Randale in Schorndorf Stadtfest in Verruf

Ausnahmezustand in Schorndorf? Keineswegs, sagt der Bürgermeister. Nach dem Polizeieinsatz auf dem Stadtfest ringen die Betroffenen um die Deutung der Ereignisse. Tatsächlich gerieten einige Dinge durcheinander.
Polizei im Schlossgarten in Schorndorf (Montagabend)

Polizei im Schlossgarten in Schorndorf (Montagabend)

Foto: Deniz Calagan/ dpa

Die Schowo, "das große Stadtfest im Herzen von Schorndorf", ist in der Region östlich von Stuttgart sicher ein angesagter Termin. Fünf Tage lang wird auf und um den Marktplatz herum gefeiert, an diesem Abend spielt zum Abschluss unter anderem die Schulamtsband Backnang. Man wird jedoch niemandem zu Nahe treten, wenn man sagt, dass die Schorndofer Woche im Rest des Landes kaum jemanden interessiert. Das war zumindest bisher der Fall.

Dann wurde das Stadtfest plötzlich Thema überregionaler Berichterstattung und aufgeregter Debatten in den sozialen Netzwerken. Man könnte auch sagen: Im Netz wurde gehetzt.

Nachdem die Polizei am Sonntag von sexuellen Belästigungen und Angriffen gegen Polizisten berichtete, von 1000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen, ein großer Teil davon "wohl Personen mit Migrationshintergrund", sah die baden-württembergische AfD schon eine zweite Kölner Silvesternacht gegeben, jetzt auch in der Provinz. Für Donnerstag hat die Fraktion eine aktuelle Debatte im Landtag beantragt.

Tatsächlich gerieten in der Aufregung einige Dinge durcheinander, so geschahen die gemeldeten Vorfälle etwa an unterschiedlichen Tagen und Orten des Festes. Auch die Polizei hat ihre ersten Angaben in der Zwischenzeit teilweise relativiert. Augenzeugen und der Bürgermeister schlagen nun besonnenere Töne an.

Was sich genau ereignet hat, muss weiter ermittelt werden. Noch immer passen nicht alle Angaben zusammen, was bei Veranstaltungen mit vielen Teilnehmern in der Natur der Sache liegt.

Hinzu kommen die ganz eigenen Interessen der Betroffenen: Die Polizei will auf Gewalt gegen Beamte aufmerksam machen, der Bürgermeister fürchtet um den Ruf seiner Stadt, der Veranstalter vielleicht um den des Festes, die AfD sieht die Möglichkeit, ihr wichtigstes Thema auf die Agenda zu packen: Die Angst vor steigender Kriminalität durch Flüchtlinge.

Das sagt der Bürgermeister

Bürgermeister Klopfer (l.) Polizeipräsident Eisele

Bürgermeister Klopfer (l.) Polizeipräsident Eisele

Foto: Christoph Schmidt/ dpa

Ausnahmezustand in Schorndorf? Oberbürgermeister Matthias Klopfer (SPD) ist wütend über die Berichterstattung. Er will nichts schönreden. Es habe am Wochenende vier Fälle sexueller Belästigung gegeben. Das sei nicht zu verharmlosen. Was aber aus den Ausschreitungen bei einer Schülerfeier im Schlosspark von Schorndorf gemacht wurde, sei "völlig überzogen."

Der Großteil der feiernden Schüler sei unbeteiligt und friedlich gewesen. Lediglich zwei kleine Gruppen in niedriger zweistelligen Anzahl seien gegen Mitternacht im Schlosspark aneinandergeraten und hätten dabei mit Flaschen geworfen. Solche Dinge kämen bei Stadtfesten häufiger vor, sagt Klopfer.

Neu hingegen war die Gewalt gegen die Polizisten. Die Beamten seien von den beiden Gruppen eingekreist worden und hätten sich kurzzeitig zurückziehen müssen. Die angeforderte Verstärkung habe lange gebraucht, um nach Schorndorf zukommen. "Deshalb wissen wir nicht genau, was in dieser Zeit passiert ist", sagt Klopfer. Als die weiteren Polizisten eintrafen, sei die Situation jedoch schnell aufgelöst worden.

