Polizeigewerkschaft Kleinkrieg unter Kriminalisten

Im elitären Bund Deutscher Kriminalbeamter tobt ein unschöner Machtkampf. Der langjährige Vorsitzende wurde abgesetzt, er wehrt sich vor Gericht gegen seine Kündigung. Zugleich ermittelten Kollegen gegen ein anderes Vorstandsmitglied.
Früherer BDK-Vorsitzender Jansen: Gegen Kündigung geklagt

Früherer BDK-Vorsitzender Jansen: Gegen Kündigung geklagt

Foto: ECKEHARD SCHULZ/ ASSOCIATED PRESS

Berlin - Die alljährlich stattfindenden Sicherheitsgespräche sind für den Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in etwa das, was Ostern für die katholische Kirche ist. Das höchste Fest im liturgischen Kalender.

Insofern war es eher unglücklich, als unlängst der derzeitige BDK-Chef André Schulz in Berlin als "amtierender Bundesvorsitzender" begrüßt wurde. "Kommissarischer Vorsitzender" wisperte ein Beamter des Bundeskriminalamts (BKA) noch aus dem Publikum, doch da war es schon zu spät. Es blieb die Erkenntnis, dass die Binnenverhältnisse der kleinen, aber feinen Polizeigewerkschaft derzeit selbst für Insider etwas unübersichtlich sind. Vorsichtig formuliert.

Direkter wird ein Funktionär des Verbands, der ganz unverhohlen von "einem Putsch" spricht und davon, dass es nun "zwei Päpste" gebe. Fakt jedenfalls ist: Der in der Öffentlichkeit sehr angesehene Bundesvorsitzende Klaus Jansen wurde bereits zwei Jahre vor dem Ende seiner Amtszeit abgesetzt - und das geschah alles andere als einvernehmlich. Inzwischen wehrt sich Jansen gerichtlich gegen seine Kündigung, die er als wirkungslos betrachtet.

BDK-Sprecher Bernd Carstensen mochte die Hintergründe der Personalie auf Anfrage nicht kommentieren: "Wir werden das nicht öffentlich austragen." Jedoch handele es sich keinesfalls um einen "Putsch", sondern um einen "normalen Wechsel", der Folge unterschiedlicher Auffassungen von der inhaltlichen Positionierung der etwa 12.500 Mitglieder starken Gewerkschaft gewesen sei.

Der Streit zwischen dem Bundesvorsitzenden und seinem Vorstand schwelte jedenfalls schon länger, doch im vergangenen Jahr eskalierte er schließlich. Es ging ums Geld dabei, sicherlich, aber wohl auch um die Egos einflussreicher Männer, denen Durchsetzungsfähigkeit, Frustrationstoleranz und Beharrlichkeit berufliche Kernkompetenzen sind. Rechnen dagegen ist vielleicht nicht unbedingt ihr Ding.

So war bei einer Kassenprüfung 2009 aufgefallen, dass die Gewerkschaft ihrem Chef Jansen jahrelang zu wenig gezahlt hatte. Versehentlich. Man verständigte sich deshalb, in einem neuen Kontrakt die bis dahin ziemlich verworrene Vertragslage des freigestellten BKA-Ermittlers zu vereinfachen. Grundgedanke dabei war, dass der Gewerkschaftsvorsitzende auch mit einem Fixgehalt nicht schlechter gestellt werden sollte als in seinem eigentlichen Beruf als Beamter.

Hinzu kam aber, dass der BDK den bis dato unbefristeten Vertrag seines Vorsitzenden plötzlich befristen wollte, worauf sich der wiederum nicht einlassen mochte. Außerdem verlangte die Kriminalistenvereinigung, dass ehrenamtliche Nebentätigkeiten Jansens künftig genehmigt werden müssten - was dem engagierten Überzeugungstäter ebenfalls gegen den Strich ging. Oder um es mit den Worten eines früheren Bundespräsidenten zu sagen: Hier wurde der Rubikon überschritten.

"Bruchstücke dieses Theaters"

Jedenfalls waren die Fronten sehr schnell ziemlich verhärtet und die Kriminalbeamten stritten sich wie die Kesselflicker - weshalb ein Gewerkschafter schließlich per Mail anmerkte, dass es bei den Verhandlungen offensichtlich nicht "um eine Entgeltentscheidung", sondern in Wirklichkeit um "eine Entscheidung zur Person des Bundesvorsitzenden" ging.

Auch der Kassenrevisor schrieb in einer Nachricht an den großen Verteiler: "Wenn auch nur Bruchstücke dieses Theaters an die Öffentlichkeit im Sinne von BDK-Mitgliedern (…) kommen, dann können wir uns Aktionen wie Schnuppermitgliedschaften oder ähnliches an die Backe schmieren." Die Kollegen, so ging es sprachlich etwas verwirrt weiter, "werden uns ob dieser selbstverspielten bewussten und/oder unbewussten Inkompetenz den Rücken kehren und viele werden nur noch lachen."

