Mordprozess in Heilbronn "It's payback time"

Abubaker C. soll in Bad Friedrichshall eine Seniorin in ihrem Bett erdrosselt und religiöse Parolen an die Wände geschrieben haben. Der Prozessauftakt macht schnell klar: Es wird kein einfaches Verfahren.
Angeklagter Abubaker C. mit Anwalt und Dolmetscher (r.) vor Gericht

Angeklagter Abubaker C. mit Anwalt und Dolmetscher (r.) vor Gericht

Foto: Jan-Philipp Strobel/ dpa

Schon die Feststellung der Personalien kostet Mühe: "Ist das der richtige Name, Abubaker C.?", fragt der Vorsitzende Richter den Angeklagten. Der antwortet: "Ich bin unter vielen Namen bekannt." Auch zu Geburtsort und -datum kann der Mann mit dem schwarzen Vollbart keine genauen Angaben machen. 1988 oder 1989? In Pakistan oder Saudi-Arabien? Er stamme aus einer pakistanischen Familie, die dann nach Saudi-Arabien ausgewandert sei.

Beruf? Er habe viele Berufe erlernt, sagt C. "Wenn Sie erlauben, Herr Richter, dann können wir die Seiten wechseln, ich kann das besser als Sie." Schon wenige Minuten nach Prozessbeginn im Großen Schwurgerichtssaal des Landgerichts Heilbronn wird klar: Dies wird kein normales Verfahren.

Auf der Anklagebank sitzt jemand, der die Regeln eines deutschen Strafprozesses nicht akzeptieren will - oder psychisch nicht in der Lage ist, sich angemessen zu verhalten. "Ich will über mein Leben erzählen", wirft der Angeklagte wiederholt ein, in seiner Muttersprache Punjabi, übersetzt durch einen Dolmetscher.

Nach 19 Minuten muss Richter Roland Kleinschroth erstmals unterbrechen. Er nutzt die Minuten nach der Pause zu einem ungewöhnlichen Appell an den Angeklagten und die Öffentlichkeit: Nicht nur vor Gericht möge man versuchen, angemessen miteinander umzugehen. Auch die Hetze gegen die Verteidiger im Internet sei zu verurteilen.

"Lüge"

Der in Heilbronn verhandelte Mordfall birgt großes Potenzial für Hass und Instrumentalisierung: Ein Asylbewerber mit diffus islamistischen Ansichten als Angeklagter. Eine hilflose Hausfrau als Opfer, ermordet in ihrem eigenen Schlafzimmer. Der Gebrauch religiöser Sätze und Zeichen bei einer grausamen Tat.

Abubaker C., so wirft es ihm jedenfalls die Staatsanwaltschaft vor, brachte "einen aus seiner Sicht ungläubigen Menschen" um. C. bestreitet die Tat und bezeichnet die Vorwürfe als "Lüge".

Nach den bisherigen Ermittlungen soll der Täter in der Nacht vom 18. auf den 19. Mai 2016 in ein Wohnhaus in Untergriesheim eingedrungen sein, einem Stadtteil von Bad Friedrichshall. Dort wohnen die Eheleute M. in einer Wohnung, ein Ehepaar im Alter von 70 und 74 Jahren. In einer weiteren Wohnung im Haus lebt die erwachsene Tochter mit eigener Familie.

Der Einbrecher soll sich demnach die Wohnung der beiden Senioren ausgesucht haben, um dort Bargeld, Schmuck und das Smartphone von Günter M. zu stehlen. In der Wohnung ging er in eines der beiden Schlafzimmer, wo Maria M. in ihrem Bett schlief. Laut Staatsanwaltschaft erdrosselte er die Frau mit dem Kabel eines Festnetztelefons und fesselte ihr die Hände.

Der Täter hinterließ arabische Schriftzeichen an der Wand, darunter auch Koransuren, und eine Losung an der Schrankwand im Schlafzimmer auf Englisch: "It's payback time!"

