Tödliche Messerattacke in Kandel Landkreis schließt Volljährigkeit des Tatverdächtigen aus

Nach dem gewaltsamen Tod einer 15-Jährigen in Kandel gehen Fachleute davon aus, dass der Tatverdächtige nicht volljährig ist. Die Debatte über flächendeckende Alterstests bei jungen Flüchtlingen geht weiter.
Trauernde legen in Kandel Kerzen und Blumen ab

Trauernde legen in Kandel Kerzen und Blumen ab

Foto: Uli Deck/ dpa

Ende Dezember starb eine 15-Jährige im rheinland-pfälzischen Kandel an den Folgen eines Messerangriffs. Tatverdächtig ist ihr aus Afghanistan stammender Ex-Freund, von dem sich das Mädchen Anfang Dezember nach mehrmonatiger Beziehung getrennt hatte.

Offiziell ist der junge Flüchtling 15 Jahre alt. Diese Angabe wird vom Vater des Opfers aber angezweifelt. Nun meldete sich der Kreis Germersheim zu Wort, dessen Jugendamt den Verdächtigen betreute. Demnach gehen Fachleute davon aus, dass der junge Afghane nicht volljährig ist.

"Eine Volljährigkeit wird derzeit von allen Beteiligten ausgeschlossen", hieß es in einer Mitteilung des Kreises vom Dienstag. Darin wird auf eine Untersuchung in Frankfurt im Jahr 2016 verwiesen, der zufolge "eine Varianz von +/- 1 Jahr möglich" sei.

Die Familie des Mädchens hatte den Afghanen Mitte Dezember wegen Beleidigung, Nötigung, Bedrohung und Verletzung persönlicher Rechte angezeigt. Am 27. Dezember wurde die junge Deutsche in einem Drogeriemarkt mit einem Messer tödlich verletzt.

Jugendamt will keine Kenntnis von Bedrohung gehabt haben

Das Jugendamt bestritt, von der Polizei darüber informiert worden zu sein, dass der Ex-Freund auch wegen Bedrohung angezeigt worden sei. Zwar habe das Jugendamt am 18. Dezember von der Polizei erfahren, dass Anzeigen gegen den Afghanen erstattet worden seien. Aber: "Darüber, dass das Mädchen direkt bedroht wurde, war weder der Vormund noch die Fall führende Sachbearbeiterin informiert", hieß es in der Mitteilung. "Zu keiner Zeit gab es für die Mitarbeiter des Jugendamtes oder für die Mitarbeiter der Einrichtung Indizien, die dafür sprachen, dass man um Leib oder Leben des Mädchens fürchten müsse."

"Samthandschuhe fehl am Platz"

Nach der tödlichen Messerattacke in Kandel war eine Debatte über flächendeckende Alterstests bei jungen Flüchtlingen entbrannt. Der Grünen-Politiker und Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat sich hinter die Unions-Forderung nach Alterstests für junge Flüchtlinge gestellt. "Im Zweifelsfall finde ich, dass man durchaus die Einwilligung zu medizinischen Untersuchungen verlangen kann", sagte Palmer der "Rhein-Neckar-Zeitung". Wer Leistungen vom Staat beziehen wolle, der müsse seine Bedürftigkeit umfassend nachweisen.

Wer sich Maßnahmen wie Röntgenaufnahmen verweigere und auch sonst nicht mit den Behörden kooperiere, um seine Minderjährigkeit nachzuweisen, der solle als Erwachsener behandelt werden, sagte Palmer weiter. Bedenken, dass eine Röntgenaufnahme einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstelle, wollte Palmer nicht gelten lassen.

"Eine Flugreise aus Afghanistan nach Deutschland hat sicher eine höhere Strahlenbelastung als ein Röntgenbild", sagte der Grünen-Politiker. "Die Samthandschuhe sind hier fehl am Platz."

Die Linkspartei hat die CSU-Forderung nach einer Altersfeststellung bei allen minderjährigen Flüchtlingen scharf kritisiert. Das sei "grundrechtswidriger Unfug", erklärte ihre Innenpolitikerin Ulla Jelpke in Berlin. "Röntgenaufnahmen stellen einen Eingriff in die persönliche Unversehrtheit und eine Vorverurteilung Schutzsuchender dar."

Der auf Altersdiagnostik spezialisierte Ulmer Wissenschaftler Friedrich Wilhelm Rösing sagte dem "Mannheimer Morgen", das Alter und die Fehlermöglichkeit ließen sich genau ermitteln. Die Altersüberprüfung bei allen jungen Flüchtlingen, bei denen Zweifel an den Angaben bestehen, sei "auf jeden Fall machbar". Ein genaues Gutachten koste etwa 300 Euro.

Trauermarsch in Kandel

Trauermarsch in Kandel

Foto: Uli Deck/ dpa

In Kandel hatten sich am Dienstagabend Hunderte Menschen zu einem Schweigemarsch zusammengefunden. Am Ende sei es zu vereinzelten Auseinandersetzungen mit Teilnehmern einer Mahnwache gekommen, die vor dem Drogeriemarkt gewartet hätten, teilte die Polizei in Landau mit. Worum es dabei genau ging, war nicht bekannt. Die Polizei trennte die beiden Gruppen und beruhigte die "höchst emotionale Stimmung", wie es hieß. Bereits am Nachmittag hatte es eine spontane Kundgebung gegeben, ebenfalls an dem Drogeriemarkt. Daran hätten rund 30 Menschen teilgenommen.

ala/dpa
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