Gesetzentwurf Drei Jahre Haft für "polnisches KZ"

Mehrere Nazi-Konzentrationslager standen im heutigen Polen. Um das Andenken des Landes zu schützen, will die Regierung den Ausdruck "polnisches KZ" unter Strafe stellen. Kritiker vermuten eine andere Agenda.
Ehemaliges KZ Auschwitz

Ehemaliges KZ Auschwitz

Foto: PAWEL ULATOWSKI/ REUTERS

Polens Regierung hat ein neues Gesetz auf den Weg gebracht. Es sieht Haftstrafen von bis zu drei Jahren für Personen vor, die von "polnischen Konzentrationslagern" sprechen, wenn die Rede von Lagern des NS-Regimes ist, die die Nazis auf dem Gebiet des heutigen Polen betrieben. Hintergrund ist, dass immer wieder von "polnischen KZs" gesprochen wird - dieser Fauxpas unterlief selbst schon US-Präsident Barack Obama.

Die Regierung der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) befürchtet, dass mehr als 70 Jahre nach Kriegsende durch einen Ausdruck wie "polnische Konzentrationslager" in Vergessenheit geraten könnte, wer Treblinka, Auschwitz und andere KZs betrieben hat: die Besatzer aus Nazideutschland - und nicht Polen. Im Zweiten Weltkrieg kamen rund 5,5 Millionen Polen ums Leben, davon rund drei Millionen Juden.

"Unsere Mütter und Väter waren nicht für die Verbrechen des Holocausts verantwortlich", sagte Justizminister Zbignew Ziobro. "Diese wurden von Deutschen und Nazi-Kriminellen auf besetztem polnischen Gebiet begangen." Es sei die Aufgabe der Regierung, die Wahrheit und die Würde Polens sowie der Eltern- und Großelterngeneration zu schützen.

Das Gesetz wird seit Jahren diskutiert. Ursprünglich waren Haftstrafen von bis zu fünf Jahren vorgesehen. Laut Justizministerium soll Haft nur gegen Personen verhängt werden, die bewusst "polnische Todeslager" oder Ähnliches sagen, um das Land in Verruf zu bringen. Wer unabsichtlich vergleichbare Worte benutzt, soll geringere Sanktionen wie Geldstrafen erhalten.

Dem Gesetz werden im Parlament gute Chancen eingeräumt. Dort hat die PiS eine Mehrheit. Auch in der Bevölkerung erfährt das Vorhaben Unterstützung. Manche Polen sind der Ansicht, dass es sich kaum von Gesetzen in anderen Ländern wie Deutschland unterscheide, die die Leugnung des Holocaust unter Strafe stellten.

Kritiker bemängeln, es handle sich um reine Symbolpolitik. Die Regierung könne auch mit einem solchen Gesetz niemanden in anderen Ländern bestrafen - und damit die Personen, die am ehesten von "polnischen Konzentrationslagern" sprechen würden. Zudem wird befürchtet, der eigentliche Zweck des Gesetzes sei, die Aufarbeitung des Umgangs von Polen mit Juden zu unterdrücken.

Das Land arbeitete zwar nie mit den Nazis zusammen, viele Polen riskierten ihr Leben, um Verfolgte zu retten. Die israelische Gedenkstätte Jad Vaschem erinnert deswegen an mehr als 6000 Polen als "Gerechte unter den Völkern" - mehr als aus jedem anderen Land.

Aber es gab in Polens Bevölkerung auch einzelne Kollaborateure, die Juden umbrachten oder an die Deutschen verrieten. Das läuft der nationalistischen Deutungsweise der Regierung zuwider. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die heroischen Aspekte der polnischen Geschichte herauszustellen.

ulz/AP
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