Auswahl ehrenamtlicher Richter Ich soll Schöffe werden – und jetzt?

Derzeit werden ehrenamtliche Richter für die Amtszeit von 2024 bis 2028 ausgelost. Erste Benachrichtigungen wurden schon verschickt. Ist das wichtig? Und muss ich das annehmen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Justizia: Laien sprechen Recht

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Foto: MarkusBeck / Getty Images/iStockphoto

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Auch bei Ihnen könnte demnächst ein amtliches Schreiben eintrudeln: 2023 werden die Schöffinnen und Schöffen für die Amtszeit von 2024 bis 2028 ausgewählt. Die ersten Benachrichtigungen wurden verschickt – und vielleicht wurden auch Sie bereits als ehrenamtliche Richterin oder ehrenamtlicher Richter ausgesucht. Was das bedeutet und was Sie jetzt tun müssen – der Überblick.

Was ist ein Schöffe?

Schöffen sind ehrenamtliche Richter, die als Laien neben hauptberuflichen Richterinnen und Richtern an Strafgerichten eingesetzt werden. Gemeinsam mit den Profis sollen sie Taten von Angeklagten beurteilen und Strafen festlegen. Die Amtsperiode von Schöffen läuft über fünf Jahre, in dieser Zeit kommen sie regelmäßig zum Einsatz. Für das Amt kann man sich freiwillig melden. Wenn sich aber nicht genügend Menschen bewerben, losen die Behörden Kandidaten von der Einwohnerliste aus. In so einem Fall werden die zufällig ausgewählten Personen benachrichtigt.

Warum ist das Amt wichtig?

Dass Laien an Gerichten eingesetzt werden, soll durch Transparenz das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Strafjustiz stärken. Die Schöffinnen und Schöffen sollen quasi ein Bindeglied zwischen Staat und Bürgerinnen und Bürgern sein. Schließlich werden Urteile »im Namen des Volkes« gesprochen, das Volk soll an diesen Urteilen also auch beteiligt sein. In vielen Fällen können Schöffen den Vorsitzenden – einen Berufsjuristen – sogar überstimmen. Schöffen müssen keine juristischen Vorkenntnisse haben. Sie sind als Gegengewicht gedacht: Die angestellten Richter sollen die Sitzung fachlich leiten, die Schöffen sind hingegen fürs Bauchgefühl zuständig.

Werbung für die Schöffenwahl: Gibt es nicht genug Freiwillige, wird gelost

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Foto: IMAGO/Guenter Nowack / IMAGO/penofoto

Wer kann Schöffe werden?

Nur Deutsche können Schöffen werden. Das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)  legt außerdem fest, wer nicht Schöffe werden darf:

  • Personen, die infolge Richterspruchs die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzen oder wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt sind;

  • Personen, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen einer Tat läuft, die den Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann.

Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter müssen sich einem Urteil des Verfassungsgerichts  zufolge außerdem in ihrem Verhalten »zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen«.

Nicht berufen werden sollen laut GVG außerdem:

  • Personen, die bei Beginn der Amtsperiode das fünfundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben würden;

  • Personen, die das siebzigste Lebensjahr vollendet haben oder es bis zum Beginn der Amtsperiode vollenden würden;

  • Personen, die zur Zeit der Aufstellung der Vorschlagsliste nicht in der Gemeinde wohnen;

  • Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geeignet sind;

  • Personen, die nicht gut genug Deutsch sprechen;

  • Personen, die in einer so belastenden finanziellen Situation sind, dass sie den Verpflichtungen nicht nachkommen können.

Außerdem werden bestimmte Berufsgruppen wie Anwälte, aber auch Regierungsmitglieder und der Bundespräsident ausgeschlossen.

Kann ich meine Auswahl ablehnen?

Wer als Schöffin oder Schöffe ausgewählt wurde, ist grundsätzlich dazu verpflichtet, das Amt zu übernehmen. Es gibt allerdings Ausnahmen. Ablehnen können die Auswahl etwa:

  • Personen, die glaubhaft machen, dass ihnen die Fürsorge für ihre Familie die Ausübung des Amtes in besonderem Maße erschwert;

  • Personen, die glaubhaft machen, dass ihre ausreichende wirtschaftliche Lebensgrundlage in Gefahr wäre;

  • Mitglieder des Bundestages, des Bundesrates, des Europäischen Parlaments, eines Landtages oder einer zweiten Kammer;

  • Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Gesundheits- und Pflegepersonal, Geburtshelfer und Geburtshelferinnen sowie Apothekenleiter und Apothekenleiterinnen, die keinen weiteren Apotheker beschäftigen;

  • Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben oder es bis zum Ende der Amtsperiode vollendet haben würden;

  • Personen, die in zwei aufeinanderfolgenden Amtsperioden als ehrenamtliche Richter in der Strafrechtspflege tätig gewesen sind, sofern die letzte Amtsperiode zum Zeitpunkt der Aufstellung der Vorschlagsliste noch andauert,

  • Personen, die in der vorhergehenden Amtsperiode die Verpflichtung einer Schöffin oder eines Schöffen an 40 Tagen erfüllt haben,

  • Personen, die bereits als ehrenamtliche Richter in einer anderen Gerichtsbarkeit tätig sind.

