Panne im Emder Mädchenmordfall Experten kritisieren Polizei

Im Emder Mädchenmordfall gerät die Polizei unter Druck. Obwohl sich der Tatverdächtige Monate vor dem Verbrechen wegen Kinderpornografie angezeigt hatte, ließen ihn Ermittler unbehelligt. Kriminologen monieren die Passivität - die Beamten hätten den 18-Jährigen nicht aus dem Blick lassen dürfen.
Polizeiwache in Aurich: Vorwurf der Passivität bei Ermittlungen

Polizeiwache in Aurich: Vorwurf der Passivität bei Ermittlungen

Foto: dapd

Osnabrück/Emden - Hätte der Mord an der Elfjährigen in Emden verhindert werden können, wenn es bei der Polizei zu keiner Ermittlungspanne gekommen wäre? Diese Frage steht im Raum, seit die Polizei am Dienstag mitteilte, dass der mutmaßliche Täter sich im November 2011 wegen kinderpornografischen Materials selbst angezeigt habe. Ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss, der laut Polizei am 30. Dezember 2011 bei der Polizeiinspektion Aurich/Wittmund eintraf, wurde aber nicht umgesetzt.

Wie es dazu kommen konnte, soll eine interne Ermittlung klären. Unabhängig vom Ergebnis steht die Polizei nun wegen der nicht vollzogenen Durchsuchung in der Kritik. Sie hätte den mutmaßlichen Mörder nach seiner Selbstanzeige nicht aus dem Blick lassen dürfen, sagte Rudolf Egg, Direktor der Kriminologischen Zentralstelle, am Dienstagabend in den "Tagesthemen": "Im Interesse des Opferschutzes kann man so jemanden nicht einfach wieder gehen lassen." Neben der Aufklärung von Straftaten sei auch die Prävention Aufgabe der Polizei.

Die Reaktion der Polizei auf die Selbstanzeige des 18-Jährigen sei erstaunlich passiv gewesen, sagte der Kriminologe Christian Pfeiffer dem NDR. "Jeder weiß, gerade in diesen jungen Jahren ist man noch sehr therapiefähig." Wenn die Polizei konkret beispielsweise nach dem Therapeuten des Jungen gefragt hätte, "dann hätte etwas in Gang kommen können, das die ganze Geschichte gedreht hätte", so der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen.

Der Schluss, der Mord an der Elfjährigen hätte verhindert werden können, wenn die Durchsuchung stattgefunden hätte, lässt sich Pfeiffer zufolge aber nicht ziehen. "Man kann nicht sicher behaupten, danach wäre er sowieso in U-Haft gekommen" und das Mädchen hätte überlebt, sagte er.

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, warnte im "heute journal" vor einer Vorverurteilung der Polizei. Zunächst müsse klar sein, "wie die ganzen Details zusammenpassen, und dann muss man daraus natürlich auch die entsprechenden verantwortlichen Konsequenzen ziehen", sagte er.

Der 18-Jährige hatte am vergangenen Wochenende gestanden, die Elfjährige in einem Parkhaus in Emden getötet zu haben. Weiter hat er sich bislang allerdings nicht geäußert. Er sitzt wegen Mordes in Untersuchungshaft.

Polizeitaucher wollen an diesem Mittwochmorgen damit beginnen, in den Gräben der Wallanlage in Emden nach der Tatwaffe zu suchen. Ob sie einen Hinweis von dem Tatverdächtigen erhalten haben, ist nicht bekannt. Zu der Tatwaffe wollte die Polizei nichts sagen.

ulz/dpa/dapd
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