuriere glauben auch, dass ihre Bosse kleine Gruppen manchmal an die Polizei verpfeifen - damit größere Gruppen mit mehr Kokapaste unbehelligt durchkommen.
Den Mochileros sei oft nicht klar, dass ihnen im Fall einer Festnahme Haftstrafen zwischen acht und 15 Jahren drohen, sagt die Soziologin Laura Barrenechea. Sie hat im vergangenen Jahr 33 Kuriere im Hochsicherheitsgefängnis von Ayacucho befragt. Knapp die Hälfte der 2300 Insassen dort ist wegen Drogenkriminalität verurteilt.
Es sind aber fast immer nur die Kuriere, die gefasst und zur Verantwortung gezogen werden. Die großen Bosse bleiben unbehelligt - weil sie Polizisten, Staatsanwälte und Richter bestechen, wie der Soziologe Jaime Antezana sagt, der das Kokaingeschäft in Peru beobachtet. Die Ermittler "konzentrieren sich auf das Lumpenproletariat des Drogenhandels, die Mochileros".
Nur eine Handvoll lokaler und regionaler Drogenbosse sei in den vergangenen Jahren verhaftet worden, sagt Staatsanwältin Sonia Medina. Und ein wirklich mächtiger sei nicht dabei gewesen.
Mochilero Mardonio Borda hat keine Lust, im Gefängnis zu enden. Der 19-Jährige spart Geld für ein Stück Land - und hat einen Plan. Seinen Job will er wechseln, die Branche nicht. "Mit meinen eigenen Kokasträuchern", sagt er, "werde ich mehr Geld verdienen."