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"Dritter Weg" Eine Nazipartei macht sich in Plauen breit

Am 1. Mai marschieren sie wieder durch Plauen: Die Nazis vom "Dritten Weg", die seit Jahren die Stadt in Sachsen infiltrieren - sehr zum Ärger vieler Plauener. Doch der Oberbürgermeister schaut lieber weg.

Der Wartburgplatz ist ein schöner Ort, eine großzügige ovale Freifläche in der Stadt, von ehemaligen Fabrikantenvillen gesäumt, das angrenzende Viertel gilt als ruhig und bürgerlich. Nichts deutet darauf hin, dass es hier bald von Menschen in dunkelgrünem Einheitslook wimmeln wird, die lieber 1939 leben würden als 2019.

Und doch ist es so: Unter dem Motto "Soziale Gerechtigkeit statt kriminelle Ausländer" hat die Kleinpartei "Der Dritte Weg" hier eine Mai-Demonstration angemeldet. 300 Teilnehmer sind angekündigt, 2016, als der "Dritte Weg" das erste Mal für Plauen mobilisierte, kamen 800. So viele werden es wohl auch diesmal werden. Zuvor soll bei einem "Bürgerfest" das Programm vorgestellt werden. Gefordert werden eine "Wiederherstellung Gesamtdeutschlands" und der Todesstrafe, sowie der Kampf gegen eine "Verausländerung".

Dass die größte Kundgebung des deutschen Neonazi-Spektrums in Plauen stattfindet, ist kein Zufall. Die Kleinpartei "Dritter Weg" hat sich 2016 hier eingenistet. Seither versucht sie, die Zivilgesellschaft zu infiltrieren. Für Schüler bietet sie Hilfe bei den Hausaufgaben an, in ihrer Zentrale im Stadtteil Haselbrunn organisiert sie Selbstverteidigungskurse "für deutsche Kinder und Jugendliche", es gibt eine Kleiderkammer und eine "Volksküche" - beides nur für Menschen, die in der Weltsicht der Partei als Deutsche gelten.

Fast ein Dutzend Gruppen demonstriert für Toleranz

Die Stadtverwaltung scheint das alles nicht zu stören. Im Gegensatz zu zahlreichen Bürgern. Neben dem "Runden Tisch für Demokratie und Toleranz", an dem Kirchen, Parteien und Verbände beteiligt sind, machen am Mittwoch fast ein Dutzend Gruppierungen mobil. Eine der aktivsten ist "Colorido" (spanisch für "bunt"), das am 1. Mai ein Musikfestival ausrichtet und bisher gegen alle Aktionen des "Dritten Weges" Flagge gezeigt hat.

Dafür, dass Plauen zum neuen Zentrum der aktivistischen Neonaziszene wurde, kann die 66.000-Einwohner-Stadt nichts. Erst als das bayerische Innenministerium das Kameradschaftsnetzwerk "Freie Netz Süd" (FNS) verbot und sein Vermögen konfiszierte, kamen die Aktivisten hierher. Plauen ist nur 30 Kilometer von Oberprex in Franken entfernt, wo das FNS seinen Schwerpunkt hatte.

Parteien sind laut Grundgesetz nur schwer zu verbieten. Nur deshalb wurde aus dem FNS der "Dritte Weg". Etwa 20 Familien sollen damals von Franken nach Plauen und ins Umland gezogen sein, weil sie dort bessere Entfaltungsmöglichkeiten sahen. Der Plauener Linken-Politiker Kai Grünler vermutet noch andere Gründe: "Der sächsische NSDAP-Gauleiter Martin Mutschmann stammte aus Plauen, die Hitler-Jugend wurde um die Ecke in Syrau gegründet. Daran wollen sie anknüpfen."

Ideologisch trennt den "Dritten Weg" vom Dritten Reich jedenfalls nicht viel. Einer der führenden Köpfe ist "Stützpunktleiter" Tony Gentsch. Sein Konterfei prangt an der Tür des Parteibüros. Die Lange Straße 5 ist ein schmuckloser Bau. Die Fenster sind blickdicht, Überwachungskameras hängen an der Wand. Demnächst zieht der "Dritte Weg" in ein schöneres Gebäude in der Pausaer Straße um. Am Mittwoch wollen die Anwohner gegen die künftigen Nachbarn demonstrieren. Gentsch kann eine bewegte neonazistische Vita als Musiker der "Braunen Brüder" und Betreiber eines Mailorders ("Final Resistance") sowie der FNS-Schulungsstätte in Oberprex vorweisen. Martin Wiese, der einen Sprengstoffanschlag auf ein jüdisches Kulturzentrum plante, hat hier referiert.

Das muss man wissen, wenn man die Reaktion des Plauener Oberbürgermeisters Ralf Oberdorfer (FDP) einordnen will, der auf SPIEGEL-Anfrage erklärt: "Der 'Dritte Weg' ist keine verbotene Partei. Damit ist sie in einer Demokratie legitimiert".

