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Wunderwaffe der Polizei: Sprühen, filmen, räumen

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Neuer Polizei-Wasserwerfer Der Nassmacher

400 PS unter der Haube, 10.000 Liter Wasser an Bord und fast eine Million Euro teuer: Die Polizei hat ihre neueste Waffe im Kampf gegen Randalierer vorgestellt. Der "Wasserwerfer 10.000" ist eine rollende Hightech-Festung, die Beamten sind begeistert.
Von Sven Stillich

Ein Wasserwerfer ist laut offizieller Sprachregelung ein "geschütztes Tankfahrzeug" und eigentlich kein Blickfang mehr - am allerwenigsten für Polizisten. Doch an diesem Tag ist bei der Bundespolizei in Sankt Augustin bei Bonn alles anders: Aufgeregt bestaunen Beamte in blauen und grünen Uniformen das Monstrum.

Die Beamten balgen sich darum, einmal auf dem Kommandoplatz sitzen zu dürfen, machen Fotos mit ihren Digitalkameras, tasten neugierig über Metall und Plastik - und posieren vor dem Gefährt für die Kollegen Zuhause.

Denn dieser Wasserwerfer ist kein üblicher, keiner von denen, die seit einem Vierteljahrhundert in Deutschland Demonstrationen auflösen und Platzverweise durchsetzen - es ist der "Wasserwerfer 10.000", ein Prototyp der neuesten Generation.

3300 Liter in der Minute

Fast zehn Meter lang ist der blau lackierte "Wawe 10" und so hoch, dass seine Windschutzscheibe erst über den Köpfen der Beamten beginnt, die um ihn herum stehen. Mehr als 400 PS treiben ihn an, 10.000 Liter Wasser passen in seinen Tank, 3300 Liter kann er pro Minute verschießen.

Und er ist mit modernster Technik ausgestattet: mit Digitalfunk, selbst wenn die Streifenbeamten noch analog kommunizieren müssen, mit Kameras und Mikrofonen und einer Festplatte, die den Einsatz aufzeichnet - "und endlich auch mit einer Klimaanlage", sagt ein Polizist.

Ein paar Meter weiter stehen Karl-Heinz Meyer und Achim Friedl und freuen sich. Friedl arbeitet beim Bundesinnenministerium und hat die Projektgruppe geleitet, die das Konzept für den "Wawe 10" erdacht hat. Meyer ist im Bundespolizeipräsidium für Technik zuständig. "Wir sind sehr stolz", sagt er, "denn wenn man weltweit der Erste ist, der so etwas Gutes hinbekommen hat, kann man nur stolz sein".

"Ganz friedlich"

900.000 Euro wird ein "Wawe 10" kosten. 50 Exemplare sind bestellt, über 78 Fahrzeuge läuft der Vertrag mit der österreichischen Firma Rosenbauer, deren Spezialgebiet eigentlich Feuerwehrwagen sind.

Die neuen Modelle werden die 117 "Wawe 9000"-Wasserwerfer ersetzen, die derzeit im Einsatz sind. 2014 soll geprüft werden, ob die Zahl ausreicht. Wenn nicht, werden mehr bestellt - "sollte Deutschland bis dahin ganz friedlich geworden sein, reichen uns vielleicht auch weniger", sagt Friedl.

Doch danach sieht es ganz und gar nicht aus.

"Die Gewalt gegen Polizeibeamte hat in radikalen Szenarien enorm zugenommen", sagt Friedl. Gleichzeitig begannen die technisch veralteten Geräte zu rosten. 26 Jahre hat der älteste Wasserwerfer der Republik auf dem Stahlbuckel, es ist ein Berliner. Die Flotte zu modernisieren, ist somit für Friedl unumgänglich.

"Schauen Sie sich an, was jeden 1. Mai in Berlin los ist oder was in Hamburg passiert", sagt der Referatsleiter. 440 Polizisten sind allein in dieser Nacht in der Hauptstadt nach offiziellen Angaben verletzt worden. "Was sollen wir da machen? Gummigeschosse einsetzen oder scharf schießen? Das brauchen wir nicht, wenn wir auch mit Wasser zum Erfolg kommen können."

