Einsatzvideo veröffentlicht Cousin einer »Black Lives Matter«-Gründerin stirbt nach Polizeieinsatz

Brennende USA-Flagge bei einem Protest in New York (Bild von Juni 2022)
Foto: Angela Weiss / AFPEs begann wohl mit einem Verkehrsunfall und endete tödlich: In Los Angeles ist ein Mann nach einem Taser-Einsatz der Polizei gestorben. Der Verstorbene, Keenan Anderson war mit einer der Gründerinnen der »Black Lives Matter«-Bewegung verwandt: Er war der Cousin von Patrisse Cullors, die den Hashtag »#BlackLivesMatter« erfand. Das berichtet unter anderem der »Guardian« . Der Fall könnte die Debatte über Polizeigewalt gegen schwarze Menschen in den USA erneut befeuern.
Der Mann, Keenan Anderson, wurde am Nachmittag des 3. Januar in Los Angeles von der Polizei aufgegriffen. Das zeigen Videos des Einsatzes, die die Polizei am Mittwoch veröffentlichte (Achtung: Die Aufnahmen sind drastisch).
Auf dem Video ist zu sehen, dass ein Polizist auf einem Motorrad unterwegs ist, als er Anderson auf der Straße laufen sieht. Anderson spricht offenbar aufgeregt den Polizisten an. Dieser fährt dann zu einem Auto, das mitten auf der Straße steht. Dort weisen ihn mehrere Personen darauf hin, dass offenbar Anderson der Fahrer des Fahrzeugs ist. Der Polizist fährt zu ihm und bittet ihn, die Straße zu verlassen und sich an die Wand eines Hauses zu stellen. Anderson ist sehr aufgeregt, sagt: »Jemand versucht, mich zu töten.« Er verschränkt die Hände hinter dem Kopf und kniet sich auf den Boden. Er sagt immer wieder: »Bitte, ich wollte das nicht.« Der Polizist erbittet Verstärkung. Anderson erklärt dem Polizisten, welches Auto er fahre, und sagt, jemand wolle sein Auto manipulieren.
Der Einsatz eskaliert, nachdem Anderson davonläuft
Anschließend unterbricht die Aufnahme. In dem veröffentlichten Video der Polizei erscheint der Text: »Sieben Minuten später versuchte Anderson zu fliehen«. Wie viel Zeit tatsächlich vergangen ist, und was in der Zwischenzeit geschah, ist unklar. Anderson ist zu sehen, wie er aufsteht und den Polizisten fragt, ob er sich etwas Wasser holen dürfe. Der Polizist sagt ihm, er werde ihm Wasser besorgen und er solle sich wieder hinsetzen. Anderson stellt sich auf den Bürgersteig und sagt, er wolle, dass andere ihn sehen können. Offensichtlich hat er Angst, dass der Polizist ihm etwas antun könnte. Der Polizist sagt: »In Ordnung, dann setz dich hierhin«, mit Verweis auf den Bürgersteig. Dann sagt Anderson zum Polizisten in etwa: »Sie wollen mir etwas anhängen« (»You’re putting a thing on me«), und dass ihm warm sei. Er ist offenbar verwirrt. Dann läuft er auf die Straße. Der Polizist setzt ihm nach und schreit Anderson an, er solle sich auf den Bauch legen. Dieser kniet sich hin und legt sich auf den Rücken.
Der Einsatz eskaliert. Zwei weitere Polizisten kommen nun auf Anderson zu und versuchen, ihn auf den Boden zu drücken. Anderson ruft: »Bitte tun Sie das nicht!« und scheint sich zu wehren. Einer der Polizisten sagt: »Hör auf damit oder wir tasern dich.« Sie rangeln mit Anderson und befehlen ihm immer wieder, sich ihnen nicht mehr zu widersetzen. Es gelingt ihnen, Anderson auf den Bauch zu drehen. Insgesamt versuchen nun offenbar fünf Polizisten, ihn zu fixieren.
Anderson ruft verzweifelt: »Sie versuchen, mit mir das zu machen, was sie mit George Floyd gemacht haben!« (»They’re trying to George Floyd me!«). Anderson scheint in einem verwirrten Zustand zu sein. Während er auf dem Boden liegt, ruft er mehrfach: »Das sind alles Schauspieler!« und »Das ist alles nur gespielt!«. Einer der Polizisten ruft mehrfach: »Hör auf, dich zu wehren, oder ich tasere dich.« Dann zieht er seinen Taser und schockt Anderson. Er sagt immer wieder: »Hör auf, dich zu wehren.« Die Beamten versuchen weiterhin, Anderson unter Kontrolle zu bringen. Immer wieder ist das Summen des Tasers zu hören. Schließlich gelingt es den Polizisten, ihm Handschellen und eine Fußfessel anzulegen.
Anderson wurde später ins Krankenhaus eingeliefert, wo er laut der Polizei viereinhalb Stunden später einen Herzstillstand erlitt und starb.
»Mein Cousin bat um Hilfe und bekam sie nicht. Er wurde getötet«
Anderson war laut »Guardian« Englischlehrer an einer High School und Vater. Die Cousine von Anderson, Patrisse Cullors, sagte zum »Guardian«: »Mein Cousin bat um Hilfe und bekam sie nicht. Er wurde getötet.« Niemand verdiene es, in Angst zu sterben. »Er war die vergangenen zehn Jahre Zeuge einer Bewegung, die sich der Tötung schwarzer Menschen entgegenstellte. Er wusste, was auf dem Spiel stand, und versuchte, sich zu schützen. Aber niemand half ihm«, sagte sie.
Der Fall sorgt nun für Aufsehen. Der Polizeichef von Los Angeles, Michel Moore, sagte in einer Pressekonferenz, Anderson habe sich »erratisch« verhalten. Der Taser sei zehnmal »aktiviert« worden, jedoch sei nicht jede »Aktivierung« tatsächlich auch »effektiv« gewesen. Es gibt laut Moore keine Grenze, wie oft der Taser aktiviert werden darf, jedoch sei eine wiederholte Aktivierung gefährlich, da sie zu Verletzungen führen könne. Inwieweit der Einsatz des Tasers und die Fixierung Andersons mitverantwortlich für seinen Tod seien, sei noch unklar. Er sagte, ein vorläufiger Bluttest habe gezeigt, dass er womöglich unter dem Einfluss von Cannabis und Kokain stand. Die genaue Todesursache ist jedoch laut den Behörden noch unklar.
Die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, teilte in einer Stellungnahme mit, man untersuche den Vorfall eingehend. Sie forderte, die beteiligten Polizisten sollten während der Untersuchung beurlaubt werden. Aber unabhängig vom Ergebnis der Untersuchung, so Bass, »müssen wir den Einsatz von Gewalt generell senken, und ich toleriere den Gebrauch übermäßiger Gewalt nicht.« Außerdem müsse man das Problem angehen, dass viele Menschen unter unbehandelten psychischen Krankheiten leiden. Es erschüttere sie, dass zu dem Einsatz niemand gerufen wurde, der Erfahrung im Umgang mit psychisch Kranken habe. »Wenn es keinerlei Gefahr für andere gibt, dürfen Polizisten nicht die Ersten sein, die vor Ort sind, wenn jemand eine psychische Krise durchlebt«, teilte sie weiter mit.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung wurde Andersons Zitat »You’re putting a thing on me« mit »Sie wollen mir etwas antun« übersetzt. Treffender ist: »Sie wollen mir etwas anhängen«. Wir haben die Übersetzung präzisiert.