Für die Polizeibehörden Bayerns, Thüringens und Nordrhein-Westfalens sind Homosexuelle offenbar eine besondere Tätergruppe. Die Ermittler verwenden eine Software mit einem speziellen Register für Schwule und Lesben, ihre Treffpunkte werden als potentielle Tatorte klassifiziert.
Hamburg - Das Programm kann nach Informationen des SPIEGEL alle in Straf- oder Ermittlungsverfahren verwickelten
Personen, also Täter, Opfer und Zeugen, mit ihrer homosexuellen Orientierung
registrieren. Homosexuelle werden als Tätergruppe klassifiziert und
"Aufenthaltsorte von Homosexuellen" als potentielle Tatorte.
Bayerns Innenminister
Günther Beckstein (CSU) und seine Kollegen scheinen zu übersehen, dass 1994
der Homosexuellenparagraf gänzlich gestrichen worden ist. Bei der Eingabe von
Ermittlungsergebnissen in die Systeme "IGVP" und "PVP" kann die Polizei die jeweiligen
Fälle und die beteiligten Personen der Kategorie "homosexuell" zuordnen. Mit dem Kürzel *omosex* ist es den Ermittlern möglich, sämtliche entsprechenden
Datensätze abzurufen, einschließlich der Personalien der
gespeicherten Personen.
Die Datenschutzbeauftragte von Nordrhein-Westfalen,
Bettina Sokol, hält das Verfahren für "höchst bedenklich". Angaben über sexuelle
Orientierung gehörten zur Kategorie "besonders schützenswürdiger personenbezogener
Daten, die nur unter strengen Voraussetzungen verarbeitet werden dürfen",
sagt Sokol. "Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor."
Nordrhein-Westfalen und
Bayern haben das Stichwort "Aufenthaltsort von Homosexuellen"
inzwischen zwar sperren lassen, "Homosexuelle" als Tätergruppe bleibt aber nach
wie vor gültig.
Ein Sprecher des thüringischen Innenministeriums bezeichnet die
Software als "historisch überholt" und sieht "Überarbeitungsbedarf". In einem Brief
an die Innenminister Thüringens und Bayerns schreibt der Grünen-Bundestagsabgeordnete
Volker Beck, die Polizeisoftwares IGVP und PVP ließen "ungute Erinnerungen
an die alte polizeiliche Praxis der ,Rosa Listen' wach werden". Im "Dritten
Reich" dienten die der Verfolgung von Schwulen. Der Verband lesbischer und
schwuler Polizeibediensteter geht davon aus, dass die Speicherung der Daten von
Homosexuellen nicht nur in Bayern, Thüringen und Nordrhein-Westfalen üblich ist,
sondern auch in anderen Bundesländern.
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