Mutmaßliche Betrügerbande in Köln vor Gericht Abzocke mit Schockanrufen

Sie sollen Rentnerinnen in Angst versetzt und um Tausende Euro gebracht haben: In Köln beginnt der Prozess gegen eine wohl besonders skrupellos operierende Betrügerbande. Selbst erfahrene Ermittler entsetzt die Ruchlosigkeit der Taten.
Eingang des Landgerichts Köln: "Das Hirn war blöd, ne"

Eingang des Landgerichts Köln: "Das Hirn war blöd, ne"

Foto: Oliver Berg/ picture alliance / dpa

Für die alten Damen, die er ausgebeutet haben soll, hatte Adam Goman nur Hohn und Spott übrig. In seinem Auto zog der damals 26-Jährige über sie her: "Ausgekochtes Schwein" und "Missgeburt" waren noch die harmloseren Ausdrücke, die er für die verstörten Rentnerinnen verwandte. Über Elfriede K., 88, die er laut Anklage gerade um 10.000 Euro erleichtert hatte, frohlockte er seinen Komplizen gegenüber: "Das Hirn war blöd, ne."

Doch die Männer um Adam Goman ahnten nicht, dass eine Sonderkommission der Kölner Kriminalpolizei ihre abfälligen Gespräche längst belauschte. Die Fahnder der Ermittlungsgruppe "Koma" hatten den von der Bande genutzten Mietwagen verwanzt. Als die Männer Anfang Mai 2014 im nordrhein-westfälischen Voerde der 91-jährigen Ilse N. laut Anklage 18.000 Euro abnehmen wollten, schlugen die Beamten zu. Adam, Valentino und Nico Goman sowie Christian Kwiatkowski wurden vorläufig festgenommen.

Von diesem Freitag an müssen sich die Männer aus Leverkusen sowie Kwiatkowskis Ehefrau Daniela vor der 15. Großen Strafkammer des Landgerichts Köln verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen in ihrer 240-seitigen Anklageschrift unter anderem banden- und gewerbsmäßigen Betrug vor.

Keine Ausbildung, keinen Abschluss

Die Täter, von denen keiner eine Berufsausbildung oder einen Schulabschluss hat, sollen über ein Jahr lang Dutzende Rentnerinnen abgezockt haben. Der finanzielle Schaden belief sich den Ermittlungen zufolge auf mehr als 50.000 Euro. Die seelischen Schäden der Betroffenen aber waren noch gravierender, viele leiden bis heute unter solchen Taten. "Es war die schrecklichste Erfahrung meines Lebens", sagte Herta F. aus Düsseldorf zu SPIEGEL TV. Sie habe lange Zeit nicht mehr richtig schlafen können. "Besonders die ersten Wochen danach waren der reinste Horror", so die 73-Jährige, die wohl auch auf die Bande hereinfiel.

Dass die Betrügereien so tiefe Spuren in der Psyche der Opfer hinterlassen haben, liegt vor allem an der rücksichtslosen Vorgehensweise. So konnten die Ermittler eine Tatbegehung rekonstruieren, die selbst erfahrene Beamte entsetzte: sogenannte Schockanrufe. Demnach suchte man im Telefonbuch zunächst nach Frauen mit traditionellen Vornamen. Bei Ilse, Luise, Elfriede oder Gerda wurde angerufen.

Laut Anklage gab sich sodann am Telefon Adam Goman als Arzt aus, der den Betroffenen eine schreckliche Nachricht überbrachte. Ihr Sohn, ihre Tochter sei verunglückt und liege im künstlichen Koma. Ein Bein müsse womöglich amputiert werden, nur eine aufwendige Behandlung vermöge es noch zu retten. Höchste Eile sei geboten. Da die Krankenkassen nicht so schnell zahlten, müssten die Angerufenen mit einem fünfstelligen Betrag in Vorleistung gehen.

"Also wollen Sie Ihrer Tochter nicht helfen?"

Auf die geschickte Gesprächsführung und manipulativen Kniffe fielen den Ermittlungen zufolge zahlreiche Damen herein. Auch weil die Opfer aufgrund der vermeintlichen Schreckensnachricht innerlich wie gelähmt waren. Wehrten sich die Frauen doch gegen den drängenden Anrufer, reagierte der mit Schärfe und Gemeinheit: "Also wollen Sie Ihrer Tochter nicht helfen?", sagte der angebliche Arzt in solchen Fällen. "Dann muss ich das hier notieren."

Die Verteidiger der Angeklagten kritisieren hingegen, dass die Anklage "künstlich aufgebläht" worden sei, wie der Kölner Rechtsanwalt Simon Kantz sagt. Von vornherein erfolglose Anwahlversuche seien als versuchte Straftaten gewertet worden. Auch hätten sich zahlreiche Fälle "unter den Augen des Staates" abgespielt, so Verteidiger Oliver Gaertner. Die Ermittlungsbehörden hätten das Treiben über lange Zeit beobachtet ohne einzugreifen. "Das kann man schon hinterfragen", sagt Gaertner SPIEGEL ONLINE.

Die aktuell angeklagte Betrügerbande gehört nach Erkenntnissen der Ermittler zur berüchtigten Leverkusener Großfamilie Goman - ein Verbund von Roma-Clans, deren genaue Verwandtschaftsverhältnisse Beamten Kopfzerbrechen bereiten. Eine Abgrenzung, wer überhaupt noch dazugehört, fällt wegen der Komplexität der familiären Strukturen auch erfahrenen Kriminalisten schwer.

Geschäfte in ganz Deutschland

Nicht alle Angehörigen des Clans sind kriminell. Jedoch ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaften seit vielen Jahren regelmäßig gegen Teile der Großfamilie, oft geht es um Betrugsdelikte. Nach konservativen Schätzungen der Behörden sind mindestens mehrere Dutzend Clanmitglieder in Leverkusen polizeibekannt. Statistiken dazu gibt es nicht. Ihre Geschäfte macht die Sippe in ganz Deutschland.

Ein großer Teil des Goman-Clans bezieht staatliche Leistungen, gleichzeitig parken häufig große Limousinen vor den Wohnungen der Familie. "Viele Fahrzeuge sind auf Dritte zugelassen und entziehen sich somit unserem Einfluss. Das macht es sehr schwierig, die Beweislast liegt nun mal beim Staat", sagte Leverkusens Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn im vergangenen Jahr zu SPIEGEL TV.

Im Fall der Schockanrufe waren bei der Polizei seit März 2013 etwa 200 Anzeigen aus ganz Nordrhein-Westfalen eingegangen. Nach der Festnahme der mutmaßlichen Betrügerbande um Adam Goman, genannt "Andy", riss die Serie nach Angaben aus Ermittlerkreisen ab.

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