Alles halb so wild also, findet Klopfer. Er räumt ein, dass es in den vergangenen Jahren während der Schorndorfer Woche vermehrt zu Problemen im Schlosspark gekommen sei, das habe aber überhaupt nichts mit Flüchtlingen zu tun. In diesem Jahr hätten Stadt und Polizei die Lage schlicht falsch eingeschätzt, sagt Klopfer. Im Schlosspark herrsche ab 22 Uhr eigentlich Alkoholverbot. "Wir haben das aber nicht ganz so streng gesehen." Zum Ende des eigentlichen Stadtfestes um 0.30 Uhr habe man in den Vorjahren auch im Schlosspark die Party der Jugendlichen beendet. Das sei diesmal zu spät geschehen.

Das sagt die Polizei

Schon am Montag hatte die Polizei die Angaben aus der ersten Pressemitteilung relativiert. Ein Sprecher sagte, dass knapp die Hälfte der 1000 Menschen im Schlosspark einen Migrationshintergrund gehabt habe. Doch ganz sicher feststellen konnte das ohnehin niemand.

An den Ausschreitungen in der Nacht auf Sonntag hätten sich knapp 100 Personen beteiligt, teilte die Polizei mit. Die Beamten seien wegen einer Schlägerei gerufen worden. Vor Ort hätte es eine Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen gegeben. Dass es sich dabei um zwei rivalisierende Gruppen gehandelt haben soll, wollte ein Sprecher nicht bestätigen. Man gehe entsprechenden Hinweisen nach.

Beim Versuch einen der Streithähne festzunehmen, habe dieser sich heftig gewehrt. Darauf hätten sich die Gruppen gegen die Polizei zusammengeschlossen und die Beamten mit Flaschen beworfen.

Bereits am Montag hatte der Aalener Polizeipräsident Roland Eisele mitgeteilt, dass die Polizei die Lage nicht immer im Griff gehabt habe. Die Einsatzkräfte hätten sich kurzzeitig zurückziehen und neu aufstellen müssen. Erst mit Kräften aus anderen Orten habe man die Lage unter Kontrolle bekommen.

Wer die Täter seien und welcher Nationalität sie angehörten, sei bislang unklar. Festnahmen im Zuge der Ausschreitungen hatte nicht gegeben. "Wir hatten dafür nicht ausreichend Personal vor Ort", sagte ein Polizeisprecher. Man habe die Situation unterschätzt.

Nach Angaben der Polizei wurden in der Nacht von Freitag auf Samstag außerdem drei junge Frauen auf dem Marktplatz sexuell belästigt, in der Nacht von Samstag auf Sonntag eine auf dem Bahnhofsvorplatz. Die Polizei habe bereits Tatverdächtige vernommen, bei ihnen handele es sich um Flüchtlinge. Diese Vorfälle hätten allerdings nichts mit den Ausschreitungen im Schlosspark zu tun, sagte ein Polizeisprecher.

Das sagt Veranstalter

Auch Schowo-Veranstalter Jürgen Dobler hält die Aufregung für überzogen. Er schätzt, dass rund 500 Jugendliche im Schlosspark, der nicht zum Festgelände gehört, gewesen seien. Dass von einem "prügelnden Mob" und vielen Migranten gesprochen werde, sei für ihn unverständlich. "Das war ein ganz normaler bunter Haufen im Park."

"Die jungen Leute haben im Park wie jedes Jahr friedlich getrunken und Musik gehört", sagt Dobler. Gegen ein Uhr seien am Rande des Parks zwei Gruppen aus anderen Orten aneinandergeraten. "Die Polizei griff ein und die beiden Gruppen haben sich gegen die Beamten verbündet." Ein paar Flaschen seien geflogen, auch in Richtung einiger Jugendlicher im Park. "Das war keine große Sache", sagt Dobler, der nichts beschönigen möchte. Es sei aber von Anfang an mehr daraus gemacht worden, als es tatsächlich war.

Im Laufe der Nacht wurden laut Polizei noch Einsatzwagen mit Graffiti besprüht. Berichte über mit Messern bewaffnete Gruppen, die durch Schorndorf gezogen sein sollen, verweist Dobler ins Reich der Fabeln. Ab 0.30 Uhr seien auf dem Festgelände in der Stadt nur noch ein paar Leute unterwegs gewesen.

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