Minderjährige Braut in Nigeria Rattengift als letzter Ausweg

Sani Garba, Vater des getöteten Bräutigams, mit einem Bild seiner Schwiegertochter Wasila Tasi'u: "Wir können ihr nicht vergeben"
Foto: AMINU ABUBAKAR/ AFPLagos/Hamburg - Für die einen ist Wasila Tasi'u Opfer, für die anderen grausame Täterin: Die 14-Jährige aus einer armen und strikt muslimischen Familie im Norden Nigerias muss sich vor Gericht verantworten, weil sie vier Menschen mit Rattengift getötet haben soll, darunter ihren 35-jährigen Ehemann. Der Fall spaltet Nigeria - er steht auch für die religiösen und kulturellen Gräben zwischen dem mehrheitlich muslimischen Norden und dem vorwiegend christlichen Süden des Landes.
Der Vater Tasui Mohammed versichert, seine Tochter sei alt genug gewesen für die Hochzeit und habe sich ihren Bräutigam sogar selbst ausgesucht. "Für uns ist sie kein Kind, es ist hier üblich, Mädchen mit 14 Jahren zu verheiraten", sagt auch der Vater des toten Bräutigams, Sani Garba. "Wir können ihr nicht vergeben." Der Polizeisprecher des Staates Kano, Musa Magajia Majia, ist hingegen überzeugt, dass Tasi'u aus Verzweiflung tötete, "weil sie von ihren Eltern gezwungen wurde, einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebte".
Schauplatz des Dramas ist das Dorf Unguwar Yansoro, rund 60 Kilometer von Nigerias zweitgrößter Stadt Kano entfernt. Nach Darstellung der Polizei mischte Tasi'u bei einem Fest im April rund zwei Wochen nach ihrer Hochzeit Rattengift ins Essen. Ihr Ehemann und ein weiterer Gast kamen laut "Daily Mirror" noch am gleichen Tag um . Später starben zwei weitere Menschen im Krankenhaus, die ebenfalls von dem vergifteten Reis gegessen hatten.
Tasi'u hat die Tat laut Polizei eingeräumt, allerdings weist ihre Anwältin Hussaina Aliyu darauf hin, dass die Aussage nicht bei Gericht verwendet werden kann: Die Minderjährige sei ohne Vormund oder Anwalt verhört worden.
"Meine Tochter wurde nie zu dieser Ehe gezwungen"
Eigentlich sollte der Prozess gegen Tasi'u am 4. August beginnen. Wegen eines Streiks des Gerichtspersonals wurde das Verfahren aber verschoben, ein neuer Termin steht noch nicht fest.
In Nigeria können Frauen unter 21 Jahren nur mit Zustimmung der Eltern heiraten. Hochzeiten sehr junger Mädchen sind im Norden weit verbreitet, vor allem auf dem Land. So berichtet Tasi'us Vater, auch sechs ihrer Schwestern seien bereits seit ihrem 14. Lebensjahr verheiratet. "Meine Tochter wurde nie zu dieser Ehe gezwungen", versichert er. "Sie wählte Umar aus drei Verehrern aus."
Nach den Stammesgebräuchen der Hausa informieren die Mädchen ihre Väter durch einen Boten über ihre Partnerwahl. Tasi'u schickte ebenfalls einen Freund, um ihren Vater zu unterrichten. "Sie versicherte mir, dass das ihre Wahl sei", sagt dieser. Warum sie ihren Mann dann getötet habe, könne er nicht verstehen.
Zwar ist Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen in dem westafrikanischen Land verboten. Doch die Scharia, die islamische Rechtssprechung, erlaubt ihn je nach Auslegung - das erschwert die Umsetzung des Verbots im muslimischen Norden. Menschenrechtler fordern unter Verweis auf das Gesetz die Aufhebung der Anklage gegen die 14-Jährige. Sie weisen zudem darauf hin, dass das Mädchen in der Ehe möglicherweise Gewalt ausgesetzt war.
Ein Freund des Bräutigams dringt hingegen auf eine strenge Bestrafung, schon allein, um Nachahmerinnen abzuschrecken: "Vier andere Frauen versuchten, ihre Männer zu vergiften", sagt Husseini Yansoro. "Sie fühlten sich ermutigt von dem rechtlichen Beistand für Wasila Tasi'u sowie von den Gerüchten über ihre baldige Freilassung." Bestätigt wurden die Gerüchte bislang allerdings nicht.
Der Onkel der Angeklagten versteht nicht, warum seine Nichte soviel Verständnis erfährt. Die Unterstützer des Mädchens hätten keine Ahnung vom Leben in der bitterarmen Gegend, sagt er: "Unsere Töchter gehen in keine modernen Schulen. Hier gibt es keine, wir haben nicht einmal eine Grundschule." Für sie sei eine Ehe noch die beste Perspektive. "Sobald sie 14 sind, verheiraten wir sie. Warum sollten wir sie zu Hause behalten?"