Adolf Sauerland im Love-Parade-Prozess "Keine Kenntnis, weiß nicht, kann mich nicht erinnern"

Im Love-Parade-Prozess hat Duisburgs Ex-Bürgermeister Sauerland als Zeuge ausgesagt: regungslos, anscheinend ungerührt. Seine Erinnerungslücken brachten sogar den Richter in Wallung.
Von Christian Parth
Adolf Sauerland

Adolf Sauerland

Foto: Pool/ Getty Images

Wäre es nach Adolf Sauerland gegangen, hätte der 28. Tag im Love-Parade-Prozess vermutlich ein schnelles Ende gefunden.

Wie ein Buddha ruhte Duisburgs ehemaliger Oberbürgermeister in der Düsseldorfer Kongresshalle, die zum Gerichtssaal umfunktioniert wurde. Die Hände lagen angestrahlt von einem Deckenlicht gefaltet auf dem Zeugentisch, sein Gesicht zeigte keine Regung.

Acht Stunden später hatte Sauerland seine Position nicht geändert, auch inhaltlich wiederholte er das, was er immer gesagt hat: Er habe keine Ahnung gehabt davon, wie eine der größten Veranstaltungen in der Geschichte der Stadt organisiert, geplant und genehmigt worden ist. Von Verantwortung will Adolf Sauerland nichts wissen.

Im Verfahren um die Love-Parade-Katastrophe, bei der vor knapp acht Jahren 21 Menschen ums Leben kamen und Hunderte verletzt wurden, sollte der Auftritt Sauerlands einer der wichtigsten sein. Würde er womöglich jemanden belasten, würde er endlich Licht in das bürokratische Dickicht bringen, durch das sich das Duisburger Landgericht seit Prozessbeginn Anfang Dezember kämpfen muss??

Sechs ehemalige Mitarbeiter der Stadt und vier Angestellte des Veranstalters müssen sich unter anderem wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Aus Sicht der Nebenkläger fehlen allerdings mindestens zwei Personen auf der Anklagebank: Veranstalter Rainer Schaller und Adolf Sauerland. Eine individuelle Schuld konnte die Anklage den beiden nicht nachweisen. Nun sind sie als Zeugen geladen.

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Chronologie: Vom Loveparade-Unglück zum Prozess

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In einem seiner wenigen Interviews seit der Katastrophe hatte Sauerland vor anderthalb Jahren bedauert, dass er damals, unmittelbar nach dem Unglück, darauf bedacht gewesen sei, juristisch keine Fehler zu machen, und dabei etwas vergessen habe: "Das Mitgefühl für die Angehörigen."

Doch auch am Mittwoch vor Gericht verzichtete der 62-jährige Pensionär darauf, versöhnliche Worte an Opfer und Angehörige zu richten. Er präsentierte sich mit denselben Eigenschaften, die ihn nach der Katastrophe zur Hassfigur werden ließen, die seine Gegner auf einer Demonstration sogar dazu bewogen hatten, einen Galgen mit seinem Bild in die Höhe zu halten: kühl und bürokratisch.

Kaum aus der Ruhe zu bringen

In der mehrstündigen Befragung durch den vorsitzenden Richter Mario Plein betonte Sauerland: "Aktiv im Genehmigungsverfahren war ich nicht." Nachdem der Stadtrat 2007 beschlossen hatte, die Love Parade in Duisburg auszurichten, habe er die gesamte Projektleitung Wolfgang Rabe übergeben, dem Chef des Ordnungsdezernats. Von ihm sei er hernach im Grunde nur noch gelegentlich über den Stand informiert worden. "Läuft oder läuft nicht", mehr habe Sauerland nicht gewusst und - will man ihm Glauben schenken - offenbar auch nicht wissen wollen.

Richter Plein versuchte, Sauerland unter Druck zu setzen. Er hielt ihm Aussagen aus einer Polizeivernehmung vor, ließ Aktenvermerke und Dokumente verlesen, in denen hochrangige Verwaltungsangestellte sogar noch wenige Wochen vor der Love Parade Bedenken an der Durchführbarkeit der Veranstaltung äußerten. Doch nur selten ließ sich der CDU-Politiker aus der Ruhe bringen. Er zuckte mit den Schultern. "Weiß ich nicht", "daran kann ich mich nicht erinnern", "davon hatte ich keine Kenntnis".

Sauerland will nicht einmal gewusst haben, dass die verantwortliche Planungsgruppe wegen Zweifeln an der Sicherheit bei einem Experten von der Uni Duisburg-Essen ein Gutachten in Auftrag gegeben hatte, um die Eignung des Geländes für die Besucherströme wissenschaftlich bewerten zu lassen. Ebenso wenig will Sauerland Kenntnis von den Treffen mit dem Gutachter gehabt haben. "Ich habe davon erst im Nachgang der Love Parade erfahren", behauptete er.

Als der damalige Duisburger Polizeipräsident kurz vor dem Techno-Fest öffentlich Bedenken äußerte, habe Sauerland die Projektführung angewiesen, die Einwände zu prüfen. Ob das geschehen sei, wollte der Richter wissen. "Das weiß ich nicht", antwortete Sauerland.

Die Erinnerungslücken bringen sogar den sonst eher zurückhaltenden Richter in Wallung. "Sogar Klein Erna auf der Straße fände das komisch, dass der Oberbürgermeister über all das nicht Bescheid weiß", polterte Plein. "Wir reden hier nicht über einen Flohmarkt in Duisburg-Marxloh, sondern über die Love Parade." Ohne jede Rührung schaute Sauerland zum Vorsitzenden, atmete tief ein und wieder aus. Dann zuckte er wieder mit den Schultern.

Die Befragung des Zeugen Sauerland wird am Donnerstag fortgesetzt.

SPIEGEL TV Magazin zur Duisburger Love Parade: Chronik einer Katastrophe

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