NSU-Prozess Wohlleben-Anwälte greifen Fristsetzung an

Ralf Wohlleben (Archiv)
Foto: Tobias Hase/ dpaDie Verteidiger des mutmaßlichen Beschaffers der NSU-Mordwaffe vom Typ "Ceska", Ralf Wohlleben, haben beantragt, sämtliche Richter im NSU-Prozess wegen Befangenheit abzulehnen. In einer einstündigen Erklärung warfen sie dem 6. Strafsenat des Münchner Oberlandesgerichts "Willkür" und "Überrumpelungstaktik" vor.
So habe das Gericht am Vortag überraschend eine nur einwöchige Frist für letzte Beweisanträge in dem Verfahren gesetzt. Andererseits habe der Senat erst vor wenigen Wochen neue Verhandlungstermine bis Januar 2018 geplant.
Es entstehe der "verheerende Eindruck", dass das Gericht es darauf absehe, "schnellst möglich" verurteilen zu wollen, so die Verteidiger. Das Fristenmodell sei gesetzeswidrig.
Außerdem sei es in einem Verfahren, das seit fast vier Jahren und 350 Hauptverhandlungstagen geführt werde, nicht verhältnismäßig, wenn zum Erstellen von weiteren Anträgen nur eine Zeit von vier Werktagen in Aussicht gestellt werde. Die Verfahrensbeteiligten seien getäuscht worden.
Man habe davon ausgehen können, dass das Gericht mit seinem Beweisprogramm noch lange nicht am Ende sei. In Anbetracht von über 580 vernommenen Zeugen, hunderten eingeführten Urkunden und Asservaten, 3000 Seiten, die in Computerschrift während des Verfahrens mitgeschrieben worden seien, sei es unmöglich innerhalb einer so kurzen Zeit Anträge zu stellen.
Das Fristenmodell sei vom Gesetzgeber dafür vorgesehen, auf Anträge, die vorrangig zur Verschleppung des Verfahrens gestellt werden, zu reagieren. Es sei jedoch kein einziger Antrag wegen Verschleppung abschlägig beschieden worden.
Wohllebens Anwälte griffen auch an, dass das Gericht die Vernehmung eines von ihnen beantragten Zeugen ablehnt. Einerseits habe sich der Senat in Schriftwechseln mit Ärzten bemüht, zu erfahren, unter welchen Umständen der psychisch erkrankte Zeuge geladen werden könne.
Dann aber habe das Gericht den Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, der Zeuge sei "aus tatsächlichen Gründen" bedeutungslos.
In dem Prozess geht es um die Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds". Hauptangeklagte ist Beate Zschäpe, der die Bundesanwaltschaft Mittäterschaft vorwirft.
Wohlleben soll zusammen mit dem Mitangeklagten Carsten S. für Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in der ersten Jahreshälfte 2000 die Waffe Ceska 83 beschafft haben, mit der zwischen September 2000 und April 2006 neun Kleingewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft getötet wurden.