Asylunterkunft in NRW Wachleute sollen Flüchtlinge misshandelt haben

Private Sicherheitsleute sollen in mehreren Asylunterkünften in Nordrhein-Westfalen Flüchtlinge drangsaliert und gedemütigt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, Hagens Polizeipräsident vergleicht die Vorfälle mit denen in US-Gefangenenlagern.
Bildmaterial der Polizei: Sicherheitsleute in der ehemaligen Siegerlandkaserne in Burbach misshandeln Flüchtling

Bildmaterial der Polizei: Sicherheitsleute in der ehemaligen Siegerlandkaserne in Burbach misshandeln Flüchtling

Foto: DPA

Siegen/Essen - Das Foto, das die Polizei und das nordrhein-westfälische Innenministerium in Alarmbereitschaft versetzt hat, zeigt zwei Männer in Uniform, vor denen bäuchlings auf dem Boden ein Mann liegt. Er ist mit Handschellen gefesselt. Einer der beiden Uniformierten hat seinen rechten Fuß in den Nacken des Gefesselten gestellt, die beiden Männer in Uniform grinsen.

Es erinnert manche Ermittler bereits an Fotos aus US-Gefangenenlagern, die Folter und Misshandlung von Häftlingen zeigen. Aus dem Gefängnis Abu Ghuraib im Irak waren Bilder mit ähnlichen Szenen von US-Wachpersonal mit Häftlingen öffentlich geworden.

Bei den beiden Uniformierten handelt es sich offenbar um Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, bei dem gefesselten Mann um einen Asylbewerber. Ort der Demütigung: eine Flüchtlingsunterkunft im siegerländischen Burbach.

Die Polizei und die Staatsanwaltschaft in Siegen zeigten das Foto an diesem Sonntag im Rahmen einer Pressekonferenz. "Das sind Bilder, die man sonst nur aus Guantanamo kennt", sagte der Hagener Polizeipräsident Frank Richter. Es gebe Hinweise auf mehrere Körperverletzungsdelikte. Insgesamt wird gegen vier Verdächtige ermittelt. Der Vorwurf: gefährliche Körperverletzung. Für einen fremdenfeindlichen Hintergrund gibt es den Ermittlern zufolge bislang keine Anzeichen.

Auslöser der Ermittlungen war ein Video, das der Polizei von einem Journalisten zugespielt worden war. Darauf ist Polizeiangaben zufolge zu sehen, wie zwei Männer einen Flüchtling zwingen, sich auf eine Matratze mit Erbrochenem zu legen. Daraufhin führten Polizei und Staatsanwaltschaft Durchsuchungen bei verdächtigen Personen durch. Neben vier Schlagstöcken und einem Schlagring wurde auch das Foto sichergestellt, das sich auf einem Mobiltelefon befand. Die Aufnahme habe die Ermittler schockiert, sagte Matthias Stascheit, Leiter der Staatsschutzabteilung im Hagener Polizeipräsidium, SPIEGEL ONLINE.

Die Verdächtigen sind laut WDR bei der privaten Firma SKI angestellt gewesen. Dabei handelt es sich um ein Subunternehmen von European Homecare, das in Nordrhein-Westfalen sechs Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber und Flüchtlinge betreibt. Die zuständige Bezirksregierung in Arnsberg habe die Zusammenarbeit mit SKI aufgekündigt und wolle künftig stärkere Kontrollen für Subunternehmen einführen, berichtet der Rundfunksender.

Dem WDR-Magazin "Westpol" zufolge kam es in der Vergangenheit auch in einem Flüchtlingsheim in Essen zu Demütigungen und sogar zu Prügelattacken. Dem Magazin liegt ein ärztliches Attest vor, "in dem Verletzungen dokumentiert werden".

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger forderte eine rasche und umfassende Aufklärung der Vorfälle. "Wir dulden keine Gewalt gegen Asylsuchende. Wer Menschen in Not bedroht und schikaniert, muss hart bestraft werden", erklärte Jäger. Der SPD-Politiker betonte, dass für gewalttätige Rassisten in den Sicherheitsfirmen kein Platz sein dürfe: "Das gilt ohne Wenn und Aber. Gegen Sicherheitsunternehmen, die Geld für den Schutz unserer Unterkünfte kassieren und Kriminelle anheuern, werden wir hart vorgehen."

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) machte indirekt die Bezirksregierung Arnsberg für die Vorfälle mitverantwortlich: "Das sind die Auswüchse einer vollkommen fehlgeleiteten, schleichenden Privatisierung der inneren Sicherheit", sagte Sebastian Fiedler, NRW-Landesvorsitzender des BDK, SPIEGEL ONLINE. Der Schutz von Asylbewerbern und deren Unterkünften sei keine Privatangelegenheit, sondern hoheitliche Aufgabe: "Die Bezirksregierung Arnsberg hat jedoch, offenbar aus der Not heraus, diese Aufgabe in die Hände von Privaten gegeben, ohne zu überwachen, wen sie da genau beauftragt."

Mitarbeit: Jörg Diehl
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