Neonazi-Terror BKA-Chef räumt Versagen ein

BKA-Chef Jörg Ziercke vor Untersuchungsausschuss des Bundestags: "Wir haben versagt"
Foto: dapdBerlin - Seine Worte waren deutlich - und ließen doch viele Fragen offen: Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, hat schwerwiegende Fehler bei den Ermittlungen zur Zwickauer Terrorzelle eingestanden. Er bedauere, dass die deutschen Sicherheitsbehörden ihrem Schutzauftrag nicht nachgekommen seien, sagte der Polizeichef bei seiner Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Rechtsterrorismus. "Wir haben versagt", so Ziercke.
Im Grundsatz verteidigte er jedoch die Arbeit der Ermittler. Ziercke räumte zwar Fehler ein, ließ aber offen, wo diese geschehen seien. "Das Versagen hat viele Facetten", sagte er. Auf Nachfrage des Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) sagte er nicht explizit, dass das BKA selbst oder andere Behörden versagt hätten.
"Es war eine Niederlage für das BKA", sagte der Edathy nach der Befragung. Ziercke habe zwar grundsätzlich von einem Versagen der Ermittlungsbehörden gesprochen, aber keine Verantwortung übernehmen wollen. Seine Haltung sei "eher arrogant denn der Sache angemessen" gewesen, so Edathy.
Das BKA habe 2006 nicht die zentralen Ermittlungen übernommen, stattdessen sei aber eine zentrale Steuerungsstelle gegründet worden, argumentierte Ziercke. Dies sei ein "vertretbarer, guter Kompromiss" gewesen. Das BKA hatte das Bundesinnenministerium ersucht, die zentralen Ermittlungen übernehmen zu können. Diese Forderung war aber von der Innenministerkonferenz der Länder abgewiesen worden.
Für Unmut bei der Opposition sorgte Zierckes Darstellung, durch die Einrichtung der zentralen Steuerungsstelle seien möglicherweise weitere rechtsextreme Taten verhindert worden. Edathy bezeichnete dies als "hochspekulativ". Nach derzeitigem Ermittlungsstand hatte das Nazi-Trio seit 2006 keine weiteren rechtsmotivierten Morde begangen.
Der Ausschuss will mit der Befragung klären, welche Rolle Ziercke bei den Ermittlungspannen im Fall des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) gespielt hat. Die Gruppe soll von 1998 bis zu ihrem Auffliegen 2011 nahezu unbehelligt von den Sicherheitsbehörden im Untergrund gelebt und bundesweit zehn Menschen ermordet haben. Ziercke ist seit 2004 Präsident des BKA.
Empörung über Verfassungsschutz
Der Ausschuss zeigte sich empört darüber, dass der Verfassungsschutz noch nach Aufdeckung der Taten im vergangenen Jahr Akten vernichtet hat. Dies sei ein "unglaublicher Vorgang", sagte der FDP-Vertreter im Ausschuss, Hartfrid Wolff. Nach Angaben des Grünen-Abgeordneten Wolfgang Wieland bestätigte ein Vertreter des Bundesinnenministeriums vor dem Bundestagsgremium die Aktenvernichtung.
Demnach sollten die Ermittler am 11. November 2011 Akten für die Arbeit der Generalbundesanwaltschaft zusammenstellen, stattdessen seien am selben Tag Papiere vernichtet worden. An diesem Tag wurde öffentlich bekannt, dass die Tatwaffe der Mordserie an neun Migranten bei den Neonazis gefunden worden war.
"Das ist Konfetti der besonderen Art", sagte Wieland. Es stelle sich nunmehr die Frage, ob die Mitglieder der Neonazi-Zelle tatsächlich nicht auf der Gehaltsliste des Verfassungsschutzes standen. Der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger sagte, der Vorgang lasse Raum "für alle möglichen Theorien".
Die SPD-Vertreterin Eva Högl forderte, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) müsse lückenlos aufklären. "Der gesamte Vorgang ist unerträglich und muss Konsequenzen haben." Zu klären sei, ob hier "Fehler von Sicherheitsbehörden vertuscht" werden sollten. "Ganz offensichtlich hat der Bundesverfassungsschutz viel zu verbergen", sagte die Linken-Abgeordnete Petra Pau.
Friedrichs Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Er habe den Präsidenten des Kölner Bundesamts, Heinz Fromm, aufgefordert, "diesen Vorfall lückenlos aufzuklären und mir so rasch wie möglich zu berichten", so der Innenminister.
Gegen den für die Aktenvernichtung verantwortlichen Referatsleiter sei ein Disziplinarverfahren in Gang gesetzt worden, meldete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).
Das BfV will nun offenbar die gelöschten Akten zur umstrittenen Operation Rennsteig rekonstruieren. Dies habe ein BfV-Vertreter dem Untersuchungsausschuss des Bundestags angeboten, meldete die Nachrichtenagentur dapd unter Berufung auf Sicherheitskreise. Aus den Akten soll hervorgegangen sein, wie die Behörde und der Militärische Abschirmdienst (MAD) mit V-Leuten aus dem "Thüringer Heimatschutz" zusammengearbeitet hatten. Zum "Thüringer Heimatschutz" gehörten auch Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.
Den Angaben zufolge löschten die Verfassungsschützer noch am 11. November 2011 mindestens vier Akten über das umstrittene Projekt. Der NSU flog auf, nachdem Mundlos und Böhnhardt nach einem Banküberfall am 4. November 2011 im Wohnwagen von der Polizei umstellt worden waren und Suizid begangen hatten.