Offenbar tödliche Hygienemängel Staatsanwaltschaft ermittelt gegen hessische Lebensmittelfirma

Mindestens vier Menschen erkrankten nach dem Verzehr verkeimter Lebensmittel, einer soll daran gestorben sein: In Südhessen nehmen Strafverfolger eine Firma ins Visier, die belastete Gurken geliefert haben soll.
Gemüsekisten auf dem Hof des Betriebs, von dem die keimbelasteten Lebensmittel stammen sollen

Gemüsekisten auf dem Hof des Betriebs, von dem die keimbelasteten Lebensmittel stammen sollen

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Sebastian Gollnow / dpa

Es geht um den möglichen Ausbruch von Listerien und gravierende Hygienemängel: Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat im Lebensmittelskandal mit mutmaßlich einem Toten Ermittlungen gegen den Inhaber eines Lebensmittelbetriebs in Südhessen eingeleitet.

Nach einer Anzeige der Kreisverwaltung Groß-Gerau vor knapp einem Monat werde wegen des Verdachts einer Straftat nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch ermittelt, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der Nachrichtenagentur dpa mit.

Der Kreis und das für eine Taskforce Lebensmittelsicherheit zuständige Regierungspräsidium in Darmstadt sprachen am Montag von vier Infizierten. Einer soll in Folge der Infektion gestorben sein. Ein weiterer starb später, laut Regierungspräsidium Darmstadt aber nicht wegen der Hygienemängel. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte: »Ob der Ausbruch ursächlich für das Versterben von Menschen war, kann aktuell noch nicht abschließend beurteilt werden.«

Behörden kontrollierten Betrieb nicht

Ausgangspunkt ist laut einer Sprecherin des hessischen Verbraucherschutzministeriums ein Obst- und Gemüsebetrieb, der unter anderem Gurkenscheiben auslieferte. In einem Gutachten seien gravierende Hygienemängel festgestellt worden, die Betroffenen infizierten sich zwischen Oktober 2021 und Januar 2022 in Kliniken in Frankfurt und Offenbach.

Die Verantwortlichen im Landkreis Groß-Gerau sehen erhebliche Mängel bei den Kontrollen. Obwohl dieser Betrieb zweimal im Jahr hätte kontrolliert werden müssen, sei dies in Zeiten der Coronapandemie nicht passiert. »Das alles ist höchst belastend«, sagte Landrat Thomas Will (SPD).

Die Kontrollpraxis sei nicht zu akzeptieren, sagte der Gesundheitsdezernent des Kreises, Walter Astheimer (Grüne). Der betroffene Betrieb sei zwei Jahre lang nicht überprüft worden, die Produktion von Schnittware sei mittlerweile eingestellt.

Schimmel, Rattenkot und Pfützen

Laut Regierungspräsidium Darmstadt sei man über die Nachverfolgung der Lieferketten auf den Betrieb aufmerksam geworden. Bereits am 10. Februar habe man erstmals Kenntnis erhalten. Kurz darauf hätten Prüfer die Hygienemängel festgestellt.

2019 war Hessen bereits von einem großen Lebensmittelskandal betroffen. Schon damals hatte das Verbraucherschutzministerium von Priska Hinz (Grüne) erhebliche Versäumnisse bei einem für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Landkreis festgestellt: Aufgrund von Listerien in Produkten des hessischen Wurstherstellers Wilke starben mindestens drei Menschen.

Der aktuelle Fall ist nun erst mit zwei Monaten Verspätung öffentlich bekannt geworden. Landrat Will zufolge soll das nichts mit Vertuschung zu tun haben: »Man wollte überhaupt nichts unter den Teppich kehren.« Es gebe genügend Fragen, die erst noch aufgearbeitet werden müssten. »Wir wissen noch nicht alle Details in diesem Fall.« Auch unabhängig vom Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen will die Behörde weitere Konsequenzen prüfen.

Das Ministerium erklärte, es sei sofort gehandelt worden. Durch Ermittlungen nach dem Ausbruch hätten weitere Infektionen verhindert werden können. Der Betrieb sei im Februar geschlossen worden. »Wir gehen davon aus, dass es keine weiteren Fälle gibt«, sagte Will.

Kontrolleure für Corona-Kontaktverfolgung eingesetzt

In dem Gutachten der hessischen Lebensmittelsicherheit ist von Schimmel, Rattenkot und Pfützen in dem Betrieb die Rede. Das Unternehmen hatte laut Landkreis auch an Krankenhäuser geliefert, dort hätten sich mindestens zwei der Betroffenen infiziert. Listerien können bei geschwächtem Immunsystem lebensgefährlich sein.

Eine Kreis-Sprecherin verwies auf die Coronapandemie, in der mehrere Lebensmittelkontrolleure und eine Amtstierärztin zeitweise für andere Aufgaben eingesetzt worden seien, etwa für die Kontaktnachverfolgung.

Das Regierungspräsidium wies darauf hin, dass die Ursache nicht in den Krankenhäusern zu suchen sei. Die Küchen dort seien in einem einwandfreien Zustand.

apr/dpa
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