Ballistische Expertise Schussgutachter belasten mutmaßlichen Lübcke-Mörder schwer

Polizisten mit Tatverdächtigem Stephan Ernst (Archiv): Waffen im Erddepot
Foto: Uli Deck/DPAIm Mordfall Walter Lübcke belastet nach SPIEGEL-Informationen eine ballistische Expertise den Hauptverdächtigen Stephan Ernst schwer. Demnach haben die kriminaltechnischen Untersuchungen des hessischen Landeskriminalamts und des Bundeskriminalamts ergeben, dass die Kugel, die den Kasseler Regierungspräsidenten tötete, aus einer Schusswaffe stammt, die Ernst in einem Erddepot versteckt hatte. Dabei handelt es sich um einen kurzläufigen Revolver des brasilianischen Herstellers Rossi mit Kaliber .38 Spezial.
Ernst hatte die Ermittler vor drei Wochen selbst zu dem Waffenversteck auf dem Gelände seines Arbeitgebers geführt, dort waren auch weitere Schusswaffen vergraben, darunter eine Maschinenpistole und eine Pumpgun. In einer mehrstündigen Vernehmung hatte Ernst zunächst zugegeben, den CDU-Politiker Lübcke erschossen zu haben. Er nannte auch die Namen angeblicher Waffenbeschaffer. Nach einem Wechsel seines Strafverteidigers widerrief der 45-Jährige sein Geständnis allerdings.
Die nun vorliegende Bewertung der Schussgutachter ist ein starkes Indiz dafür, dass Ernst über Wissen verfügte, das nur der mutmaßliche Täter haben kann - oder jemand, der zumindest in die Tat involviert war. Der neue Verteidiger von Stephan Ernst, Frank Hannig, wollte keinen Kommentar abgeben.
Am Ende wird sich voraussichtlich das Oberlandesgericht Frankfurt mit dem Mordfall beschäftigen. Nach derzeitigem Stand sei es wahrscheinlich, dass dort Anklage erhoben werde, sagte vor wenigen Tagen der Präsident des Gerichts. Zunächst müsse man aber die weiteren Ermittlungen des Generalbundesanwalts abwarten.
Walter Lübcke war in der Nacht auf den 2. Juni an seinem Haus im Landkreis Kassel erschossen worden. Die Ermittler gehen von einem rechtsextremen Attentat aus. Der Hauptverdächtige Stephan Ernst sitzt seit einem Monat in Untersuchungshaft. Er bewegte sich jahrelang in der Neonazi-Szene und wurde mehrfach wegen Gewaltdelikten verurteilt, war aber seit 2009 vom Radar der Sicherheitsbehörden verschwunden.
Wie der SPIEGEL berichtet hatte, soll der Anlass für seinen Tatplan eine Informationsveranstaltung über die Aufnahme von Flüchtlingen im Herbst 2015 gewesen sein. Der Kasseler Regierungspräsident hatte damals die Aufnahme von Asylsuchenden mit dem Hinweis auf die christlich-humanitären Werte in Deutschland verteidigt: "Wer diese Werte nicht vertritt, kann jederzeit dieses Land verlassen."
Gegner einer Erstaufnahmeeinrichtung bei Kassel reagierten mit heftigem Protest und Buhrufen. Zu den Störern soll Ernst gehört haben.