Kindesmissbrauch im Saarland Ermittler wollen Hunderte Patientenakten auf Verdachtsfälle prüfen

Vertreter von Staatsanwaltschaft, Rechtsaufsicht, Uniklinik, Polizei und Weißem Ring äußern sich zu dem Fall
Foto: Oliver Dietze/ dpaEin Assistenzarzt am Universitätsklinikum in Homburg soll bis 2014 mehrere Kinder sexuell missbraucht haben. Es bestehe der Verdacht, dass er medizinisch nicht notwendige Untersuchungen am Intimbereich der Kinder vorgenommen habe, die als Routinemaßnahmen dargestellt wurden, teilte die Einrichtung mit.
Konkret befassen sich die laufenden Ermittlungen mit der Behandlung von 34 Patienten, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Saarbrücken mit. Zwischen fünf und acht Jahre alt sollen die mutmaßlichen Opfer gewesen sein. Es habe sich überwiegend um Jungen gehandelt. Die Eltern der betroffenen Kinder wurden offenbar jahrelang nicht informiert.
Arzt arbeitete auch als Judotrainer
Der tatverdächtige Arzt sei auch Judotrainer eines örtlichen Vereins gewesen, hieß es. Dieser sei bei Bekanntwerden der Vorwürfe über die Ermittlungen informiert worden und habe den Trainer daraufhin von seinen Aufgaben entbunden. Das Universitätsklinikum entließ den Mediziner im Jahr 2014. Die Ermittlungen gegen ihn wurden nach seinem Tod 2016 eingestellt.
Wie der leitende Oberstaatsanwalt Michael Görlinger bei einer Pressekonferenz im Homburg sagte, starb der Mann im Alter von 36 Jahren eines natürlichen Todes.
Jetzt sollen mehr als 300 Patientenakten noch einmal überprüft werden. Sie seien bereits nach möglichen Missbrauchsopfern durchsucht worden, dabei hätten sich aber zunächst keine Anhaltspunkte ergeben, teilte die Klinikleitung mit. Es sei aber nicht auszuschließen, dass sich weitere Verdachtsfälle ergeben - daher die erneute Prüfung.
In den Ermittlungen sei es um "möglicherweise nicht medizinisch indizierte Untersuchungen insbesondere des Genital- und Analbereiches von kindlichen Patienten" gegangen, die in der sogenannten Ausscheidungsambulanz des Klinikums vorgenommen wurden. Diese Spezialambulanz kümmert sich um Patienten, die einnässen oder einkoten.

Die Universitätsklinik Homburg (Saar)
Foto: Becker&Bredel/ imago imagesDas Verfahren war ins Rollen gekommen, nachdem die Klinik 2014 Strafanzeige gegen den Mediziner gestellt hatte. Nach Angaben der Uni-Klinik war der Arzt von 2010 bis 2014 an der Kinder- und Jugendpsychiatrie beschäftigt. Allerdings habe man erst in den vergangenen Monaten damit begonnen, die möglichen Opfer und deren Eltern zu informieren und Hilfe anzubieten, hieß es von Seiten der Klinik.
Man habe bisher nur einen Teil der Betroffenen erreicht. Als Grund für die späte Aufklärung der betroffenen Kinder sowie der Eltern gab der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums, Wolfgang Reith an, man habe den Kindern nicht durch Befragungen schaden wollen. Man sei davon ausgegangen, dass die Kinder in der Regel nicht bemerkt hätten, dass der Assistenzarzt sie sexuell missbraucht habe. Man habe die jungen Patienten schützen und nicht traumatisieren wollen. Weshalb die Eltern nicht informiert wurden, konnte die Klinikleitung nicht schlüssig beantworten.
Die gesetzlichen Vertreter der in der Klinik behandelten Kinder wurden nicht von der Staatsanwaltschaft informiert. Dafür habe es keine rechtliche Grundlage gegeben, hieß es. Die saarländische Rechtsaufsicht war erst im April über die Fälle informiert worden.
Die zuständige Abteilungsleiterin Annette Groh sagte, man habe einen Sachverständigen für Kinder- und Opferschutzes zu Rate gezogen. Dieser habe empfohlen, größtmögliche Transparenz walten zu lassen und die Umstände aufzuklären. Dem Rat sei man nun gefolgt. In diesem Zusammenhang werde disziplinarrechtlich gegen einen Beamten ermittelt, der am Uniklinikum arbeitet.
Während der Ermittlungen 2015 hatte die Staatsanwaltschaft bei dem Beschuldigten elektronische Datenträger mit Bilddateien sichergestellt, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zeigten. Die Aufnahmen seien außerhalb der Klinik ohne Bezug zu Untersuchungshandlungen entstanden, sagte der Sprecher. Hier seien drei Geschädigte ermittelt worden, zu denen weitere Verfahren eingeleitet wurden. Bei diesen drei Kindern seien die Eltern informiert worden. Wie Oberstaatsanwalt Görlinger sagte, gebe es aber keinen Hinweis darauf, dass der alleinstehende Arzt in einem Netzwerk von Pädophilen aktiv war.
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) forderte eine lückenlose Aufklärung: "Gerade Kinder und Jugendliche und ihre Eltern müssen sich darauf verlassen können, dass ihr Vertrauen nicht durch Behandler schändlich ausgenutzt wird. So etwas darf nie wieder passieren", sagte er.