Neonazi-Konzerte Das Geschäft mit dem Hass

2017 in Themar
Foto: MICHAELA REHLE/ REUTERSEs war ein Punktsieg im Kampf gegen den Rechtsextremismus in Thüringen. Mit einem juristischen Kniff verhinderten die Behörden Mitte Januar, dass der geschäftstüchtige Neonazi Tommy Frenck eine weitere Immobilie kaufte. Wohnungen für Alleinerziehende, Freizeitaktivitäten für Jung und Alt, soziale Wohltaten für Deutsche - so beschrieb Frenck das geplante Nutzungskonzept für die alte Fabrikantenvilla im südthüringischen Ort Kloster Veßra, die er erwerben wollte. Das Innenministerium fürchtete dagegen andere Absichten: mehr Platz für Frencks radikale Veranstaltungen, mehr Einnahmen, noch mehr Einfluss.
Doch Beamte bemerkten einen Formfehler, wegen eines Fristverstoßes muss die Versteigerung des Hauses nun wiederholt werden. Der Plan des Neonazis ist damit vorerst gestoppt. Landesinnenminister Georg Maier (SPD) gab sich zufrieden: "Es ist ein kleiner Erfolg".
Offenbar hat sich Maier zu früh gefreut. Denn das nächste Geschäft ist so gut wie gelaufen: Im Zentrum steht ein Gasthof mitsamt großem Grundstück, nur 17 Kilometer von Frencks Wirtshaus in Koster Veßra entfernt. Preis: rund 250.000 Euro. Käufer ist eine neu gegründete Immobilienfirma, der Geschäftsführer hat beste Kontakte zu Tommy Frenck und einem anderen Neonazi.
Konzerte als Einnahmequelle
Der neue Deal zeigt, wie viel Geld im rechtsextremen Milieu vor allem in Ostdeutschland inzwischen bewegt wird und wie wenig Behörden und Gesellschaft bisweilen entgegenzusetzen haben. Eine wichtige Finanzierungsquelle der Szene sind dabei Konzertevents und große Festivals. Im Jahr 2017 wurden bundesweit 289 rechte Musikveranstaltungen erfasst, der höchste Wert seit 2005. Im vergangenen Jahr dürfte die Zahl weiter gestiegen sein, darauf deuten erste Statistiken aus Sachsen hin, neben Thüringen die Hochburg solcher Veranstaltungen.
Große Festivals wie im thüringischen Themar erfreuen sich einer dauerhaften Beliebtheit in der rechtsextremen Szene. Mit Tausenden Besuchern setzen die Veranstalter dort in nur wenigen Tagen Zehntausende bis Hunderttausende Euro um. "Wir sehen eine Rückbesinnung der Rechtsextremisten auf Sammlungspunkte wie Konzerte und Events", sagt Henry Krentz, Analyst des sächsischen Verfassungsschutzes. "Viele feste Strukturen und Kameradschaften sind in den vergangenen Jahren zerfallen, das Personenpotenzial ist aber weiterhin vorhanden. Umso wichtiger werden gemeinschaftliche Erlebnisse wie eben Musikveranstaltungen."
Die Veranstalter verwenden das verdiente Geld nicht nur für ihren Lebensunterhalt oder um weitere Events zu finanzieren. Was die Sicherheitsbehörden besonders sorgt, sind die Investitionen von Neonazis in eigene Immobilien. Gerade in strukturschwachen, ländlichen Gebieten im Osten bieten sich für solvente Extremisten ideale Bedingungen.
"Es gibt in zu vielen Regionen einen fruchtbaren Boden für Rechtsextremisten. Viele stören sich nicht sonderlich an Rechten, die Immobilien kaufen, Restaurants betreiben oder andere Geschäfte machen", sagt ein Nachrichtendienstler. "Im Restaurant einer Szenegröße soll mittlerweile sogar die Freiwillige Feuerwehr der Gemeinde einkehren. Der Typ ist fest verankert im Dorfleben. Da ist in der Bevölkerung relativ wenig Widerstand zu erwarten", so der Beamte.
