Polizei-Skandal Scotland-Yard-Chef zeichnete heimlich Telefonate auf
London - Die Stimmen derer, die an Ian Blair zweifeln, werden immer lauter. Im vorigen Juli war es nach den Terroranschlägen auf die Londoner U-Bahn unter seiner Leitung zu einer fatalen Panne gekommen: Scotland-Yard-Beamte hatten den unschuldigen Brasilianer Jean-Charles de Menezes in der Londoner U-Bahn erschossen, weil sie ihn irrtümlich für einen Terroristen hielten. Blair hatte auch nach dem Zwischenfall an seiner "Shoot-to-kill"-Strategie festgehalten - dass Terrorverdächtige im Zweifel mit einem gezielten Schuss getötet werden dürfen.
Nun habe Blair ein Gespräch mitgeschnitten, das er mit dem obersten Rechtsberater der Regierung, Lord Peter Goldsmith, geführt hatte, teilte die Polizei mit. In der Unterhaltung ging es um eine Gesetzesänderung zur Verwendung von abgehörten Telefonaten. Außerdem habe er Telefonate mit Ermittlern mitgeschnitten, die die Menezes-Panne untersuchten. Lord Goldsmith sagte, er sei wütend und enttäuscht. Seine Sprecherin teilte inzwischen mit, Blair habe sich heute entschuldigt. Die Kontrollbehörden sollen sich heute mit den Vorwürfen befassen.
Der Polizeichef setzte sich mit den Worten zur Wehr, der Mitschnitt von Gesprächen zum privaten Gebrauch sei erlaubt. Verboten sei nur die Weiterverwendung von solchen Aufnahmen ohne Einwilligung der Gesprächspartner. Ob er allerdings in seiner Position als ranghöchster britischer Polizist zu halten sein wird, ist fraglich. Schon im Juli hatten Politiker, Juristen und auch die Familie des erschossenen Brasilianers immer wieder Ian Blairs Rücktritt gefordert.
Richard Barnes, konservatives Mitglied der Kontrollbehörde, forderte Blair auf, sich seiner Position entsprechend verantwortlich zu verhalten. "Das Ansehen von Scotland Yard muss an vorderster Stelle stehen und unter allen Umständen gewahrt werden", sagte Barnes der BBC. Die Chefin der britischen Bürgerrechtsbewegung "Liberty", Shami Chakrabarti, forderte den Rücktritt des Polizeichefs. Sie bezeichnete das Verhalten des Scotland-Yard-Chefs als "bizarr". Was er getan habe, sei "verfassungswidrig, unethisch und vermutlich auch unrechtmäßig". "Er macht es allen sehr schwer, ihm als obersten Polizisten in diesem Land noch zu vertrauen", sagte Chakrabarti.
ffr/AFP/dpa