Millionenraub in England Polizei setzt auf neues Phantombild
London - Fast drei Millionen Euro kann verdienen, wer entscheidende Hinweise zur Ergreifung der Täter gibt. Die Polizei wiederholte am Samstag ihren Aufruf an potenzielle Mitwisser der Tat und hofft, dass ein neues Computerbild hilft. Es zeigt einen finster blickenden, grobschlächtigen Mann mit Schnauzbart und Polizeimütze und entstand nach Angaben der Frau und des Sohns des Gelddepot-Direktors, die der Gangster zusammen mit einem Komplizen entführt hatte.
Heute wurden zwei Männer verhaftet, die der Komplizenschaft beim Überfall auf das Gelddepot in der südostenglischen Ortschaft Tonbridge verdächtigt werden. Die Polizei nannte weder die Namen noch sonstige Details und teilte lediglich das Alter der beiden Tatverdächtigen mit - sie sind 33 und 55 Jahre alt. "Es handelt sich um von Profi-Verbrechern bis ins Detail geplante Tat", sagte Adrian Leppard, Polizeisprecher der Grafschaft Kent.
Ebenfalls am Samstag gab die Polizei neue Details zum Überfall bekannt: Demnach stoppten am Mittwoch mehrere als Polizisten verkleidete Personen den Manager Colin Dixon, 51, als er vom Depot nach Hause fuhr. Zur selben Zeit klingelte eine zweite Gruppe an der Haustür der Dixons. Der Frau des Managers berichteten die vermeintlichen Beamten von einem Unfall ihres Mannes, um sie und ihren Sohn, 9, ebenfalls zu entführen. Mitten im Feierabendverkehr wurden sie mit mehreren Fahrzeugen zu einem abgelegenen Haus gebracht. Dort drohte man der Familie Gewalt an, sollte Colin Dixon der Bande nicht Zugang zu dem Gelddepot verschaffen.
Nach dem Überfall auf das Lager wurden die Dixons unversehrt freigelassen. Colin Dixon sprach von einer "entsetzlichen Erfahrung", die ihn über alle Maßen empöre. "Der Schrecken, was passiert ist und was hätte passieren können, begleitet uns in jedem wachen Moment", sagte er, "für uns ging es bei dem Verbrechen nicht um Geld, sondern um unser Überleben."
"Eine wahre Fundgrube für Spuren"
Beim Überfall in Tonbridge erbeuteten die Täter umgerechnet mehr als 70 Millionen Euro - der größte Raubzug in der Geschichte Großbritanniens. Die exakte Summe steht allerdings noch nicht fest; das werde noch Tage dauern, teilten die Polizei und die Sicherheitsfirma mit. Die Bemühungen der Forensik-Experten konzentrieren sich jetzt vor allem auf einen Kleintransporter, in dem am Freitag ein Teil der Millionenbeute gefunden worden war. Der Minivan der Marke Ford wurde nach einem "heißen Tipp" vor einem Hotel unweit des Bahnhofs Ashford International an der Strecke des Eurostar-Schnellzugs von London nach Paris entdeckt.
Fernsehaufnahmen zeigten Polizisten, die schwere Plastiksäcke aus dem Transporter wuchteten. Nach unbestätigten Medienberichten sollen es sich allerdings lediglich um rund zwei Millionen Pfund (fast drei Millionen Euro) handeln. Das wäre nicht einmal ein Zwanzigstel der auf umgerechnet rund 70 Millionen Euro geschätzten Beute.
Der Kleintransporter sei eine "wahre Fundgrube für Spuren, die zu den Tätern führen könnten", sagte der britische Sicherheitsexperte Steve Park dem Nachrichtensender Sky News. Allerdings kamen bereits am Freitag drei Verdächtige gegen Kaution wieder auf freien Fuß, Unter ihnen war auch die 41-jährige Frau, die laut der Tageszeitung "Daily Mirror" bei einer Immobilienbank in Bromley südlich von London umgerechnet 9000 Euro in bar einzahlen wollte; dem Zeitungsbericht zufolge wurden die Geldscheine von einer Banderole mit der Aufschrift "Tonbridge" zusammengehalten.
Fahnder hatten zudem einen 29-jährigen Mann und eine 31-jährige Frau in London festgenommen. Auch sie wurden gegen Kaution wieder laufen gelassen. Zuvor hatte der Vizepolizeichef die Festnahmen als "bedeutend" bezeichnet. Die Polizei veröffentlichte außerdem ein Phantombild von einem Mann mit rotem Vollbart.
jol/AP/afp/dpa