Dem hält Jürgen Kasek von den sächsischen Grünen entgegen: "Nur, weil der 'Dritte Weg' nicht verboten ist, heißt das noch lange nicht, dass er demokratisch legitimiert ist, denn das setzt die Konformität zum Grundgesetz voraus." Oberdorfers Haltung sei "eine verquere Lesart, der man besonders in Sachsen leider öfter begegnet." Für den Juristen und Rechtsextremismus-Experten Kasek ist der "Dritte Weg" eindeutig eine nationalsozialistische Partei.

Bürgermeister Oberdorfer betont, dass seine Stadt "dem Tun des 'Dritten Weg' nicht tatenlos zusieht". Oberdorfer verweist auf den Runden Tisch, bei dem "die Stadt immer mit am Tisch sitzt" und den sie jährlich mit 8000 Euro unterstütze. Unbeantwortet lässt er hingegen die Frage, was er in Sachen Hausaufgabenbetreuung und Selbstverteidigungskurse unternommen habe. Auch ob er sich die Räumlichkeiten angeschaut hat, will er nicht beantworten.

"Die Vogel-Strauß-Politik nützt nur den Nazis"

"Das wundert mich alles nicht", sagt Doritta Korte, die Vorsitzende von "Colorido". "Oberdorfer tut so, als sei der 'Dritte Weg' eine Partei wie CDU oder SPD. Er glaubt, was er nicht sieht, ist auch nicht da. Aber diese Vogel-Strauß-Politik nützt nur den Nazis." Einen ähnlichen Eindruck hat Mirko Kluge, der seit 2015 eine aus Flüchtlingen bestehende Fußballmannschaft betreut: "Wenn die Presse Fragen stellt, verweist man gerne auf Initiativen wie unsere. Aber wenn wir mal Unterstützung brauchen, bekommt man eher den Eindruck, man sei unerwünscht." So würden längst bewilligte Fördermittel aus Bundesprogrammen oft erst mit monatelanger Verzögerung überwiesen.

Vor dem 1. Mai-Aufmarsch, den der "Dritte Weg" erstmals 2016 organisierte, hat Oberdorfer den Bürgern empfohlen, nicht gegen die Rechten zu demonstrieren. Am besten sei es, sie zu ignorieren. Doch ignorieren konnte man sie nicht: Gegendemonstranten und Journalisten wurden verprügelt, nur Wasserwerfer konnten (noch) Schlimmeres verhindern.

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Der Eindruck bleibt: Während die Kommunalpolitiker in Franken dem FNS immer wieder Steine in den Weg legten und damit letztlich Erfolg hatten, passiert genau das in Plauen nicht. Das macht es dem "Dritten Weg" unnötig leicht, findet Korte: "Die lachen sich doch ins Fäustchen." Auch Grünler findet, dass die Stadt die rechtlichen Spielräume nicht nutzt - im Gegenteil. Derzeit hängen Plakate des "Dritten Weges" an der Friedensbrücke - unbeanstandet von der Stadt. "Uns hat man bei den letzten Wahlen gesagt, in dem Bereich dürfe nicht plakatiert werden," sagt Linken-Politiker Grünler. Immerhin: Nach der Berichterstattung in der Lokalpresse will der Ordnungsamtsleiter die Sache noch mal prüfen lassen.

Im Alltag setzt sich der "Dritte Weg" fest

Dass "unsere Bewegung in Plauen fest zum Alltag (gehört)", wie es der "Dritte Weg" behauptet, ist das Wunschdenken einer Partei, die im März auch eine von 40 Menschen besuchte Kundgebung zur Großveranstaltung umdichtete. Und doch stimmt es, dass sich "in Plauen dank der unermüdlichen Arbeit unserer Aktivisten eine Gegenkultur gebildet hat." Für die Kreistagswahl hat der "Dritte Weg" in neun von 12 Stimmkreisen genügend Unterstützerunterschriften zusammen bekommen, in Plauen stellt er eine eigene Liste für die Gemeinderatswahl.

Auch im Alltag setzt sich der "Dritte Weg" fest: die Hausaufgabenbetreuung für Schüler wird tatsächlich genutzt, die Gratiskleider nehmen einige Plauener gerne an. In manchen Stadtteilen klebt an jedem Laternenmast Nazi-Propaganda, eine Lehrerin, die anonym bleiben möchte, berichtet, einzelne Schüler verabschiedeten sich von ihr mit "Heil Hitler". Im Winter posteten die "Sozialrevolutionäre" Bilder aus einer Straßenbahn, in der Aktivisten in grünen Partei-Uniformen Ticketkontrollen durchführten und nur Menschen belästigen, die sie für Ausländer hielten.

"In welchem Land leben wir eigentlich?", fragt sich Colorido-Vorsitzende Korte. Sich darauf zu berufen, dass die Partei nicht verboten sei, sei jedenfalls die falsche Strategie gegen politische Vollzeit-Fanatiker.

Für die Stadtpolitik, die so gnädig mit ihnen umgeht, hat der "Dritte Weg" derweil nur Verachtung übrig. "Unsere Aktivitäten sind auch eine direkte Anklage der Versager in den Sesseln des Stadtrats", schreibt er. Nach der Gemeinderatswahl werde man das "den Verrätern auch im Parlament entgegenwerfen."

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