Attentat von Würzburg Stiche in den Hals

Der mutmaßliche Attentäter von Würzburg ging bei seiner Tat äußerst brutal vor. Nun soll ein Gutachten klären, ob er aus islamistischen Motiven zustach oder psychisch krank ist.
Trauerkerzen am Tatort in Würzburg

Trauerkerzen am Tatort in Würzburg

Foto: Nicolas Armer / dpa

War der Täter ein Islamist – oder psychisch krank? Oder beides? Drei Tage nach dem tödlichen Messerattentat von Würzburg versuchen Polizei und Staatsanwaltschaft weiter, das Motiv des mutmaßlichen Angreifers herauszufinden. Nach SPIEGEL-Informationen wollen die Ermittler nun ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag geben, das Klarheit bringen soll. Die bei der Münchner Generalstaatsanwaltschaft angesiedelte Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus hat seit dem Wochenende das Verfahren übernommen.

Bei der Tat ging Abdirahman J. A. offenbar äußerst brutal vor. Am Freitagnachmittag gegen 17 Uhr fragte der Somalier laut den Ermittlungen im Woolworth-Kaufhaus in der Würzburger Innenstadt eine Verkäuferin, wo die Messer ausliegen. Er soll ein Exemplar mit einer großen Klinge aus einer Packung gezogen und unmittelbar eine Kundin attackiert haben. Im Erdgeschoss des Kaufhauses soll er dann mehrfach auf drei Frauen im Alter von 24, 49 und 82 Jahren eingestochen haben. Alle drei starben.

Nach SPIEGEL-Informationen versuchte ein Ladendetektiv, den mutmaßlichen Attentäter aufzuhalten. Abdirahman J. A. soll ihn jedoch gebissen haben und auf die Straße gerannt sein. Vor dem Kaufhaus soll er einer Verkäuferin und der Tochter eines der Todesopfer das Messer in den Hals gerammt haben. An einer Bushaltestelle am Barbarossaplatz griff er nach Erkenntnissen der Ermittler dann einen Jugendlichen an. Vor einer Sparkassenfiliale soll er schließlich eine weitere Frau mit vier Stichen in den Hals schwer verletzt haben.

Nach seiner Festnahme soll der mutmaßliche Attentäter davon gesprochen haben, dass er mit der Tat seinen "Dschihad" verwirklicht habe. Derzeit werten die Ermittler zudem Unterlagen aus, die in seinem Zimmer gefunden wurden. Ob es sich dabei tatsächlich um "Hassschriften" handelt, wie die Polizei am Wochenende es formuliert hatte, ist unklar.

Abdirahman J. A., der zuletzt in einer Obdachlosenunterkunft in Würzburg-Zellerau lebte, war den Behörden bereits mehrfach aufgefallen. Im Juni soll der Bürgerkriegsflüchtling in verwirrtem Zustand unvermittelt in ein fremdes Auto eingestiegen sein. Weder auf den Fahrer noch auf die herbeigerufene Polizei reagierte der Somalier. Darauf kam er in eine psychiatrische Einrichtung, konnte aber nach einem Tag wieder nach Hause gehen.

Bereits im Januar war es in der Unterkunft, in der Abdirahman J. A. lebte, zu einem Vorfall gekommen: der 24-Jährige soll einen Mitbewohner sowie den Verwalter der Unterkunft mit einem Messer bedroht haben. Aufgrund des psychischen Zustands von J. A. ordneten die bayerischen Behörden damals eine zeitweise Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung an. Dort bleib der Somalier etwas länger als eine Woche.

Brisanter Hinweis vom Ex-Mitbewohner

Zum Jahreswechsel versuchten die Ermittler zudem einen Zeugenhinweis zu überprüfen, wonach Abdirahman J. A. in den Jahren 2008 und 2009 als Kindersoldat in Somalia an Kampfeinsätzen beteiligt gewesen sein soll. So habe der Beschuldigte angeblich vor Jahren erklärt, im Bürgerkriegsgebiet für die Islamisten-Miliz al-Schabab gekämpft zu haben.

Allerdings waren die Angaben des Zeugen kaum überprüfbar. Der Mann, der mit Abdirahman J. A. einst in einer Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Sachsen untergebracht war, berief sich auf ein zufällig mitgehörtes Telefonat, das J. A. angeblich im Jahr 2015 geführt habe – mit wem, wusste der Hinweisgeber nicht. In dem Telefongespräch soll J. A. auch behauptet haben, in Somalia Polizisten und Journalisten angegriffen zu haben.

Für ein Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung reichten die Hinweise damals nicht aus, zumal der Verdächtige zur Tatzeit unter 14 Jahre alt und somit nach deutschem Recht noch nicht strafmündig gewesen wäre. Außerdem hatte es offenbar mal Streit zwischen Abdirahman J. A. und dem Zeugen gegeben: der Somalier soll ihn dabei mit einem Messer angegriffen und an der Hand verletzt haben, behauptete der Hinweisgeber. Ob der angebliche Angriff damals den Behörden bekannt wurde, ist indes unklar.

Aktenkundig ist ein Vorfall aus dem November 2015. Damals soll der Somalier in seiner Asylunterkunft im Erzgebirge mit einem Mitbewohner aneinandergeraten sein – wegen eines Streits um einen Kühlschrank. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz ermittelte wegen gefährlicher Körperverletzung gegen Abdirahman J. A. Die Ermittlungen seien jedoch eingestellt worden, so ein Sprecher des Landeskriminalamtes Sachsen - weil die Betroffenen die Ereignisse unterschiedlich dargestellt hätten.

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