Studie von Kriminologen Hohe Dunkelziffer bei Polizeigewalt in Deutschland

Forscher der Uni Bochum gehen nach Informationen von SPIEGEL und "Kontraste" davon aus: Es gibt gut fünf Mal mehr Fälle widerrechtlicher Gewalt durch Polizisten als bekannt.
Polizisten beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg: Vorfälle werden selten strafrechtlich geahndet.

Polizisten beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg: Vorfälle werden selten strafrechtlich geahndet.

Foto: Ronald WitteK/ EPA/ REX/Shutterstock

In Deutschland gibt es deutlich mehr Fälle widerrechtlicher Gewaltanwendung durch Polizisten, als offiziell bekannt ist. Das ergeben Forschungen an der Universität Bochum, über die der SPIEGEL und das ARD-Politikmagazin "Kontraste" berichten. An der Uni Bochum arbeitet der Kriminologe Tobias Singelnstein an einer groß angelegten Studie zu Polizeigewalt in Deutschland. "Nach unseren bisherigen Befunden kann man davon ausgehen, dass das Dunkelfeld mehr als fünf Mal so groß ist wie das Hellfeld, das wir in der Statistik sehen", sagte Singelnstein.

Laut der amtlichen Statistik leiten die Staatsanwaltschaften jährlich mehr als 2000 Verfahren gegen Beamte ein. Strafrechtlich geahndet werden die Vorfälle aber selten: Weniger als zwei Prozent der Verfahren enden vor Gericht. Oft stehe das Wort der Bürger gegen das der Beamten, sagt Singelnstein, weshalb die Staatsanwaltschaft bei Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt selten Anklage erhebe.

An der Bochumer Befragung beteiligten sich weit mehr als tausend Betroffene. Nach Angaben des Kriminologen haben sich bei den Wissenschaftlern aber auch Polizisten gemeldet, die davon berichteten, im Dienst Grenzen überschritten zu haben.

Im September wollen Singelnstein und sein Team ein Zwischenergebnis präsentieren, die komplette Untersuchung soll im Frühjahr vorliegen. "Eine echte Fehlerkultur ist in der deutschen Polizei immer noch nicht verankert", sagt Singelnstein. "Oft herrscht das Verständnis vor: Die Polizei macht keine Fehler. Und wenn doch, dann klärt man das besser leise intern."

bhr/wow

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