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Fall Maria Bögerl: 27 Minuten zu spät zur Lösegeldübergabe

Maria Bögerl gefunden Entführte Bankiersfrau ist tot

Die schlimmsten Befürchtungen haben sich bewahrheitet: Bei der in Baden-Württemberg entdeckten Toten handelt es sich um die entführte Maria Bögerl aus Heidenheim. Das hat jetzt die Polizei bestätigt. Tausend Meter vom Fundort entfernt war die Lösegeldübergabe gescheitert. Haben Suchtrupps die Leiche der Bankiersfrau übersehen?

Heidenheim - In einem emotionalen Fernsehauftritt hatten Thomas Bögerl und seine Kinder Christoph und Carina die Entführer Mitte Mai angefleht, Maria Bögerl freizulassen oder Hinweise zu geben, wo sie zu finden sei. Nun haben sich all ihre Hoffnungen zerschlagen: Die zweifache Mutter ist tot. Das gaben Polizei und Staatsanwaltschaft nun bekannt.

Tagelang war das Waldgebiet bei Heidenheim, in dem die 54-Jährige nun aufgefunden wurde, durchsucht worden.

Als am Donnerstagabend nun ein Spaziergänger unter Ästen und Laub in jenem Waldstück eine Leiche fand, schwanden die Hoffnungen in Sekundenschnelle. Laut Polizei gibt es derzeit keine weiteren Vermisstenfälle in der Region - noch vor der Obduktion rechnete kaum mehr jemand damit, dass es sich bei der Toten nicht um Maria Bögerl handeln würde. Die Obduktion hat die Identität der Frau nun bestätigt.

Der Fundort der Leiche liegt etwa tausend Meter von der Stelle entfernt, an der die Geldübergabe gescheitert war, ganz in der Nähe eines Wanderparkplatzes in einem Waldstück zwischen Nietheim und Niesitz, wie ein Polizeisprecher SPIEGEL ONLINE erklärte. Die Gegend sei durchaus belebt. Der Leichnam lag am Waldrand unter einem Reisighaufen, drei Meter neben einem Weg. In der Nähe gibt es laut Polizei zahlreiche solcher kleinen Holzhaufen.

Die Suche nach Maria Bögerl war intensiv. Bei Polizei, Staatsanwaltschaft Ellwangen und Landeskriminalamt Stuttgart arbeiteten Hunderte Beamte an dem Fall: Rund hundert Einsatzkräfte durchkämmen am 13. Mai mit Suchhunden den Wald an der Autobahn 7 zwischen Heidenheim und Aalen. Auch ein Hubschrauber mit Wärmebildkamera wird eingesetzt. Am 15. Mai sind 500 Polizisten, mehr als 200 Führer von rund hundert Suchhunden und eine Tauchergruppe der Wasserschutzpolizei im Bereich Neresheim im Einsatz. Am 16. Mai setzen 250 Beamte und 150 weitere Kräfte sowie 50 Suchhunde und zwei Polizeihubschrauber die Suche nach der Entführten fort. Elf Bergwachtangehörige suchen in einem Steinbruchgelände. Hundert Helfer verteilen 8000 Flugblätter mit einem Aufruf der Polizei an die Bevölkerung.

Wurde die Leiche von den Suchtrupps übersehen?

Warum wurde die tote Frau trotz der aufwendigen Suchaktion zufällig von einem Spaziergänger mit Hund entdeckt? Wurde die Gegend um den Ort der gescheiterten Lösegeldübergabe etwa nicht sorgfältig durchsucht?

"Es läuft eine interne Aufarbeitung, ob in dem Fundraum der Leiche gesucht wurde und wenn ja, wie", so der Polizeisprecher. Dass die Tote durch die vielen Reisighaufen übersehen wurde, sei reine Spekulation.