Die Beweislage gegen C. ist erdrückend: Fünf Tage nach dem Mord kam er in Untersuchungshaft. Seine DNA fand sich am Tatort, dazu ein Abdruck der roten Schuhe, die er auch bei seiner Festnahme trug. Außerdem Fasern seiner Jacke. Das Diebesgut, darunter ein Samsung-Handy, fand sich in C.s Besitz, auch ein Tagebuch, in welches er erneut den Satz geschrieben hatte: "It's payback time!"

Vor dem Zubettgehen nahmen sie sich noch einmal in die Arme

Auf den Zuschauerbänken fließen Tränen, als Günter M., ein pensionierter Lehrer, schildert, wie das Böse über sein Leben kam. Seine Ehefrau, eine Katholikin aus einer schlesischen Vertriebenenfamilie, "die emotionale Mitte der Familie". Seit 1967 verheiratet, fest verwurzelt in der Kirche und im Ort, zwei Töchter, Enkelkinder.

Am Tag der Tat feierten sie noch den 18. Geburtstag einer Enkeltochter, Maria M. buk der Enkelin dazu eine Käsesahnetorte. Am Abend schauten die beiden Senioren gemeinsam Fernsehen. Vor dem Zubettgehen nahmen sie sich im Gang zwischen den beiden Schlafzimmern noch einmal in die Arme. Günter M. wünschte seiner Frau eine "gesegnete Nacht", er strich ihr dabei in Form eines Kreuzes über die Stirn. "Ich bin glücklich, dass ich diese Verabschiedung hatte", sagt der weinende Witwer vor Gericht.

Der Ehemann schlief als Schnarcher in einem getrennten Schlafzimmer, er bekam laut eigener Aussage von der Tat nichts mit. Am nächsten Morgen habe er entgegen der Regel geöffnete Zimmertüren und Schubladen vorgefunden, im Schlafzimmer unter der Bettdecke dann den gefesselten Leichnam seiner Frau. In ihren Händen ein Kreuz, das zuvor in der Küche an der Wand gehangen hatte - anscheinend drückte der Täter es ihr in die Hände.

Die Tat sei "besonders beunruhigend und verstörend", sagt Rechtsanwalt Tobias Göbel, der die Nebenkläger vertritt. "Die meisten Menschen fühlen sich in ihrer Wohnung sicher und rechnen nicht mit so etwas."

Seine Mandanten erhofften sich Einsichten über das Motiv, sagt Rechtsanwalt Göbel. Doch sollte C. der Täter sein, scheinen eine wirre Radikalität, kriminelle Energie und psychische Probleme ineinanderzufließen.

"Marihuana geraucht und ferngesehen"

Er sei "streng gläubiger Sunnit", sagt C. vor Gericht. Die seien häufig benachteiligt. "Es gibt Muslime, die können ihr Gebet nicht richtig verrichten." Zugleich beschuldigt C. Mitbewohner schiitischen Glaubens aus der Flüchtlingsunterkunft, in der er vor seiner Einweisung in die Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Hall gewohnt hatte. "Ich bringe den Täter um", kündigt er vor Gericht an. Den Tod hätten auch Menschen verdient, "die unsere Frauen mit falschen Augen ansehen".

Hinweise auf Kontakte zum IS oder andere Instruktionen gibt es indes keine. Laut seiner Asylakte ist C. schon am 5. Dezember 2013 nach Deutschland eingereist, ab Januar 2014 war er in Flüchtlingsunterkünften gemeldet. Dort habe er vor allem "Marihuana geraucht und ferngesehen", sagt der Angeklagte. Das Ehepaar M. war nicht in der Flüchtlingsarbeit engagiert, eine Verbindung zum Angeklagten ist nicht bekannt.

Ob C. schuldfähig ist, soll unter anderem ein Gutachten erhellen. Pflichtverteidiger Christoph Troßbach hält eine psychische Erkrankung seines Mandanten für möglich. "Er gibt ein klares Bild von sich und seiner Psyche ab. Das heißt nicht, dass die Psyche klar ist."

Insgesamt sind 34 Zeugen und vier Sachverständige geladen, das Urteil in Heilbronn soll Ende Februar fallen.

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