Organspendeskandal Ermittler durchsuchen Wohnung von zweitem Arzt

Der Göttinger Organspendeskandal weitet sich aus: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen einen zweiten leitenden Mediziner der Universitätsklinik. Ermittler durchsuchten seinen Arbeitsplatz und seine Wohnung.
Universitätsmedizin Göttingen (UMG): Ein zweiter Arzt wurde freigestellt

Universitätsmedizin Göttingen (UMG): Ein zweiter Arzt wurde freigestellt

Foto: Julian Stratenschulte/ dpa

Hamburg - Das gesamte Ausmaß des Skandals um Organtransplantationen in Göttingen ist noch nicht überschaubar. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt nun gegen einen zweiten Mediziner. "Dabei handelt es sich um einen Arzt in leitender Funktion aus dem klinischen Bereich des Universitätsklinikums Göttingen", sagte Staatsanwalt Klaus Ziehe und bestätigte damit einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung" ("SZ").

"Der Mediziner war mit Voruntersuchungen der Patienten befasst und könnte dabei möglicherweise Daten gefälscht haben", sagte Ziehe SPIEGEL ONLINE. Am Mittwoch seien die Wohnung und der Arbeitsplatz des Mannes durchsucht worden: "Es wurden Unterlagen und Daten im Zusammenhang mit sämtlichen Lebertransplantationen der vergangenen zwei Jahre sichergestellt."

Ein Sprecher der Universitätsmedizin Göttingen sagte, bei dem zweiten Beschuldigten handele es sich um einen Mediziner der Abteilung Gastroenterologie. Dieser sei "bis auf weiteres" freigestellt worden. Eigene Ermittlungen hätten zu dem "sich erhärtenden Verdacht" geführt, dass der Mediziner an den Machenschaften beteiligt gewesen sein oder eigenverantwortlich Manipulationen vorgenommen haben könnte. Die Uni-Klinik habe ihre Erkenntnisse umgehend der Staatsanwaltschaft mitgeteilt.

An dem niedersächsischen Krankenhaus sollen in Dutzenden Fällen Gesundheitsdaten gefälscht worden sein, um bestimmten Patienten eine schnellere Lebertransplantation zu ermöglichen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben inzwischen in 22 Fällen.

Im Zentrum der Ermittlungen steht der ehemalige Leiter der Transplantationsmedizin. Der 45-Jährige soll Akten gefälscht und so dafür gesorgt haben, dass eigene Patienten kränker erschienen, als sie waren, um bei der Verteilung von Spenderlebern bevorzugt zu werden.

Die beiden Ärzte haben laut Staatsanwaltschaft bisher keine Angaben zu den Vorwürfen gemacht.

Unregelmäßigkeiten an Uni-Klinik Regensburg

Der Organspendeskandal berührt inzwischen auch das Universitätsklinikum Regensburg (UKR), wo der 45 Jahre alte Transplantationsmediziner vor seiner Anstellung in Göttingen gearbeitet hatte. Einem Bericht der "SZ" zufolge sollen jordanische Patienten verbotenerweise auf die Warteliste für europäische Transplantationsanwärter gesetzt worden sein. Außerdem soll in einem Fall eine Leber in Jordanien transplantiert worden sein.

Der Klinik zufolge gab es von 2004 bis 2008 eine Kooperation mit dem Jordan Hospital in Amman. Ziel sei gewesen, vor Ort ein Lebendspende-Lebertransplantationsprogramm aufzubauen und wissenschaftlich zu begleiten, betonte Kliniksprecherin Cordula Heinrich auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE.

Bei einer Lebendspende spendet ein Angehöriger des Patienten einen Teil seiner Leber. Dabei werden keine Organe von Verstorbenen transplantiert.

Im Rahmen der Kooperation habe es einige Unregelmäßigkeiten gegeben, räumte Heinrich im Hinblick auf den "SZ"-Bericht über die Warteliste ein. Es habe Fälle von Lebendspenden gegeben, in denen Patienten mit angehörigen Spendern in Deutschland operiert werden sollten und dadurch auf die Warteliste gekommen seien. Einige Kranke seien nicht von der Liste genommen worden, obwohl sie dann doch in Jordanien operiert worden seien.

Aber nur in einem Fall sei eine Leber aus Deutschland in Jordanien transplantiert worden. "Das hätte so nicht sein sollen", räumte Heinrich ein und betonte, der Fall sei damals intern und extern umfassend geprüft worden: "Dabei konnte kein Gesetzesverstoß des besagten Oberarztes festgestellt werden."

Die Staatsanwaltschaft stellte ihre Untersuchungen damals ein. "Die Klinik hat Konsequenzen aus den Vorfällen gezogen und seitdem ausführliche Richtlinien zur Transplantationen mit Ausländern aufgestellt", erläuterte Heinrich.

siu
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten