Beate Zschäpe im NSU-Prozess Erst heiter, dann wie versteinert
Für Beate Zschäpe begann der Verhandlungstag im NSU-Prozess ziemlich entspannt: Ein pensionierter Polizeibeamter trug unfreiwillig zur Unterhaltung des Gerichts bei. Aber dann wurde das zynische Bekennervideo der mutmaßlichen Terroristen gezeigt.
Beate Zschäpe wirkt an diesem Dienstag im Saal A101 des Münchner Oberlandesgerichts für eine Weile so, als könnte sie dem NSU-Prozess sogar eine heitere Seite abgewinnen. Bernd F. ist an diesem 160. Verhandlungstag als Zeuge geladen - und es hat ganz offensichtlich mit dem ziemlich unglücklichen Auftritt des pensionierten Polizeibeamten zu tun, dass die Hauptangeklagte immer wieder sichtlich vergnügt mit ihrem Verteidiger Wolfgang Heer plaudert.
Der Kriminalkommissar a. D. hatte Zschäpe 1996 vernommen, als in der rechtsextremen Szene Thüringens wegen eines Puppentorsos ermittelt wurde. Der Torso war damals an einer Autobahnbrücke nahe Jena aufgehängt und mit einem Davidstern sowie der Aufschrift "Jude" versehen worden, dazu gab es warnende Worte auf einem Schild: "Vorsicht, Bombe".
Nach Überzeugung der Anklage hatten Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den lebensgroßen Torso mit der Schlinge um den Hals aufgehängt. Bernd F. kann sich an die damalige Vernehmung Zschäpes nicht mehr erinnern. Er habe nicht mal mehr ein Bild von der damaligen Beschuldigten vor Augen, räumt er vor Gericht ein. "Ich muss doch nach 18 Jahren nicht mehr wissen, wie die aussah", sagt er. Es klingt trotzig.
Bemitleidenswerte Überforderung
Wäre es bei diesen verständlichen Lücken geblieben, dann wäre die Aussage des einstigen Kriminalkommissars wie eine unter vielen von Polizisten gewesen, die sich heute nicht mehr recht erinnern können. Aber bei Bernd F. kommt mehr hinzu: Der grauhaarige 65-Jährige fühlt sich von Anfang an nicht wohl in seiner Rolle. Manche seiner Ausführungen klingen so, als habe er den Verdacht, das Gericht wolle ihn zu ganz bestimmten und gewünschten Aussagen bringen.
Für ihn würden nur Fakten zählen: "'Ich bin der Meinung' und so, das habe ich mir alles abgewöhnt", sagt er etwa, von "Suggestivfragen" spricht er an anderer Stelle. Dabei drängt ihn hier niemand zu irgendetwas, er soll nur sagen, woran er sich erinnert.
Als Bernd F. mit seinem thüringischen Dialekt dann auch noch versehentlich von "Volkspolizisten" spricht, als es um die Ermittlerarbeit Mitte der Neunzigerjahre geht, wird es vorübergehend unruhig: Gelächter auf der Besuchertribüne, manche Prozessbeteiligte sind amüsiert, auch Zschäpe und ihre drei Anwälte wirken gelöst ob der bemitleidenswerten Überforderung des Beamten.
Und dann reicht eine kurze Verhandlungspause für einen abrupten Wechsel in Zschäpes Verhalten: Minutenlang sitzt sie wie abwesend da. Ein BKA-Beamter, der die Texte aus dem Bekennervideo des NSU verschriftet hat, nimmt auf dem Zeugenstuhl Platz. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl lässt mehrere Versionen des Videos zeigen. Noch einmal wird die zynische und menschenverachtende Ideologie des NSU deutlich.
Zschäpe sieht weg
Kein Räuspern im Saal, als in Neonazi-Musik "Kraft, Kraft, Kraft für Deutschland" besungen oder Enver Simsek, das erste Mordopfer des NSU, verhöhnt wird: In einem Video werden die gestellten Aufnahmen aus der TV-Reihe "Aktenzeichen XY" zu dem Mord an Simsek gezeigt. "Fälschung" steht dann dazu im Video, um schließlich auf das "Original" hinzuweisen: Zu sehen ist ein Foto von dem blutüberströmten Blumenhändler, das die Täter am 9. September 2000 offenbar selbst am Tatort gemacht hatten. Enver Simsek sei nun "klar, wie ernst uns der Erhalt der deutschen Nation ist", heißt es dazu in einer Textzeile.
Alle im Saal schauen sprachlos auf das Video. Nur eine nicht: Zschäpe. Die Frau, die nach Überzeugung der Anklage "auch in die Fertigung der DVD eingebunden war", wirft keinen einzigen Blick auf die Bilder, die auf zwei Wandseiten im Saal zu sehen sind. Stattdessen verschanzt sie sich hinter ihrem Laptop. Bewegt sich nicht, schaut nicht nach oben. Während die "Deutschlandtour NSU" mit den Morden der mutmaßlichen Terroristen läuft, starrt sie unentwegt auf ihren Monitor.
Ist das nachvollziehbar, weil die Hauptangeklagte vor dem Gericht und den Besuchern nicht noch einmal den Bildern folgen will, die hier schon einmal gezeigt wurden? Oder zeugt ihre Geste von einer Geringschätzung für das, worum es hier geht?
Sicher ist: Beate Zschäpe kann ihre Aufmerksamkeit im Gericht an- und ausschalten wie ein Licht. Als am Ende des Verhandlungstags längere Erklärungen verlesen werden, zupft sie an ihren Haaren und betrachtet ihre Fingernägel. Für heute hat sie es geschafft. Aber es geht weiter, morgen schon.
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