Strafe für Ex-Politikerin aus Österreich Belästigt, verklagt, verurteilt

Die frühere österreichische Grünen-Politikerin Sigi Maurer hat obszöne Nachrichten an sie öffentlich gemacht - samt mutmaßlichem Absender. Der verklagte sie. Nun ist sie wegen übler Nachrede verurteilt worden.
Sigi Maurer

Sigi Maurer

Foto: DPA/ APA

Es war ein denkwürdiger Prozess in einem ebenso beachtenswerten Fall; es galt auszuloten, wie eine Frau sich gegen sexuelle Belästigung wehren darf und wo Selbstjustiz beginnt: Die frühere österreichische Grünen-Politikerin Sigi Maurer, 33, hatte im Mai via Twitter zwei obszöne, sexistische Nachrichten an sie veröffentlicht. Die Botschaften waren ihr vom Facebook-Postfach des Wiener Bierladenbesitzers Albert L. geschickt worden.

Maurer, von 2013 bis 2017 Abgeordnete im österreichischen Parlament, begründete ihren Schritt damit, dass solche Nachrichten nach österreichischem Recht nicht strafbar seien. Sie habe sich nicht anders zu helfen gewusst, als die üblen Zuschriften samt Absender öffentlich zu machen.

L. wehrte sich daraufhin juristisch. Er sah sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und in seiner wirtschaftlichen Existenz vernichtet. Er verklagte Maurer wegen übler Nachrede und Kreditschädigung, forderte 60.000 Euro. Die Botschaften habe er gar nicht verfasst und wisse auch nicht, wer dahinterstecke. Sein Computer stehe in seinem Laden und sei öffentlich zugänglich gewesen, auch für Kunden.

Das Landesgericht für Strafsachen in Wien hat Maurer nun wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro sowie zu einer Zahlung an L. "wegen erlittener Unbill" in Höhe von 4000 Euro verurteilt. Hinzu kämen die Prozess- und Anwaltskosten, die die Strafe und Entschädigung wohl übersteigen dürften, wie Richter Stefan Apostol in der Urteilsbegründung sagte.

"Aus achtbaren Beweggründen" gehandelt

Nicht verurteilt wurde Maurer wegen Kreditschädigung. Das hätte vorausgesetzt, dass Maurer absichtlich eine falsche Tatsachenbehauptung verbreitet hätte, um L. zu schaden. Das Gericht glaubte Maurer aber, dass sie davon ausging, L. habe die Texte verfasst.

Dafür hatte Maurer guten Grund. Schließlich war sie kurz vor Erhalt der Facebook-Nachrichten vor L.s Geschäft von Männern belästigt und angepöbelt worden. Beide Mitteilungen waren wenig später von L.s Postfach an sie verschickt worden. Und in beiden war jene spezielle Schreibweise zu erkennen, die auch auf L.s Facebookseite sowie auf der Homepage seines Bierladens zu finden war: ein Leerzeichen vor mehreren Ausrufezeichen.

Sigrid Maurer, von den meisten Sigi genannt, hatte nie bestritten, die Nachrichten, die sie erhalten hatte, veröffentlicht zu haben. Damit habe sie die Tat eingeräumt, befand das Gericht. Jedoch habe sie keine Reue gezeigt, daher habe das Geständnis nicht strafmildernd gewirkt, begründete Richter Apostol das Urteil.

Für Maurer sprach laut Gericht hingegen, dass sie bislang unbescholten gewesen sei und "aus achtbaren Beweggründen" gehandelt habe. Allerdings habe sie dies nicht im privaten Umfeld, sondern per Screenshot auf Twitter getan. Damit müsse an Maurer derselbe Maßstab angelegt werden wie an ein Medienunternehmen. Es gelte die journalistische Sorgfaltspflicht.

Gericht glaubt in weiten Teilen dem Kläger nicht

Maurers Anwältin Maria Windhager hatte argumentiert, es sei doch "etwas zu viel verlangt", wenn Maurer nach den üblen Zuschriften den Belästiger auch noch hätte kontaktieren müssen, um ihn zu fragen, ob er die Nachrichten wirklich verfasst habe.

Sichtlich erschüttert waren Windhager und Maurer darüber, dass in diesem Fall eine "Täter-Opfer-Umkehr" stattgefunden habe. Einer der Anwälte L.s hatte Maurer am ersten Prozesstag Anfang September gefragt, warum sie denn nicht die Straßenseite wechsele, wenn sie wisse, dass sie vor L.s Geschäft sexuell belästigt werde.

Richter Apostol erklärte in seiner Urteilsbegründung, er glaube, dass Geschäftsmann L. "in weiten Teilen die Unwahrheit" sage. Aber es sei im Laufe des Prozesses nicht gelungen, ihm nachzuweisen, dass er die üblen Texte wirklich geschickt habe. Auch ein Einzelverbindungsnachweis, wonach L. zum Zeitpunkt des Absetzens der ersten Nachricht mit seiner Frau telefonierte und mithin im Laden gewesen sein muss, genügte nicht als Beweis, dass L. selbst vor Ort war - er behauptete, er habe sich vor dem Geschäft aufgehalten und geraucht.

Das Gericht befand auch, die merkwürdige Rechtschreibung deute zwar auf L. als Verfasser der obszönen Texte hin. Aber auch der Administrator der Website, der frühere Ladenbesitzer und Freund L.s, sei als Urheber nicht ausgeschlossen. Er lege vergleichbar schlechte Rechtschreibkenntnisse an den Tag. Hätte Maurer die Urheberschaft der schmierigen Nachrichten zweifelsfrei beweisen können, wäre ihre Tat nicht strafbar gewesen, sagte Richter Apostol.

"Trotzdem werde ich verurteilt"

Und so wurde eine Frau verurteilt, die "den mutigen Schritt an die Öffentlichkeit gewagt hat", wie Anwältin Windhager sagte. Und obwohl der Mann, von dem diese Frau glaubt, belästigt worden zu sein, selbst nach Ansicht des Gerichts in weiten Teilen die Unwahrheit sagt.

Maurer will nun in Berufung gehen. Auf Twitter schrieb sie: "Der Richter befindet, Herr L. lügt und er glaubt alles was ich sage. Trotzdem werde ich verurteilt."

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Sie ist nicht die einzige, die mit dem Urteil unzufrieden ist: L. erwägt gegen Maurer weitere rechtliche Schritte.

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