Also hielt man dicht und setzte den Streit fort.

Immer mehr Vorstandsmitglieder und Landesfürsten sprachen sich nun gegen den Bundesvorsitzenden aus und drängten auf einen außerordentlichen Delegiertentag. Als offizieller Grund galt ihnen dabei die "Zerstörung des Vertrauensverhältnisses" zwischen den Funktionären und Klaus Jansen. Bei dem Treffen wollten sie ihm einen "ehrenvollen Rücktritt" und dem Verband einen "geräuscharmen Neubeginn" ermöglichen, wie ein Gewerkschafter notierte.

Die Zusammenkunft im vergangenen August allerdings geriet dann vollends zum Debakel. Die Diskussion sei aus dem Ruder gelaufen sei, erinnerte sich ein Teilnehmer, es kam zu Vorwürfen, Unterstellungen, Beleidigungen. Die Herren wurden laut. Am Ende war klar, dass die Zeit des BDK-Chefs Jansen abgelaufen war. Ihm fehlte die Gefolgschaft, das war überdeutlich geworden.

Streit, Kündigung, Klage

Daher verständigten sich die Kriminalisten darauf, dass Jansen zurücktreten und später für das Präsidentenamt der europäischen Polizeigewerkschaft CEFP kandidieren würde. Es wäre eine elegante Lösung gewesen, von der alle profitiert hätten und die der BDK in einer zwei Sätze umfassenden Pressemitteilung der Öffentlichkeit mitteilte. Das Problem war nur: Der Streit ging trotzdem weiter.

Einen Aufhebungsvertrag, der ihn bald erreichte, mochte der Familienvater Jansen nicht unterschreiben, ohne eine berufliche Perspektive zu haben. Der Gewerkschaftsvorsitzende bat seinen Verband also um etwas Zeit, er wollte die Präsidentschaftswahlen der CEFP im Frühjahr 2012 abwarten und wies im Übrigen darauf hin, dass seine Amtszeit eigentlich doch bis zum November 2013 dauert.

Das wiederum brachte den BDK auf, der seinem Vorsitzenden daraufhin kündigte und schrieb: "Bitte setzen Sie sich wegen der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses kurzfristig mit uns in Verbindung."

Was Jansen nicht tat. Stattdessen zog er vor Gericht.

Eine Entscheidung der Justiz steht noch aus, doch inzwischen hat sich der Ton zwischen den Parteien abermals verschärft. Ein BDK-Funktionär mailte dem geschassten Bundesvorsitzenden und setzte gleich eine erkleckliche Anzahl Kollegen in Kopie: "Ich bedauere es außerordentlich, Klaus Jansen jemals zu meinen befreundeten Kollegen gezählt zu haben. (…) Sein unwürdiges Verhalten ist aus meiner persönlichen Sicht in jedweder Hinsicht zutiefst schamlos."

Und als wäre die Lage nicht schon peinlich und verfahren genug, zanken die Gewerkschaft und ihr früherer Vorsitzender nun auch noch über Reisespesen sowie über eine ganze Reihe Bücher. Angeblich habe sich Jansen neben einschlägiger Fachliteratur ("Mein Leben bei al-Qaida", "Tatort Internet") auf Verbandskosten auch Lesestoff besorgt, der allein seinem Privatvergnügen gedient habe.

Ungenaue Abrechnungen

Dabei zeigt das Beispiel eines anderen ehrenamtlichen BDK-Funktionärs und hauptberuflichen Kriminalbeamten, dass ungenaue Abrechnungen in der Gewerkschaft nicht zwangsläufig zu disziplinarischen Maßnahmen führen müssen.

Gegen den Beamten aus Nordrhein-Westfalen recherchierten zwischenzeitlich sogar die eigenen Leute und trugen schließlich einen 303 Seiten starken Bericht zusammen, den wiederum die BKA-Spitze an die Staatsanwaltschaft Münster weiterleitete. Es ging um insgesamt 5374,51 Euro, um offenbar nicht ganz sauber verbuchte Bahncards 50 First, Schnitzelbaguettes, Streuseltaler und den Ausgleich unbezahlten Urlaubs.

Die Staatsanwaltschaft stellte zwar ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und Untreue ein, weil sie keinen "hinreichenden Tatverdacht" sah. Doch der BDK-Kassenrevisor kam zu einem anderen Schluss. "Aufgrund der bereits jetzt feststehenden groben Verstöße gegen Interessen und Satzung des BDK", schrieb im September 2011 der Kriminalpolizist, sollte "zeitnah" der Ausschluss des Kollegen aus der Gewerkschaft beantragt werden.

Geschehen allerdings ist seither nichts.

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