Totes Baby in Mülltonne Staatsanwalt plädiert auf Totschlag statt Mord

Die psychiatrische Sachverständige hatte die Angeklagte als voll schuldfähig eingestuft
Foto: Daniel Karmann / dpaFür den Tod ihres Neugeborenen muss sich eine Frau in Regensburg vor Gericht verantworten – in seinem Plädoyer hat der Staatsanwalt nun auf den Mordvorwurf verzichtet. Stattdessen forderte er eine Verurteilung zu sechs Jahren Haft wegen Totschlags – allerdings nicht in einem minderschweren Fall. Die beiden Verteidiger plädierten auf eine zweijährige Bewährungsstrafe wegen fahrlässiger Tötung. Das Urteil wird am Freitag erwartet.
Die Angeklagte machte vor Gericht keine Angaben, verzichtete auch auf letzte Worte. Direkt nach der Tat hatte sie zunächst gesagt, es habe sich um eine Totgeburt gehandelt. Später sagte sie, sie habe das Kind für tot gehalten. Im Prozess ließ sich das nicht widerlegen.
Die Frau hat am ersten Weihnachtsfeiertag 2020 um die Mittagszeit im Badezimmer einer Regensburger Wohnung ein Mädchen zur Welt gebracht. Laut Rechtsmediziner war das Neugeborene gesund und lebte mindestens eine halbe Stunde oder eine Stunde. Was die Mutter dann machte, blieb unklar. Irgendwann packte sie jedenfalls das Baby – noch lebend oder bereits tot – samt Handtüchern in eine Plastiktüte und diese wiederum mit Abfall in einen Beutel. Den Beutel legte sie in eine Mülltonne vor dem Haus.
Motiv »krasse Eigensucht«
Dem Obduktionsbericht nach starb das Kind durch Ersticken oder Unterkühlung oder eine Kombination aus beidem. Der Staatsanwalt ist überzeugt davon, dass die 25-Jährige – eine deutsche Staatsangehörige – das Neugeborene tötete. Motiv sei »krasse Eigensucht« gewesen. Die psychiatrische Sachverständige hatte die Angeklagte als voll schuldfähig eingestuft – trotz der Belastungssituation durch die Geburt und einer bei einem Wert von 74 leicht unterdurchschnittlichen Intelligenz.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Frau das Kind tötete, um wegen der verheimlichten Schwangerschaft nicht als Lügnerin zu gelten und um ihre neue Wohnsituation in einer WG nicht zu gefährden. Das sei objektiv als niedere Beweggründe anzusehen. Jedoch, erläuterte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer, sei das der Frau subjektiv nicht bewusst gewesen. Als sie das Baby getötet habe, sei ihr nicht klar gewesen, dass das in der Gesellschaft als verwerfliche Tat angesehen werde. Deswegen rückte der Ankläger vom Mordvorwurf ab.
Die Verteidiger gingen davon aus, dass die Frau das Kind fälschlicherweise für tot hielt und stuften das Geschehen – das vermeintlich tote Kind in einen Beutel und in die Mülltonne zu packen – als fahrlässige Tötung ein.
Die Frau hat bereits ein älteres Kind, das bei einer Pflegefamilie lebt. Der Vorsitzende Richter Michael Hammer hatte im Lauf des Prozesses darauf verwiesen, dass eine Verurteilung wegen Totschlags in einem minderschweren Fall oder wegen fahrlässiger Tötung denkbar sei.