Internationaler Betrugsfall Gaddafi und die Millionen für einen Berliner Filmemacher
Oakley-Sonnenbrille, frisch rasierte Glatze, hippes Lastenfahrrad: Maximilian V. fährt seine zwei Kinder durch den Berufsverkehr auf Malta. Fahrrad fahren trauen sich hier eigentlich nur Touristen. Offensichtlich braucht der Mann aus der Filmbranche noch das gewisse Risiko.
Der Deutsche lebt auf Malta in der Apartmentanlage "Portomaso", mit Privathafen für Millionenjachten und hauseigenem Sicherheitsdienst. Die knapp 900.000 Euro für die Wohnung soll sich der Berliner erschlichen haben. In Deutschland drohen ihm deswegen mehrere Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat V. im März 2013 wegen Betrugs angeklagt (Aktenzeichen 241JS293/12).
Schon zweimal sind Prozesse geplatzt, so dass der 45-Jährige noch immer unbehelligt am Mittelmeer lebt. Es ist nur die letzte absurde Pointe in einem undurchsichtigen Fall, der von Berlin über Tripolis nach Malta führt, und in dessen Verlauf auch Muammar Al-Gaddafi und Karl-Theodor zu Guttenberg auftauchen. Doch der Reihe nach.
2006 präsentierte sich Libyens Despot Gaddafi auf dem Kongress der afrikanischen Union in Äthiopien als oberster Anführer des Kontinents. Zu dieser Zeit bekam der Filmemacher V. aus Libyen den Auftrag, einen Kinofilm über das Leben des Diktators zu produzieren. Der Filmtitel lautete "Brother Colonel". Bruder Oberst also, Propaganda "Made in Germany".
Maximilian V. bekam eine Privataudienz im Beduinenzelt und präsentierte Gaddafi die Kinoplakate. Von der Szene existieren Fotos, die Spiegel TV vorliegen.
Die Dreharbeiten zu "Brother Colonel" entwickelten sich jedoch zu einem finanziellen Desaster für V. Die libysche Seite beglich die Rechnungen nicht. Die Außenstände summierten sich auf 650.000 britische Pfund.
Guttenberg schaltet sich ein
Dann setzte sich ein Mitglied der Bundesregierung für die Fertigstellung des Streifens ein. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bat seinen libyschen Kollegen in einem Brief am 1. Juli 2009, doch endlich das Geld für den Film zu zahlen. Zitat: "Die Firma raymaxfilm aus Berlin produziert zurzeit einen Dokumentarfilm über das Lebenswerk von S.E. Revolutionsführer Oberst Muammar Gaddafi. Es wäre schade, wenn durch diese Zahlungsverzögerungen dieses Projekt nicht verwirklicht werden könnte."
Ein deutscher Minister engagiert sich für einen Jubelfilm über einen Diktator? Guttenberg ließ eine Anfrage zu dem Fall unbeantwortet. Sein Brief an den libyschen Wirtschaftsminister brachte jedenfalls nicht den gewünschten Erfolg, V. bekam sein Geld nicht. Es gab sein Rohmaterial, aber der Film wurde nie fertiggestellt.
Im Februar 2011 brach in Libyen der Bürgerkrieg aus, das Land versank im Chaos. Mithilfe einer internationalen Militäraktion wurde Gaddafi gestürzt, im Herbst 2011 zogen Rebellen ihn nach kurzer Flucht aus einer Betonröhre, misshandelten ihn, er starb wenig später an einer Lähmung des Atemzentrums.
Als in Libyen der Bürgerkrieg ausbrach, müssen auch bei Filmemacher V. endgültig alle Hoffnungen geplatzt sein, noch Geld für seine Arbeit zu bekommen. Daher soll er beschlossen haben, sich das Geld selbst zu besorgen - auf illegalem Weg.
Zu den mächtigsten Männern hinter Gaddafi zählte Bashir Saleh. Er war Stabschef und persönlicher Vertrauter des Tyrannen. Und er war Chef des African Libyen Portfolio (LAP) - ein staatlicher Finanzfonds, in dem Gaddafis Machtclique schätzungsweise fünf Milliarden Dollar hortete. Der LAP hatte Konten auf der ganzen Welt, unter anderem bei der Deutschen Bank in Berlin.
Im April 2011 reichte ein Notar am Berliner Mahngericht die Rechnung eines Architekten ein, um einen Millionenbetrag vom libyschen Staatsfond zu erstreiten. Wahrscheinlich ist die Rechnung gefälscht und der Urheber war in Wahrheit Filmemacher V. Davon geht zumindest die Berliner Staatsanwaltschaft aus.
Am Mahngericht fiel die Fälschung zunächst nicht auf. Von libyscher Seite widersprach niemand der Millionenforderung, dort herrschte Krieg. Der Notar bekam folgerichtig einen sogenannten Überweisungsbeschluss, mit dem er insgesamt knapp 16 Millionen Dollar vom Konto des libyschen Fonds bei der Deutschen Bank in Berlin abräumte.
Laut Anklage flossen die Millionen weiter auf das Firmenkonto des Filmemachers V. Wie aus Ermittlungsakten hervorgeht, soll ein Strohmann für ihn das Luxusapartment auf Malta gekauft haben. Im maltesischen Grundbuch ist es aber auf V.s Namen eingetragen.
Ein Treffen in Paris
Im Februar 2012 soll V. von seinem Konto drei Millionen Euro in bar abgehoben und sich 46 Goldbarren im Wert von knapp zwei Millionen Euro aushändigen lassen haben. Geld und Gold sind heute verschwunden.
Möglicherweise haben auch Gaddafi-Getreue wie Bashir Saleh ihren Anteil bekommen. Irgendjemand muss V. die Existenz des Kontos bei der Deutschen Bank schließlich verraten haben. Der Filmemacher und Saleh sollen sich noch im Frühjahr 2012 in Paris getroffen haben.
Ende 2013 sollte in Berlin der Prozess gegen V. beginnen. Allerdings platzte die erste Verhandlung: Die Richterin war krank. Ein zweiter Anlauf scheiterte im November 2015. V. meldete sich mit einer Rückenverletzung verhandlungsunfähig, er sei auf einem Boot ausgerutscht, heißt es aus Justizkreisen.
Als SPIEGEL TV ihn auf Malta mit den Vorwürfen konfrontierte, während er mit dem Fahrrad durch den Straßenverkehr fuhr, wollte sich der Filmemacher nicht äußern.
Ob und wann es in Berlin zur Hauptverhandlung kommt, ist unklar. In der Justiz heißt es, vor dem Herbst werde nichts passieren.
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