
Love-Parade-Unglück: Die Wunden sind tief
Duisburg Love-Parade-Katastrophe wird doch vor Gericht verhandelt
Wer trägt Schuld am Love-Parade-Unglück in Duisburg? In der juristischen Aufarbeitung gibt es eine überraschende Wende: Das Strafverfahren wegen der Katastrophe bei der Love Parade im Jahr 2010 muss vor dem Duisburger Landgericht eröffnet werden. Dies entschied das zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) laut einer Mitteilung nach Beschwerden von Staatsanwaltschaft und Opferanwälten. Gegen den Beschluss kann nach Angaben eines Gerichtssprechers kein Rechtsmittel eingelegt werden.
Das Landgericht hatte im April 2016 die Anklagen gegen insgesamt zehn Beschuldigte zurückgewiesen. Die Staatsanwaltschaft hatte im Februar 2014 den Duisburger Stadtentwicklungsdezernenten Jürgen Dressler sowie fünf Mitarbeiter des städtischen Bauamts und vier Verantwortliche des Veranstalters Lopavent wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung angeklagt.
Bei der Katastrophe am 24. Juli 2010 waren in einem Gedränge am Zugangsbereich des Veranstaltungsgeländes 21 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 600 verletzt worden.

Love-Parade-Unglück: Die Wunden sind tief
Die 5. Große Strafkammer des Duisburger Landgerichts hielt eine Verurteilung der Angeklagten für unwahrscheinlich. Das sahen die Richter am Düsseldorfer Oberlandesgericht nun anders - und ordneten an, die Hauptverhandlung vor der 6. Großen Strafkammer des Duisburger Landgerichts abzuhalten.
Verurteilung "hinreichend wahrscheinlich"
Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung beziehungsweise fahrlässiger Körperverletzung im Amt sei "hinreichend wahrscheinlich", heißt es in der Mitteilung. Dem OLG zufolge "drängt es sich nach dem Ermittlungsergebnis auf", dass die den Angeschuldigten vorgeworfenen Pflichtverletzungen Ursache für den Tod oder die Verletzungen der Love-Parade-Besucher waren.
Das OLG entschied zudem, dass das 460 Seiten lange Gutachten des britischen Sachverständigen Keith Still "entgegen der Annahme des Landgerichts verwertbar" ist, und rehabilitierte damit den Sachverständigen. Seinem Gutachten kommt als Beweismittel eine zentrale Rolle zu: Es geht davon aus, dass das Zu- und Abgangssystem zur der Techno-Parade am Nachmittag des Veranstaltungstages wegen Planungsfehlern dem Besucherstrom nicht mehr standhalten konnte.
Von einer Befangenheit und Voreingenommenheit des Gutachters sei nicht auszugehen. Auch sieht der Senat keine Anhaltspunkte für eine verbotene Einflussnahme auf den Sachverständigen. Den Termin für die Hauptverhandlung muss nun das Landgericht Duisburg festlegen.
"Ohrfeige für die Richter am Landgericht Duisburg"
Die Staatsanwaltschaft und Opferanwälte begrüßten die Eröffnung des Hauptverfahrens. Sie werde "alles daran setzen, dass die zahlreichen drängenden Fragen zur Verantwortlichkeit für das Unglück umfassend geklärt werden", teilte die Staatsanwaltschaft Duisburg mit.
Opferanwalt Julius Reiter bezeichnete den OLG-Beschluss als "Ohrfeige für die Richter am Landgericht Duisburg, die das Verfahren einstellen wollten". Die Eröffnung des Strafverfahrens sei "eine Erleichterung für die Opfer, die schon so lange auf die Aufklärung warten".
Reiters Kanzleipartner, der frühere FDP-Bundesinnenminister Gerhart Baum, forderte über das Strafverfahren hinaus einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Dieser müsse das "Organisationsverschulden der zuständigen Behörden" aufklären.