Prozess gegen Berliner JVA-Beamten Der Wachmann, der Drogen und Handys brachte

Landgericht Berlin: Kurierdienste für die Gefangenen
Foto: Taylan Gökalp/ picture alliance/dpaDer Tipp kommt von zwei Gefangenen. Ein Justizvollzugsbeamter mache Geschäfte mit Inhaftierten, versorge sie gegen Geld mit Handys. Im Januar 2019 hört das der Beamte, der den Bereich Sicherheit in der Jugendstrafanstalt Berlin leitet, zum ersten Mal. Im April kommt der Hinweis eines weiteren Gefangenen. Die Haftanstalt informiert das Landeskriminalamt und Ende Juni 2019 wird Thomas K. auf frischer Tat ertappt: In seinen Händen hält er zwei Plastiktüten, darin Handys, Bargeld, Cannabis und verschreibungspflichtige Betäubungsmittel.
Nun hat am Dienstag vor der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin der Prozess gegen Thomas K. begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Justizvollzugsbeamten unter anderem schwere Bestechlichkeit vor.
Thomas K. ist 45 Jahre alt, sein Kopf ist kahl geschoren. Er arbeitete im Haus 8 der Jugendstrafanstalt. Es ist das Haus, in dem drogenabhängige Gefangene untergebracht sind. Er trägt an diesem Tag vor Gericht eine schwarz gerandete Brille, Jeans und ein langärmeliges, dunkelblaues Hemd, das die Tätowierungen auf seinen Unterarmen verdeckt. Die Tattoos sollen SS-Runen enthalten. Der Justizvollzugsbeamte soll sich das Titelbild der CD "Soldat" der Rechtsrockgruppe "Kahlkopf" auf die Haut tätowiert haben. Thomas K. ist deswegen auch wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen angeklagt.
Nazisymbole und halb automatische Waffen
Die Ermittler fanden auf seinem Handy weitere Nazibilder und -symbole. Das Gericht lässt die Bilder an die Wand des Saals projizieren. Ein Bild zeigt eine 88 in einem Lorbeerkranz, die Zahl 8 steht in der Neonaziszene für den achten Buchstaben im Alphabet, das H, die 88 also für HH - "Heil Hitler". Ein anderes Bild zeigt ein gerahmtes Foto von Adolf Hitler, davor eine Kerze und ein Bierglas. Mehrere Bilder zeigen Hakenkreuze, ein Bild zeigt eine geballte Faust mit den Worten "White Power". Die Bilder scheinen Thomas K. nervös zu machen. Er redet aufgeregt auf seinen Verteidiger ein. Die Bilddateien stammen aus Chats einer WhatsApp-Gruppe. Ob Thomas K. die Bilder nur bekommen oder auch verschickt hat, bleibt an diesem Tag unklar. Ebenso, wer die anderen Mitglieder der WhatsApp-Gruppe sind.
Warum der Justizvollzugsbeamte Nazisymbole auf der Haut trägt und auf seinem Handy gespeichert hat, erklärt der Angeklagte möglicherweise am kommenden Freitag, dem nächsten Verhandlungstag. Dann will sich Thomas K. auch zu den Waffenfunden in seiner Wohnung äußern. Zwei halb automatische Pistolen samt Munition fanden die Ermittler bei ihm zu Hause. Eine Erlaubnis, diese Waffen zu besitzen, hat er nicht.
An diesem ersten Prozesstag äußert sich Thomas K. nur zu seinen Kurierdiensten für die Gefangenen. Er gibt zu, in neun Fällen an insgesamt vier Tagen im April, Mai und Juni 2019 vor allem Handys in die Justizvollzugsanstalt (JVA) geschmuggelt zu haben. Die Handys hatten Freunde der Inhaftierten zuvor in Schließfächer vor der Sicherheitsschleuse zum Besucherbereich des Gefängnisses gelegt. In diesen Fächern sollen JVA-Besucher eigentlich alles einschließen, was sie nicht mit in den Besucherbereich nehmen dürfen, wo sie auf ihre inhaftierten Freunde treffen.
"Sie taten mir leid"
Thomas K. lässt seinen Verteidiger in seinem Namen eine Erklärung vorlesen. Darin beteuert er: "Ich habe nur an diesen vier Tagen in meinem Leben so gehandelt." Er bereue sein Verhalten "zutiefst". Jene vier Tage hätten sein Leben für immer verändert. Vom Dienst ist er inzwischen freigestellt. Er sagt, er habe "nur kleine, überschaubare Beiträge" erhalten. Gefangene hätten ihm 30 bis 60 Euro bezahlt, damit er die Tüten mit dem illegalen Inhalt aus den Schließfächern hole und ihnen überreiche. Auch das Geld lag in den Tüten.
Als Motiv seines Handelns nennt er die Personalknappheit im Gefängnis, "die völlige Unterbesetzung" - und Mitleid mit den Gefangenen. "Ich stand unter ständigem Stress", lässt der Angeklagten seinen Verteidiger vortragen. "Ich muss sagen, dass ich durch die Strafgefangenen bequatscht worden bin. Das macht es nicht besser, aber sie taten mir leid."
Im Anschluss spricht Thomas K. selbst. Er sagt, nicht er habe den Gefangenen seine Dienste angeboten, sondern sie hätten ihn angesprochen. "Die sind auf mich zugekommen, weil sie schon wieder erwischt wurden und ihr Handy weg war." Geld habe er für seine Schmuggeldienste nie gefordert, sagt er. "Das kam von den Insassen. Mal 30, mal 50 oder 60 Euro. Das war nicht viel."
Der Vorsitzende Richter erinnert ihn an die Tüten, die er bei seiner Festnahme in den Händen hielt. In einer Tüte steckten nicht 30, 50 oder 60, sondern 120 Euro in einer Tabakpackung, markiert mit einem blauen Punkt. Thomas K. sagt, nur ein Teil des Geldes, 50 Euro, sei für ihn gewesen. Den Rest habe er in der Tüte gelassen. Und es habe auch Inhaftierte gegeben, für die er Handys geschmuggelt habe, ganz ohne Geld dafür zu nehmen, "weil sie mir leidtaten".
Es gibt Zweifel, ob Thomas K., wie er betont, wirklich nur an vier Tagen Handys und anderes ins Gefängnis geschmuggelt hat. Der Leiter der Ermittlungen berichtet vor Gericht von sogenannten Überwürfen. Gegenstände, Handys, auch Drogen werden immer wieder von außen über die Gefängnismauer geworfen und gelangen offenbar durch Helfer schließlich in die Zellen zu den Inhaftierten. Thomas K. steht im Verdacht, einer dieser Helfer zu sein. Beweise fehlen, angeklagt ist er deswegen nicht, worauf sein Verteidiger die Richter deutlich hinweist. Thomas K. schweigt dazu. Nur sein linker Fuß zuckt unentwegt.