Kann das Schöffenamt missbraucht werden, etwa von Rechten?

AfD , NPD  und rechte Gruppen wie Pegida  wollen ihre Anhänger zu Laienrichtern machen. »Der Rechtsstaat braucht uns« , rief die NPD dazu auf, sich als Schöffe zu bewerben. Vielerorts gibt es zu wenig Bewerber – gute Voraussetzungen für die Rechten. Das Problem ist lange bekannt, mit einer 330.000 Euro schweren Werbekampagne sollten daher Bewerber aus der Mitte der Gesellschaft für das Schöffenamt geworben werden . Und in Niedersachsen sollen Kandidaten sich mit einer eventuellen Überprüfung durch den Verfassungsschutz einverstanden erklären .

Oft werden die rechten Laienrichter aber erst nach der Wahl erkannt. Verfassungsfeinde können auch dann noch bekämpft werden – es gibt bereits ein Dutzend Urteile von Oberlandesgerichten und Verwaltungsgerichtshöfen, die Schöffen ihrer Ämter enthoben haben, weil sie sich verfassungsfeindlich geäußert hatten.  Die Gerichte gehen aber unterschiedlich damit um. Bei einem laufenden Prozess in Erfurt ist etwa eine rechte Aktivistin aktuell als Schöffin im Einsatz. Der Prozess läuft gegen einen mutmaßlichen Schleuser.

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Foto: Oliver Berg/ dpa

Bekomme ich als Schöffe Geld?

Ja. Da die ausgewählten Personen das zugeloste Schöffenamt grundsätzlich nicht ablehnen dürfen, müssen ihre Arbeitgeber sie für die Schöffentätigkeit freistellen. Daraus dürfen sich für Arbeitnehmende keine Nachteile ergeben. Also gibt es zwar keine Vergütung, aber eine Entschädigung für erlittene Nachteile, also etwa für den Zeitaufwand, für Verdienstausfall oder für Fahrtkosten.

Für die Zeit vor Gericht  erhalten Schöffen sieben Euro pro Stunde. Die Entschädigung bei einem möglichen Verdienstausfall  liegt bei 29 bis 73 Euro pro Stunde.

Ich nehme mein Amt als Schöffe an, wie geht es weiter?

Die Schöffinnen und Schöffen schwören in einer öffentlichen Sitzung des Gerichts einen Eid. Dann werden sie in den nächsten Jahren regelmäßig eingesetzt. Maximal zwölfmal pro Jahr sollen sie dem Bund ehrenamtlicher Richterinnen und Richter  zufolge zu Sitzungen herangezogen werden. Eine Sitzung kann aber auch mehrere Tage dauern. Im Extremfall kann das über mehrere Monate hinweg wöchentliche Einsätze bedeuten. Das ist aber nicht die Regel. Es gibt auch Schöffen, die während ihrer Amtszeit nie zum Einsatz kommen.

Welche Rechte und Pflichten habe ich als Schöffe?

Die Schöffinnen und Schöffen müssen an den Sitzungen teilnehmen, für die sie ausgelost wurden. Dann nehmen sie in der Hauptverhandlung etwa an Entscheidungen zu Beschlüssen über Beweisanträge oder über Ordnungsgelder gegen Verfahrensbeteiligte teil. Schöffen dürfen Fragen an Angeklagte, Zeugen und Sachverständige stellen. Und am Ende sind sie auch am Urteil beteiligt. Sie nehmen an der Beratung und der Abstimmung des Richterspruchs teil. Ihre Stimme zählt hier genau so viel wie die der Berufsrichter, sie können diese also auch überstimmen. Über die Beratungen müssen Schöffen nach dem Ende ihrer Tätigkeit aber schweigen.

Übrigens: Falls ein Schöffe einen Gerichtstermin verschläft, wird er womöglich von der Polizei abgeholt. So erlebte es SPIEGEL-Journalist Peter Maxwill vor Jahren. Seine Kolumne »Mein Leben als Schöffe« lesen Sie hier.

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