Zum Erfolg kommen? Die Verletzungen, die ein Wasserwerfer anrichten kann, reichen von Augen- und Ohrenverletzungen über Blutergüsse bis zu Rippenbrüchen. Wer vor der neuen Maschine steht und kein Polizist ist, bekommt es schnell mit der Angst zu tun. Man denkt unwillkürlich an das Hamburger Schanzenfest im Sommer, als zwei herkömmliche "Wawes" in die Menge fuhren und Feiernde mit dem harten Strahl attackierten. Panik brach aus.

Kameras zeichnen das Geschehen auf

"Unsere Kunden werden natürlich kein Verständnis dafür haben", weiß Referatsleiter Friedl, "denn Links- und Rechtradikale werden merken, dass sie nun im Nachteil sind. Bei denen wird sich schnell herumsprechen, dass wir jetzt Kameras haben, die alles aufzeichnen."

Außerdem sei es nun nicht mehr möglich, auf den Wasserwerfer zu klettern, und auch die Scheiben seien bei dem Modell einwurfsicher. Der "Wasserwerfer 10.000" soll sogar den Aufprall einer Betonplatte, die aus dem dritten Stock eines Hauses geworfen wird, schadlos überstehen können.

Immer wieder betonen die beiden, dass die moderne Technik ihnen auch die Option biete, etwas sanfter mit ihren "Kunden" umzugehen. So könne bei dem aktuellen Modell der Druck des Wasserstrahls kaum dosiert werden, die drei Hohlstrahlrohre des 10.000ers jedoch seien in der Lage, mit einem weichen Strahl sogenannte Wasserglocken zu erzeugen.

Erst einmal "anfeuchten"

"Wenn Personen einen Platz nicht verlassen wollen, müssen wir nicht gleich mit dem heftigsten Strahl rangehen", sagt Karl-Heinz Meyer von der Bundespolizei, und Friedl fügt hinzu: "Da können wir erstmal 'anfeuchten', wie wir sagen." Das soll zu weniger Verletzungen führen. Damit die Beamten besser geschützt sind, kann das Fahrzeug Wasserwände schaffen, hinter denen die Einsatzkräfte vorrücken.

"Selbst das Design des Wasserwerfers ist so gestaltet, dass es Respekt einflößend wirkt", sagt Meyer. Die nach vorne geneigte Frontscheibe des Fahrzeugs sieht aggressiv aus, die nach hinten sich verjüngenden Linien auf den Außenseiten lassen das Fahrzeug bei all seiner Masse dennoch dynamisch erscheinen. "Das hat einen psychologischen Effekt", sagt Friedl zufrieden. "Der Neue hat eben ein ganz anderes Auftreten als der Alte."

Da ist er sich mit den Polizisten einig, die um ihn herum immer noch mit großen Augen ihren neuen Arbeitsplatz für sich entdecken. Fünf Beamte werden bei Einsätzen ein Team bilden, angeordnet wie fünf Punkte auf einem Spielwürfel: vorne links der Fahrer, rechts neben ihm ein Polizist, der sich um die Video- und Audiodokumentation kümmert, dazwischen thront der Kommandant vor seinen Monitoren und leitet zwei Beamten an, die hinter ihm sitzend per Joystick die Strahlrohre bedienen.

Deutsche Wasserwerfer aus Österreich

"Wir haben sogar Außenmikrofone", erklärt Projektgruppenleiter Guido Koch seinen Kollegen. "Wenn die draußen anfangen zu johlen, kann niemand später sagen, hier drinnen wurde genuschelt." Alle lachen.

Zweieinhalb Jahre wurde der "Wasserwerfer 10.000" geplant. "Das war sehr sportlich", wie Karl-Heinz Meyer sagt. Nun wird der Prototyp in Hamburg und Berlin erst einmal drei Monate lang getestet werden, anschließend vielleicht noch nachgebessert, und in der zweiten Hälfte kommenden Jahres soll das erste Serienfahrzeug geliefert werden.

Dann zeigt sich, ob der "Wawe 10" vielleicht sogar ein Exportschlager wird. Einige Staaten beobachten das Projekt genau. Überzeugt es, wollen sie in Zukunft deutsche Wasserwerfer aus Österreich kaufen.

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