Einer der umtriebigsten Neonazis im Freistaat ist Tommy Frenck, der Immobilienbesitzer aus Kloster Veßra. Er betreibt einen Gasthof, führt einen in der rechtsextremen Szene beliebten Versandhandel und stellt Konzertevents im großen Stil auf die Beine. Bundesweit bekannt wurde er 2017 als Hauptorganisator des großen Rechtsrock-Festivals in Themar mit rund 7000 Besuchern. Behördenschätzungen zufolge soll der Gewinn allein bei dieser Veranstaltung im sechsstelligen Bereich gelegen haben. Verfassungsschützern zufolge investiert auch Frenck Gewinne aus dem Konzertgeschäft in neue Liegenschaften.

Tommy Frenck (Archiv)
Foto: SPIEGEL ONLINENeonazis, die in eigene Infrastruktur investieren: Eine Entwicklung, die seit Jahren zu beobachten ist. Die Mobile Beratung in Thüringen (MOBIT) zählt mittlerweile 15 Liegenschaften im Besitz von Neonazis. Im Jahr 2013 waren es noch neun. In Kürze könnte eine weitere hinzukommen.
Der Gasthof in Brattendorf wirbt auf seiner Website mit einem Biergarten und mehreren Veranstaltungsräumen, geeignet auch "für größere Feierlichkeiten". Der Betreiber will das Wirtshaus seit einiger Zeit verkaufen, nun steht ein Eigentümerwechsel kurz bevor. Käufer ist eine erst im November gegründete Immobilienfirma. Sie firmiert unter derselben Adresse wie der Gasthof. Geschäftszweck laut Bundesanzeiger: "Der Erwerb von Grundstücken zum Zweck der Vermietung und Verpachtung und das Betreiben gastronomischer Einrichtungen".
Alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma ist ein Versicherungskaufmann aus einem Ort nahe Saalfeld mit guten Kontakten in die rechte Szene. Ein öffentliches Foto auf Facebook zeigt ihn mit Kleidung aus Tommy Frencks Neonazi-Versand. Zudem ist der Mann Mitglied der öffentlichen Facebook-Gruppe "Junge Kameradschaft Zwickau" und - mehreren Einträgen auf Facebook zufolge - offenbar Stammgast in Frencks Gasthof in Kloster Veßra.
Die Befürchtung von Szenekennern und Sicherheitsbehörden: Der Geschäftsführer der Firma könnte ein Strohmann der Neonazis oder sogar für Frenck persönlich sein. Auch der thüringische Innenminister Maier sprach am Donnerstag im Landtag von Bestrebungen von Rechtsextremen, den Gasthof in Brattendorf zu erwerben. Sollten diese Einschätzungen zutreffen, stünde das Objekt zukünftig wohl für weitere Veranstaltungen zur Verfügung.
"Eigene Liegenschaften haben den Vorteil, dass Rechtsextreme unabhängiger bei der Organisation von Veranstaltungen werden", sagt ein Verfassungsschützer. Man sei weniger auf Genehmigungen angewiesen und habe weniger Ärger. "Wenn eine Immobilie erst einmal in der Hand entsprechender Leute ist, sind diese Strukturen nur noch schwer zu bekämpfen".
Facebook-Foto mit Landser-Shirt
Gegenüber dem SPIEGEL wollte sich der Geschäftsführer der Immobilienfirma nicht äußern. Tommy Frenck verneint auf Anfrage, hinter dem Gasthof-Deal zu stecken. Er habe keinen Euro für den Kaufpreis von 250.000 Euro hinzugegeben. Er kenne den Geschäftsführer zwar, so wie viele andere Personen in der Region auch. Er habe mit dem möglichen Kauf aber nichts zu tun.
Auffällig sind allerdings nicht nur Frencks Verbindungen zum Geschäftsführer selbst. Nach SPIEGEL-Informationen arbeitet inzwischen auch ein Aushilfskoch aus Frencks Restaurant in Kloster Veßra im Brattendorfer Gasthof. Der Koch macht aus seiner Gesinnung keinen Hehl: Auf Facebook trägt Benjamin D. ein T-Shirt der berüchtigten Neonazi-Band Landser. Befreundet ist er sowohl mit Tommy Frenck als auch mit dem Geschäftsführer der Immobilienfirma.
Auf telefonische Nachfrage beim Betreiber und Verkäufer des Gasthofs in Brattendorf heißt es, es stimme nicht, dass man das Objekt an die Rechten weitergebe. Warum ein Neonazi bei ihm in der Küche arbeite? "Er war der Erste, der ordentlich kochen kann".