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Kriminalfall: Der Heilbronner Polizistenmord

Foto: dapd/ Polizeidirektion Südwestsachsen

Polizistenmord in Heilbronn Sie nannte sich Mandy Struck

Eine Frau, die im Verdacht steht, mit zwei Komplizen eine junge Heilbronner Polizistin ermordet zu haben, hat sich der Polizei gestellt. Wegen Verbindungen zur Neonazi-Szene stand das Trio schon vor Jahren unter Beobachtung  - und tauchte ab. Ein Leben im Untergrund begann.

Erfurt/Zwickau/Heilbronn - In einer Mittagspause endete das Leben der 22-jährigen Polizistin Michèle Kiesewetter. Die junge Frau und ihr Kollege Martin A. wurden am 25. April 2007 auf der Heilbronner Theresienwiese überfallen: Kiesewetter wurde mit einem Kopfschuss regelrecht hingerichtet, A. überlebte schwer verletzt.

Vom Täter - oder waren es mehrere? - fehlte jede Spur, über die nächsten Jahre wurde der ungeklärte Mordfall zu einem der spektakulärsten der deutschen Kriminalgeschichte, nicht zuletzt wegen gravierender Pannen bei den Ermittlungen. Die osteuropäische Mafia könnte für die Tat verantwortlich sein, hieß es - oder ein europaweit agierender Einzeltäter, ein "Phantom". Oder handelte es sich um einen Racheakt von Neonazis?

Jetzt scheint das Verbrechen aufgeklärt.

Am Dienstagnachmittag stellte sich in Jena die 36-jährige Beate Z. der Polizei, seit Freitag war mit internationalem Haftbefehl nach ihr gesucht worden.

Ebenfalls am Freitag hatte die Polizei die Leichen der beiden mutmaßlichen Komplizen Z.s in einem ausgebrannten Wohnmobil in Eisenach gefunden. Sie sollen dort nach einem Bankraub Selbstmord begangen haben, hieß es. In dem ausgebrannten Fahrzeug stellten die Ermittler zwei Pistolen des Typs Heckler & Koch P2000 sicher - die Dienstpistolen der getöteten Polizistin Kiesewetter und ihres Kollegen.

Rohrbomben und Nazi-Propagandamaterial in der Garage

200 Kilometer von Eisenach entfernt, in Zwickau, hatten die beiden 34 und 38 Jahre alten Männer mit Beate Z. eine Wohngemeinschaft gebildet. Das Trio stand seit den neunziger Jahren wegen Kontakten zur Neonazi-Szene unter Beobachtung, nachdem die Polizei im Januar 1998 in einer Garage im Jenaer Stadtteil Burgau vier funktionsfähige Rohrbomben, TNT, Waffen und Neonazi-Propagandamaterial sichergestellt hatte. Es gelang den drei Verdächtigen jedoch jahrelang, sich dem Zugriff der Polizei zu entziehen.

Z. sowie Uwe B., 34, und Uwe M., 38, konnten dem SPD-nahen Aufklärungsportal "Blick nach Rechts" zufolge fliehen, obwohl sie observiert wurden. Sie tauchten unter, die Fahndung nach ihnen blieb erfolglos. 2003 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Verjährung ein.

Laut "Blick nach Rechts" waren B. und M. ebenso wie Z. dem Umfeld der Neonazi-Gruppe "Thüringer Heimatschutz" (THS) zuzuordnen. Die Organisation, ein Zusammenschluss freier Kameradschaften, ist laut einem Bericht des Portals "Motor der organisierten rechtsextremen Gewalt im Freistaat".

2000 gab der THS eine Pressemitteilung heraus, wonach Z., B. und M. "nie Mitglied des THS" gewesen seien. Das war allerdings schon damals kaum glaubhaft. Der Hamburger Verfassungsschutz hatte die drei Personen 1997 als "Angehörige des THS" bezeichnet.

"Mandy"- freundlich und unauffällig

Beate Z. - für die Nachbarn war sie Susann Dienelt, Spitzname Lise. Sie benutzte auch den Decknamen Mandy Struck. Der Nachbarschaft im Zwickauer Stadtteil Weißenborn blieben sie und ihre beiden männlichen Mitbewohner weitgehend fremd, Z. wird als "freundlich und unauffällig beschrieben". Von Verbindungen zur Neonazi-Szene sei nichts bekannt gewesen. Kurz geschorene Haare hätten die Männer gehabt, sagte ein Nachbar. Er habe sich geärgert, dass die beiden - anders als die Frau - "nie Guten Tag gesagt haben".

Der Nachbar berichtete, dass Beate Z. am Freitagnachmittag überraschend zu Besuch da gewesen sei und ihre Katzen abgegeben habe. Kurz darauf, gegen 15 Uhr, kam es in dem Wohnhaus der 36-Jährigen zur Explosion, worauf sich ein Brand ausbreitete. Z. wird verdächtigt, die Explosion verursacht zu haben.

Danach verlor sich den Ermittlern zufolge zunächst ihre Spur - bis Dienstagnachmittag, als sie in Jena zur Polizei ging.

Der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger geht davon aus, dass die beiden Bankräuber und Z. zu den Tätern gehören, die 2007 die Heilbronner Polizistin ermordeten. Dafür spreche vor allem der Besitz der Dienstwaffen der Polizisten, sagte Pflieger dem Südwestrundfunk (SWR): "Solche Waffen gibt man nicht weiter." Als Motiv vermutet er Beschaffungskriminalität.

Jahrelang hatten die Beamten bei den Ermittlungen zum Heilbronner Polizistenmord kaum Fortschritte gemacht. Doch angesichts der Ereignisse in den vergangenen Tagen hat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg seine Sonderkommission von zuletzt 15 auf 32 Beamte aufgestockt. Polizisten der Soko seien bereits am Samstag nach Thüringen entsandt worden, um die Ermittlungen dort zu unterstützen, sagte ein Sprecher.

jbr/ulz/dpa/dapd/AFP
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