Mutter starb an Krebs Fünfjähriger klagt gegen Heilpraktikerin

In München steht eine Heilpraktikerin vor Gericht. Der Vater eines Kindes wirft ihr in dessen Namen vor, der krebskranken Mutter von einer Strahlentherapie abgeraten zu haben. Die Frau starb.
Angeklagte Heilpraktikerin vor Gericht

Angeklagte Heilpraktikerin vor Gericht

Foto: Sven Hoppe/ dpa

Vor dem Oberlandesgericht (OLG) München klagt ein fünf Jahre alter Junge auf Schmerzensgeld von einer Heilpraktikerin, weil seine Mutter an Krebs gestorben ist. Die zentrale Frage im Prozess: Hat die Heilpraktikerin der an Gebärmutterhalskrebs erkrankten Frau dazu geraten, eine Strahlentherapie abzubrechen oder nicht?

Kläger ist der junge Sohn der Frau - vertreten durch seinen Vater. Der fordert Schmerzensgeld und Schadenersatz für sein Kind in Höhe von insgesamt rund 170.000 Euro. Das Landgericht Passau hatte die Klage abgewiesen, deshalb zog der Kläger eine Instanz weiter.

"Mit dem Kleinen ans Grab seiner Mama zu gehen", das sei "natürlich schon eine Hausnummer", sagt der 34 Jahre alte Maik S. vor Beginn der Verhandlung. "Er hat viel mitgemacht." Dennoch gehe es dem Kleinen gut, er sei ein fröhlicher Junge. Aber er frage schon, wo seine Mama sei.

Mutter war bereits bei Geburt krank

Als der Junge im April 2015 geboren wurde, war seine Mutter schon krank. Eine Strahlentherapie brach sie aber nach einigen Wochen ab. Von ihrer Heilpraktikerin wurde sie unter anderem mit Präparaten aus Schlangengift, sogenannten Horvi-Präparaten, behandelt. Die Heilpraktikerin habe, so stellt es die Klägerseite dar, schulmedizinische Ratschläge angezweifelt und "massiv auf die Geschädigte eingewirkt", sagt Anwalt Marcel Vachek.

Die Beklagte streitet das ab. Es sei der freie Wille ihrer Patientin gewesen, die Strahlentherapie abzubrechen. Sie habe der Frau im Gegenteil sogar geraten, "fühl mal in dich rein", ob sie sich nicht vorstellen könne, die Strahlentherapie wieder aufzunehmen. Im Übrigen wäre ihr Tod wahrscheinlich auch bei einer Fortsetzung der Therapie nicht zu verhindern gewesen - und die Patientin sei ab Ende Juni in Behandlung eines anderen Heilpraktikers gewesen.

Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen die Naturheilerin wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung wurde eingestellt.

Ein sachverständiger Heilpraktiker spricht vor Gericht von einer "roten Flagge für einen Behandler" bei der fortgeschrittenen Erkrankung der Frau. "In der Summe kann ich nicht verstehen, wie diese Warnsignale nicht adäquat beantwortet wurden", sagt er. "Man hätte erkennen müssen, dass der Zustand sich verschlechtert" - und der Patientin darum zu einer Strahlentherapie raten müssen.

Ob dieser Fehler in erster Linie bei der Beklagten liege oder bei dem anderen Heilpraktiker, könne er nicht sagen.

Gesundheitsministerium will Heilpraktikerbehandlungen prüfen

Immer wieder beschäftigen Heilpraktikerbehandlungen die Justiz. Heilpraktiker müssen zwar eine Prüfung beim Gesundheitsamt ablegen, bevor sie Diagnosen stellen oder Infusionen legen können. Voraussetzung für eine Anmeldung zur Prüfung ist aber nur das Mindestalter von 25 Jahren und ein Hauptschulabschluss. Die jetzigen Regeln gehen auf das Jahr 1939 zurück.

Die Große Koalition aus Union und SPD will sich der Sache annehmen und hat in ihrem Koalitionsvertrag Folgendes festgelegt: "Im Sinne einer verstärkten Patientensicherheit wollen wir das Spektrum der heilpraktischen Behandlung überprüfen." In diesem Zusammenhang hat das Bundesgesundheitsministerium ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben.

Maik S. hat vor dem Oberlandesgericht München ein Ziel, nämlich "dass diese Frau niemanden mehr behandeln darf". Er wolle "Frauen davor warnen, dass sie sich auf eine Heilpraktikerin einlassen", wenn sie an Krebs erkrankt sind.

Doch das Gericht nennt den Fall "noch nicht entscheidungsreif". Der Vorsitzende Richter wünscht dem Kläger einen Vergleich und, dass der Streit nun, fünf Jahre nach dem Tod der Frau, beigelegt werden könne. Er sagt: "Sie führen einen Krieg."

kko/dpa
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