
Dominikanische Republik: Das Reich des Peter Brunck
Sektenführer Peter Brunck Zoff im Paradies
Als die letzte Kugel in der Wohnanlage "La Mulata 3" bei Sosúa in der Dominikanischen Republik verschossen war, und sich die Mitglieder der "Akademie für zukünftige Gesundheit" ergeben hatten, staunte die Polizei über den gepanzerten Chevrolet Yukon im Wert von 248.000 Dollar, den sie dort fand. "So einen Wagen hat ja noch nicht einmal unser Präsident", sagte einer ihrer Offiziere.
Dabei war Peter Brunck durchaus so etwas wie der Präsident auf Mulata 3, zumindest führte er sich so auf. Mit etwa 30 Anhängern hatte er dort hinter Stacheldraht und Elektrozaun sein Reich gegründet. Sie schirmten sich ab gegen die angebliche Verderbtheit der Welt, gegen Kriminalität, Korruption und Sittenverfall, horteten Waffen und Munition. Gemeinsam warteten sie auf den Weltuntergang am 21. Dezember dieses Jahres. Doch noch bevor sie in eine neue Welt eintreten konnten, sorgten ganz irdische Gründe für ein vorzeitiges Ende des Projekts.
Am Mittwoch der vergangenen Woche wollte die Polizei das Domizil von Brunck durchsuchen, sie stieß auf Gegenwehr, es kam zu einem Feuergefecht. Ein Sektenmitglied starb, Brunck sitzt nun in Untersuchungshaft.
Bruncks Ideen von kosmischen Strahlen und fernen Welten
Der Mann aus der deutschen Provinz, der nach dem Hauptschulabschluss 1967 eine Lehre zum Orthopädiemechaniker machte, ist alles andere als bescheiden. Er nennt sich Naturwissenschaftler und Religionsphilosoph, angeblich studierte er Maschinenbau und promovierte im ehemaligen Jugoslawien in "Elektrotherapie". Das Amtsgericht Mayen verurteilte ihn 2000 wegen Titelmissbrauchs zu einer Geldstrafe, damals nannte er sich noch Professor. Ein von ihm entwickelter "Mitos-Computer" könne selbst Todkranke heilen. Den Apparat, den natürlich nur er selbst programmieren kann, bezeichnete ein Richter später als "Humbug, der nur vertrieben werde, um alten kranken Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen".
Das indes gelang ihm vortrefflich. Brunck, der eigentlich nie einem wirklichen Beruf nachgegangen ist, entwickelte krause Ideen von perfekten Persönlichkeiten, kosmischen Strahlen und fernen Welten. Seine Seminare kosten schon mal 650 Schweizer Franken für ein Wochenende, er versprach Todkranken Genesung und gescheiterten Unternehmern Erfolg. Zuletzt plante er eine "Seminarreise rund um die Erde". Logisch, dass nur die anderen zahlten, genauso wie für seinen Lebenstraum in der Karibik.
Bis dahin war es ein weiter Weg. Der Durchbruch kam mit seiner zweiten Frau, einer Grundschullehrerein für Musik und katholische Religion, die er Anfang der neunziger Jahre geheiratet hatte. 1995 saßen sie in ihrem gemieteten Haus in Plaidt bei Koblenz und träumten von der großen Welt. Irgendwann fiel ihr Blick auf ein stattliches Anwesen von 15.000 Quadratmetern in Durban, Südafrika, angeblich mit dem "größten Privatpool" der Stadt und mehreren Häusern. 1,5 Millionen Mark sollte es kosten, ein Schnäppchen angesichts der Größe, aber viel zu viel für die Bruncks.
Obwohl sie es sich nach eigener Aussage nicht im Entferntesten leisten konnten, flogen sie nach Südafrika und schauten es sich an. "Was wir zu sehen bekommen, ist überwältigend. Nie im Leben haben wir ein solches Anwesen für uns in Betracht gezogen", schreibt Brigitte Brunck später.
Die Kirchenglocke kam aus der Eifel
Es fügt sich, dass sie eine Frau treffen, die kurz davor steht, wegen jahrelanger Diabetes ihr Bein zu verlieren. Da sie angeblich Bruncks Wunderwirken die Heilung verdankt, überredet die Frau ihren Vater, das Haus zu kaufen, als Familienstiftung zunächst. "Letztlich möchte sie es jedoch für uns, aus Dankbarkeit für ihr gerettetes Bein", wie Brigitte Brunck später schreibt.
Dort gründeten Bruncks die "Akademie für zukünftige Gesundheit", sie reden nur noch von "unserem Haus", von der Spenderin ist keine Rede mehr. Bruncks Anhänger reisten an, er zeigte ihnen das Land, hielt seine Seminare und baute so das Anwesen aus. Doch irgendwann gab es Stress, Hals über Kopf reisten sie ab und ließen alles hinter sich.
Brunck hatte die Karibik als neues Ziel entdeckt, die Dominikanische Republik, von der er offenbar hoffte, dass sie korrupt genug sei, um ihn in Ruhe zu lassen. Dort baute Brunck sein Reich systematisch zu einem Hochsicherheitstrakt mit eigener Energie- und Wasserversorgung aus. Er sicherte das 160.000 Quadratmeter große Gelände mit Elektrozäunen und Wachleuten, überwachte alles mit Kameras.