Möglicherweise seien an der Stelle nur Bereitschaftspolizisten ohne Suchhunde eingesetzt worden. Es sei auch nicht auszuschließen, dass die Leiche erst später dort abgelegt wurde. Der Fundort liege zudem 20 Kilometer vom Wohnhaus der Bögerls entfernt - "das ist ein sehr großer Abschnitt", bemühte sich der Polizeisprecher um Erklärung.

Der Zustand des Körpers der Frau zeigte laut Polizei bereits beim Auffinden, dass sie schon längere Zeit tot sein muss. Demnach sei sie schwer entstellt. "Die Betroffenheit unter den Beamten, die sich wahrlich in dem Fall engagiert haben, ist groß", sagte der Sprecher. "Obwohl mit jedem Tag, an dem es kein Lebenszeichen der Entführten gab, die Wahrscheinlichkeit sank, dass sie noch am Leben ist, haben wir alle bis zuletzt mit der Familie gehofft."

Die 54-jährige Ehefrau des Heidenheimer Sparkassendirektors Thomas Bögerl war am 12. Mai in den Morgenstunden aus ihrem Wohnhaus in Heidenheim-Schnaitheim im eigenen Auto entführt worden.

Das letzte Lebenszeichen von Maria Bögerl erhält ihr Ehemann am Entführungstag beim Anruf des Täters um 11.20 Uhr. Sie sagt ihm, sie werde mit dem Tod bedroht. Der Anrufer fordert Lösegeld - angeblich 300.000 Euro. Die Familie erfüllt die Forderungen des Erpressers und legt das Geld in einem schwarzen Müllsack an die Autobahn 7. Die Stelle markieren sie - wie von den Entführern aufgetragen - mit einer Deutschland-Flagge. Das Geld wird bis zum frühen Morgen des 13. Mai nicht abgeholt.

"Bitte lassen sie uns wissen, wo sich unsere Mama befindet"

Thomas Bögerl schaltet die Polizei ein. Diese gründet die Sonderkommission "Flagge" mit 80 Beamten und Spezialisten des Landeskriminalamts. Den A-Klasse-Mercedes der Entführten finden Besucher auf einem Parkplatz des 20 Kilometer entfernten Klosters Neresheim am 14. Mai. Auf dem Beifahrersitz werden Blutspuren der Entführten gefunden. Das Handy der Entführten finden Suchtrupps der Polizei am Nachmittag desselben Tages nahe der A7, Ausfahrt Nietheim.

Die Suche dauert an - bis zum 21. Mai. Die Polizei stellt ihre großflächige Suche ein und konzentriert diese auf Stellen, für die es bestimmte Hinweise gibt. Inzwischen untersuchen die Soko-Mitarbeiter auffällige Konten bei der Kreissparkasse Heidenheim. "Wir wollen nicht ausschließen, dass der Täter ein verschuldeter Bankkunde sein könnte, der sich an Thomas Bögerl rächen will", sagte damals ein Polizeisprecher.

Immer wieder gibt es Hoffnungsschimmer: So rücken am 24. Mai Beamte mit Suchhunden aus, weil im Wald nordöstlich von Neresheim Spaziergänger Klopfgeräusche gehört haben. Auch diese Spur ergibt nichts.

Am 1. Juni gibt die Polizei bekannt, dass sie zwei Männer suchen, die am Vormittag des Entführungstags unweit des Wohnhauses der Familie Bögerl gesehen worden sind. Einer von ihnen könnte sich am Nachmittag in Nietheim aufgehalten haben und soll als Anhalter unterwegs gewesen sein.

In Erinnerung bleibt der verzweifelte Aufruf der Familie Bögerl am 19. Mai in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst". "Wir flehen Sie an, die für uns alle so qualvolle Situation positiv zu beenden. Bitte lassen Sie uns wissen, wo sich unsere Mama befindet", sagte der 24-jährige Christoph Bögerl. Seine 27-jährige Schwester Carina bat die Entführer, "ein Zeichen" zu geben, was er auch anonym tun könne. Der Ehemann der Entführten sagte unter Tränen: "Ich appelliere an Ihre Menschlichkeit."

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