Tagsüber mussten seine Anhänger schuften, abends gab es Meditation. "Der Friede des Herzens ist das Paradies der Menschen", steht auf einer Kirchenglocke, die sie eigens aus Brockstedt an der Eifel in die Karibik kommen ließen und die täglich zweimal läutete, mittags um zwölf und abends um sechs Uhr.
Dabei unterließ Brunck nichts, um es sich mit seinen neuen Nachbarn zu verscherzen. Er erklärte sich zum Verwalter der gesamten Anlage, ließ Zäune und Wachtore errichten, er wollte alles unter seine Kontrolle bringen. Er klemmte Wasserleitungen ab und ließ die Einfahrten bewachen. Einen Nachbarn, dessen Hund er erschossen hatte, erwarteten seine Anhänger mit schwarzen Kapuzen und Kerzen in der Hand. Als der Mann erschien, bliesen sie das Licht aus. Mitunter standen er und seine Nachbarn sich gleichzeitig mit Polizisten und Staatsanwälten gegenüber.
Von Feinden umzingelt
Wie durch ein Wunder wurde Brunck immer reicher. Sein Anwalt, Wilson Garcia, war Generalsekretär der damals regierenden Partei PLD und verfügte über exzellente politische Beziehungen. Am 6. April 2006 wurde Garcia in seinem Büro erschossen, der Mord ist bis heute nicht aufgeklärt.
Nun wurde auch Brunck vorsichtig. Er trug eine kugelsichere Weste und verließ das Anwesen kaum noch allein. Am 13. Dezember 2006, auf der Rückfahrt von einer Gerichtsverhandlung in der nahen Stadt Puerto Plata, hätte es auch ihn beinahe erwischt. Zwei Männer auf einem Motorrad feuerten auf den Sektenführer. Seine Weste rettete ihm das Leben, Kugeln durchbohrten lediglich seine Hand. Die Täter wurden nie gefasst.
Brunck sah sich von Feinden umzingelt. Er baute das Anwesen noch mehr zu einer Festung aus und verkündete den nahen Weltuntergang. Sogar einen Schutzraum gegen "radioaktiven Fallout" ließ er bauen. Das Sonnensystem sei in einen "Photonengürtel" eingetreten und gleite bis 2012 durch eine Sphäre von zwölf "gigantischen Wirbeln aus intensiven Lichtbändern". Dabei drängten Lichtteilchen tief in die Erde ein und veränderten die Materie. Moleküle verlören an Masse und dehnten sich aus. "Wer nur der Materie gefrönt und auch keine volle Kontrolle über Gefühle und Gedanken erlangt hat, kann sich an die neue Schwingung nicht anpassen und verbrennt innerlich", predigte Brunck.
Nur wer Bruncks Prozesse der seelischen Reinigung erfolgreich durchlaufen habe, sei in der Lage, sich an die neue Planetenschwingung anzupassen, in "höhere Gefilde aufsteigen und die angekündigten paradiesischen Zustände erleben" zu können. Am 21. Dezember solle der "Aufstiegsritt in das fünfdimensionale Bewusstsein" erfolgen. Bruncks Credo: "Es wird das erste Mal in der Erdengeschichte sein, dass der menschliche Körper lebendig transformiert wird." Als neue Spezies Mensch würden sie dann eine neue Erde bewohnen.
Per Bulldozer gegen ein Gerichtsurteil
Doch allem Friedensgeschwafel auf La Mulata zum Trotz gab es Streit in seinem Paradies. Anhänger berichten, Klaus M., jahrelang seine rechte Hand, habe selbst das Kommando übernehmen wollen. Er scharte einen Teil der Leute um sich, jetzt gab es zwei verfeindete Lager.
Brunck griff zu den üblichen Methoden. Er baute einen Zaun quer durchs Anwesen, er stellte das Wasser ab, verbot die Nutzung von Wegen. Die anderen gingen zu Gericht, klagten, bekamen recht. Brunck ging auf Konfrontation, er wollte wie immer gewinnen. Seine Frau verließ das Lager mit den zwei gemeinsamen Kindern und ging zurück nach Deutschland. Hatte sie genug von ihm, oder bereitete sie die Zeit nach dem Weltuntergang vor?
Dienstag vor einer Woche eskalierte die Lage. Brunck ließ einen Bulldozer kommen und eine Schneise mitten durch den Urwald brechen. Damit wollte er ein Urteil aushebeln, das seinen Gegnern den Zugang zum Grundstück über seine Straße ermöglichen sollte. Als Kommunalbeamte das verhindern wollten, vertrieb er sie mit Gewehrschüssen.
Damit hatte er es wohl übertrieben. Am nächsten Morgen, Mittwoch vergangener Woche um 8.30 Uhr Ortszeit, stand ein Polizeikommando mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür. Doch Brunck wollte nicht aufgeben. Sein Anhänger Peter D. eröffnete das Feuer. Rund eine Stunde dauerte die Schießerei, dann war Peter D. tot, drei Polizisten waren verletzt. Im Haus fand man Kriegswaffen, einen Schießstand, einen Krankenwagen und diverse Unterlagen, die nun ausgewertet werden. Untersucht wird nun auch, woher das ganze Geld kam, mit dem Brunck sein Reich finanzierte.